Elternzeit für Hannovers OB: Nennt das bloß nicht Elternzeit!
Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) nimmt im Sommer seine Vatermonate – aber nur ein bisschen. Das zeigt wie idiotisch das System ist.
Inhaltsverzeichnis
H annovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) geht im Sommer zwei Monate in „Elternzeit“. So stand es jedenfalls am Mittwoch in allen großen Medien. Die Pressestelle der Stadt hatte das noch korrekt formuliert: „Elternteilzeit“ stand in der Pressemitteilung und auch diese muss vom Verwaltungsvorstand und Rat erst noch genehmigt werden.
Wenn das gut geht, kann Onay in den beiden Ferienmonaten (also denen, in denen man guter Hoffnung sein kann, dass kommunalpolitisch eh nicht viel passiert) seine Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden beschränken und mit den lieben Kleinen öfter mal auf den Spielplatz oder ein Eis essen gehen. Ächz.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich möchte das wirklich sehr gern gut finden. Er hat ja recht, die Vorbildfunktion ist wichtig, sonst wird sich in unserer Arbeitskultur nie etwas ändern.
Und natürlich ist das in seiner Position nicht so leicht: Der Mann wurde für eine begrenzte Zeit gewählt. Wenn der sich zwischendurch über einen längeren Zeitraum vertreten lässt, wen soll man denn dann als Wähler wieder- oder abwählen, ihn oder die Vertretung?
Natürlich gibt es schlimmere Beispiele
Wir haben ja außerdem noch alle die Beispiele vor Augen, wo Väter noch viel kläglicher gescheitert sind. Sigmar Gabriel zum Beispiel, der es nicht einmal schaffte, seine Tochter einmal in der Woche vom Kindergarten abzuholen, ohne dabei wichtigtuerische Telefonate zu führen, und sich von drei Kamerateams begleiten zu lassen.
Christian Lindner, der, schon bevor das Kind geboren ist, weiß, was er alles machen will, um sich nicht darum zu kümmern (Bücher schreiben, promovieren, jagen, fischen, imkern). Und jeder hat mindestens diesen einen Vogel im Bekanntenkreis, der die zwei „Vätermonate“ vor allem als schönen, langen Urlaub begriff.
Da ist es doch viel sympathischer, wenn Onay schlicht sagt: „Meine Kinder sind mir wichtig, ich möchte ein bisschen mehr Zeit mit denen verbringen.“ Und trotzdem führt auch er am Ende bloß vor Augen, wie beknackt ungleichgewichtig die Arbeitsverteilung immer noch ist.
Wenn ich die Kriterien für Onays „Elternzeit“ zugrunde lege, bin ich seit zwölf Jahren in Elternzeit. Nur dass das bei mir „vollzeitnahe Beschäftigung“ heißt, jedenfalls in der Statistik von Arbeitsmarktforschern.
So gesehen bin ich seit zwölf Jahren in Elternzeit
In der Realität heißt es vor allem: Zwölf Jahre gegen die Uhr anrennen und immer mehr auf dem Zettel zu haben, als zu schaffen ist. Nichts davon wird jemand erleben, der sich zwei Monate mehr oder weniger frei nimmt, während die Partnerin die eigentliche Arbeit macht, die Verantwortung trägt und am Ende den Preis bezahlt.
Ich finde, man sollte das nicht Elternzeit nennen oder Vätermonate. „Teilzeit-Spielgefährten“ wäre der passendere Begriff.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga