Emmanuel Macron in Algier: Versöhnliche Worte und Erdgas
Emmanuel Macron nutzte seinen Besuch in Algerien, um die seit dem Ende des Kolonialkriegs 1962 komplizierten Beziehungen zu glätten.
Alles beim Treffen war dazu angetan, nach etlichen Verstimmungen der Vergangenheit den Eindruck einer freundschaftlichen Herzlichkeit zu vermitteln. Die „Erneuerung und Vertiefung einer auf die Zukunft ausgerichteten Partnerschaft“ war laut der französischen Präsidentschaft das erklärte Ziel des Besuchs. Macron setzt dabei nicht nur auf die offiziellen Kontakte, sondern vor allem auf die kulturelle, technologische und wirtschaftliche Kooperation. Wie sehr er dabei vor allem auf die Jugend setzt, sollte der Besuch eines legendären Rai-Musikstudios und einer Breakdance-Vorführung in Oran vor seiner Heimreise am Samstag verdeutlichen.
Die Beziehungen zwischen Frankreich und Algerien sind seit 1962, seit der Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonie jenseits des Mittelmeers, immer gespannt geblieben. Der geringste Faux-pas von der einen oder anderen Seite reicht, um Verstimmungen auszulösen, die dann oft während mehreren Jahren das Klima zwischen den beiden Staaten vergiften, die trotz allem durch die Geschichte des Kolonialismus und des nationalen Befreiungskrieges, heute aber auch durch die Immigration verbunden sind.
Die große Gemeinschaft der in Frankreich lebenden und mehrheitlich integrierten Algerier*innen schafft indes neue bilaterale Konflikte: Weil die algerischen Behörden nur wenigen der von Frankreich abgeschobenen illegalen Einwanderer die nötigen Rückreisepapiere ausstellen, hat Paris (wie für Marokko und Tunesien auch) die Zahl der ausgestellten Visa mehr als halbiert, um so Druck zu machen. Macron versprach Erleichterungen, ohne sich aber auf Zahlen oder Quoten festzulegen.
Patriotisch gefärbte Empörung
Im letzten Oktober hatte Macron in einem Interview erklärt, das „politisch-militärische System“ in Algier lebe von einer „Rente der Erinnerung“, und etwas provokativ die Frage gestellt, ob vor der (sehr blutigen) Kolonisierung durch Frankreich 1830 Algerien überhaupt schon eine Nation gewesen sei. Damit löste er selbst bis in Oppositionskreise und in der für demokratische Rechte demonstrierenden Jugend (Hirak) patriotisch gefärbte Empörung aus. Ein wenig ähnlich wie früher Nicolas Sarkozy, der die „positiven Aspekte“ des Kolonialismus unterstreichen wollte.
Das soll nun passé, vergessen und vergeben sein: „Um sich versöhnen zu können, muss man sich zuerst streiten“, meinte Macron nun in Algier großmütig vor der Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung zur Besieglung ihrer Partnerschaft mit Tebboune. Denn der Besuch sollte ja nicht nur der Aufarbeitung der konfliktreichen Geschichte dienen, sondern auch der Zukunft im Dienst gemeinsamer kultureller, politischer und wirtschaftlicher Interessen. Macron träumt wie schon seine Vorgänger von einer umfassenden Partnerschaft der Staaten rund um das Mittelmeer.
Er denkt aber zunächst an die Gegenwart und kam diesbezüglich mit einer langen Liste von Wünschen. War womöglich das algerische Erdgas das Hauptanliegen? „N'importe quoi!“ („Quatsch!“), meinte dazu Macron mit scheinbarem Desinteresse. Frankreich beziehe ja nur etwa 8 Prozent seiner Gasimporte aus Algerien.
Moskau seit jeher ein wichtiger Partner
Mit diplomatischer Vorsicht musste er auch andere Dossiers anpacken: Da Moskau seit jeher ein wichtiger Partner des Regimes von Algier ist, konnte die französische Diplomatie kaum erwarten, dass Algerien im Ukrainekrieg klar Stellung gegen Putins Invasion beziehen würde. Immerhin hofft Macron, dass sein Besuch die Zusammenarbeit mit Algerien im Kampf gegen dschihadistische Terrormilizen in Mali, Libyen und Syrien verstärken konnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr