Emdener ThyssenKrupp-Werft gerettet: Über Wasser gehalten
220 Beschäftigte der Emdener ThyssenKrupp-Werft haben wieder eine Perspektive – zumindest für die nächsten drei Jahre. Milliardenauftrag der Bundesmarine in Aussicht.
Das ist das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Unternehmen, IG Metall und den Betriebsräten von ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS). Die 220 Beschäftigten in der ostfriesischen Kleinstadt haben wieder eine Perspektive.
Gemeinsam wollten alle drei Partner nun erkunden, welche neuen Chancen sich dadurch ergäben, dass im Koalitionsvertrag der möglichen Großen Koalition der Überwasserschiffbau als „deutsche Schlüsseltechnologie“ bezeichnet wird. Deshalb rechnet ThyssenKrupp mit einer baldigen Entscheidung der nächsten Bundesregierung über den Bau des Mehrzweckkampfschiffes 180 (MKS 180) für die Bundesmarine. Dieser Auftrag habe „erheblichen Einfluss auf die Auslastung“ von Marine Systems im Überwasserschiffbau, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens.
Anfang September vorigen Jahres war die Belegschaft in Emden auf einer Betriebsversammlung erstmals von der Konzernführung über die Schließungspläne unterrichtet worden. Mehr als 1.000 Stellen sollten in Deutschland gestrichen werden, darunter sämtliche Arbeitsplätze in Emden. „Diese strategische Entscheidung ist nötig, um in einem harten Wettbewerb bestehen zu können“, so TKMS-Chef Rolf Wirtz damals. Die Beschäftigten bekämen aber Arbeitsplatzangebote an anderen Standorten in Hamburg und Kiel, versprach ThyssenKrupp.
„Der Betriebsleitung geht es nur noch um das Wie und Wann, nicht mehr um das Ob“, klagte Michael Hehemann, Geschäftsführer der IG Metall in Emden. Die 1903 gegründete Stammwerft beschäftigte in ihrer Blütezeit Ende der 50er Jahre noch mehr als 5.000 Menschen, nun standen auch die letzten Techniker und Schiffskonstrukteure vor einer ungewissen Zukunft. ThyssenKrupp dürfe es nicht gelingen, „den Standort zu zerschlagen und verbrannte Erde zu hinterlassen“, sagte Hehemann.
ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) hat außer in Emden drei weitere Standorte in Kiel, sowie – nur Konstruktionen, kein Bau – in Hamburg und Bremen.
Besonders gut ist die Auftragslage derzeit bei der TKMS-Werft in Kiel. Grund ist der Marineschiffbau.
Norwegen will vier U-Boote von TKMS bauen lassen, die deutsche Marine zwei weitere U-Boote mit eigenen Spezifikationen. Norwegen hat für das U-Boot-Paket umgerechnet etwa 4,3 Milliarden Euro eingeplant, Deutschland die Hälfte. Der Vertrag könnte 2019 unterzeichnet werden. Die neuen U-Boote für Norwegen sollen ab etwa 2025 und für die deutsche Marine etwa ab 2027 geliefert werden.
Zudem hofft TKMS,drei Boote für Israel bauen zu können. Eine Absichtserklärung für die angeblich 1,5 Milliarden Euro teuren U-Boote wurde bereits unterzeichnet. Bis 2021 stehen zwei weitere Boote für Ägypten und vier Boote für Singapur in den Auftragsbüchern.
Das scheint jetzt gelungen zu sein. TKMS ist in Bietergemeinschaft mit der Bremer LürssenWerft aussichtsreichster Bewerber um den Milliardenauftrag der Bundesmarine zum Bau von zunächst vier, später sechs neuen Kampfschiffen. Mindestens fünf Milliarden Euro sollen die ersten vier Schiffe kosten, das erste soll Ende 2023 ausgeliefert werden.
„Das ist ein Schlüsselauftrag“, sagt Heiko Messerschmidt, Sprecher der IG Metall Küste. Die Ausschreibung der Bundeswehr wurde bereits Ende 2017 abgeschlossen, die Entscheidung über die Vergabe werde in absehbarer Zukunft fallen und die Standorte von TKMS auf Jahre auslasten. Die Großwerft in Kiel hat zudem mehrere Aufträge für U-Boote an der Angel (siehe Kasten).
Für Gewerkschaftsboss Geiken ist allerdings klar, dass sich die Beschäftigten jetzt nicht zurücklehnen können. „Neue Ideen“ seien gefragt, um die Zukunft des Standorts an der Ems zu sichern. „Wir müssen die bislang ungenutzen Potenziale etwa durch Kooperationen besser nutzen“, fordert Geiken. Denn mit reinen Abwehrkämpfen gegen den Abbau von nicht mehr benötigten Arbeitsplätzen ist es auf Dauer nicht mehr getan.
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