Emissionshandel in der EU: Der Wasserbett-Effekt
Der CO2-Emissionshandel gilt in der EU ab 2027 auch für Gebäude und Verkehr. Das Konzept hat aber viele Mängel, vor allem die Preisobergrenze ist viel zu niedrig.
I m Dezember 2022 knallten die Sektkorken bei den Befürwortern des neuen europäischen Emissionshandels für Gebäude, Straßenverkehr und kleinere Industrieunternehmen, ETS 2 genannt. Nach dem Durchbruch beim Emissionshandel für Stromerzeugung und Großindustrie würde damit der CO2-Preis endgültig ins Zentrum der Klimapolitik gerückt werden.
Ein Punkt sticht allerdings sofort ins Auge: Der neue CO2-Preis soll bei maximal 45 Euro pro Tonne gedeckelt werden. Das wären Mehrkosten von 10 Cent pro Liter Benzin. Eine Lenkungswirkung ist davon kaum zu erwarten: Schon 2026 soll der CO2-Preis in Deutschland zwischen 55 und 65 Euro liegen. Auch das wäre nach Meinung der Klimaökonomen viel zu niedrig.
Zwar steht die Einigung zum Höchstpreis nur im unverbindlichen Teil der Gesetzgebung, nur war diese Festlegung ein wichtiger Punkt bei der Einigung zum ETS 2. Und der französische Präsident Macron hatte mehrfach erklärt, er würde den Preis auf 45 Euro deckeln. Ein Abrücken von seinem Versprechen vor der Präsidentschaftswahl 2027 wäre eine Steilvorlage für die Parteien von rechts wie links außen. Das klingt eher nach Stagnation als nach Zeitenwende.
Nach Ansicht von Klimaökonomen ist eine solche Preisobergrenze aber kaum zu halten. Grundlage des ETS 2 sind klar festgelegte Obergrenzen für Emissionsmengen. Die Preise für Zertifikate sind Knappheitspreise: Wenn der CO2-Ausstoß nicht deutlich sinkt, wird der Preis je Tonne CO2 entsprechend steigen.
Schwächste Länder bestimmen das Tempo
Der Mechanismus zur Stabilisierung des Preises sieht zwar vor, dass im Bedarfsfall zusätzliche Zertifikate freigegeben würden. Die vorgesehene Menge an Zertifikaten liegt allerdings bei nur 2 Prozent der erwarteten Emissionen – dies wird den Preisanstieg kaum begrenzen können, wenn der CO2-Ausstoß zu wenig sinkt und damit der Preisdruck steigt.
Das Beispiel der Preisobergrenze zeigt die Grundproblematik eines europaweit einheitlichen Emissionshandels. Ein Preis, der in Osteuropa oder Frankreich soziale Proteste auslösen könnte, wird in Staaten wie Deutschland kaum Wirkung zeigen. Mindest- oder Obergrenzen, die nicht national, sondern EU-weit festgelegt werden, müssen sich aus sozialen wie wirtschaftlichen Gründen am kleinsten gemeinsamen Nenner orientieren. Damit wird das Tempo durch die schwächsten Länder bestimmt.
Die Gas- und Energiekrise im letzten Winter hat deutlich gemacht, dass auch in Europa die Etablierung eines wirksamen CO2-Preises von den sozialen Rahmenbedingungen abhängt. Aus diesem Grund ist auch ein Klima- und Sozialfonds auf EU-Ebene beschlossen worden. Der Schwerpunkt bei diesem Fonds liegt allerdings wieder, ähnlich wie derzeit in Deutschland, bei den Subventionen. Zwar sind diese verstärkt für finanziell schwache Gruppen vorgesehen. Direktzahlungen wie ein Klimageld sind aber nur begrenzt für besonders betroffene Gruppen, und das auch nur übergangsweise, gestattet.
ist Bauingenieur und war lange selbstständiger Projektentwickler in der Solarbranche. Seit 1991 befasst er sich in Artikeln und Projekten mit Marktinstrumenten für Klima, Umwelt und Arbeit. Er wohnt in Potsdam und betreibt den Klima-Blog tanker.blog.
Die flächendeckende Modernisierung von Heizsystemen und Gebäudedämmung wie auch die Ablösung des Verbrennermotors kann aber nur mittelfristig umgesetzt werden. Der Anstieg der CO2-Preise im ETS 2 könnte aber zu Energiepreisen wie im Winter 2022 führen – und wird dann alle Bevölkerungsschichten treffen. Ohne ein Klimageld drohen damit politische Turbulenzen mit der Folge, dass Marktmechanismen aufgeweicht und die üblichen kontraproduktiven Instrumente wie Preisdeckel und Entfernungspauschale eingesetzt werden.
Hilft Ökostrom dem Klima?
Auf einem Webinar zum Thema „Klima-Update & Klima-Geld. Wo steht die deutsche Klimapolitik nach der Sommerpause?“ wurde vor ein paar Wochen die Frage der ganz persönlichen Aktivitäten für den Klimaschutz behandelt: dass Menschen etwas tun, sich selbst einbringen wollen. Dass dies ein absolut wichtiger Aspekt wäre, um die Menschen stärker für Klimathemen zu begeistern.
Dagegen steht allerdings der sogenannte Wasserbetteffekt. Der Ökonom Achim Warmbach antwortete auf die Frage, ob man dem Klima helfe, wenn man Ökostrom kaufe, auf den Wochenendflug nach Barcelona verzichte oder sich eine Solaranlage aufs Dach baue, mit einem dreifachen Nein. Wenn ich das Bett an einer Stelle eindrücke, beult es an einer anderen Stelle aus. Die Wassermenge bleibt unverändert.
Mit dem Emissionshandel ist die Menge an Emissionen und damit die Menge der versteigerten Zertifikate festgelegt. Individuelle Einsparungen bei Verkehr oder Gebäudeheizung ändern nichts an der Gesamtmenge der CO2-Emissionen. Weniger Verbrauch führt zu einem Absenken der in Kraftstoff- oder Heizkosten enthaltenen CO2-Preise (bis zum Mindestpreis, so vorhanden) oder zum EU-weiten Verkauf der überzähligen Zertifikate und damit nur zu einer Verlagerung von Emissionen. Für die Bürger wäre klimabewusstes Verhalten damit sinnlos. Wir könnten uns zurücklehnen und die Entscheidung über Emissionsobergrenzen der Politik überlassen – eine absurde Umkehrung der Verhältnisse.
Zu viele Fehlstellen
Die Frage, ob eine Neuverhandlung dieses Kompromisses denn realistisch wäre, ist berechtigt. Nur – das Klima nimmt auf solche Fragen keine Rücksicht. Nebenbei geht es ja auch nach Aussagen der EU um ein Modell, welches attraktiv auch für andere Regionen sein könnte. Weil genau das bisher fehlt. Dafür weist das Konzept allerdings zu viele Fehlstellen auf.
Es gibt eine einfache und erprobte Alternative: das in der Schweiz seit 2008 praktizierte Modell von CO2-Abgabe und Klimageld. Der Großteil der Einnahmen würde per Klimageld zurückgezahlt werden. Der Rest könnte für klimafreundliche Subventionen eingesetzt werden. Die Schweizer sind so zufrieden damit, dass sie es mehrfach per Volksabstimmung bestätigt haben. Ihr CO2-Preis liegt inzwischen übrigens bei 120 Euro pro Tonne.
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