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Elternratsvorsitzender über Rücktritt„Es gab Diffamierungen“

Der Vorsitzende des niedersächsischen Landeselternrats, Mike Finke, legt sein Amt nieder. Seine Vorschläge sorgten für heftigen Gegenwind.

Unterrichtsausfall finden alle fatal. Aber was man dagegen tun sollte, ist umstritten Foto: dpa
Simone Schmollack
Interview von Simone Schmollack

taz: Herr Finke, nach zwei Jahren als Chef des Niedersächsischen Landeselternrats sind Sie jetzt vom Amt zurückgetreten. Warum?

Mike Finke: Die Angriffe gegen mich als Person und als Vorsitzender waren zu stark. Seit elf Jahren bin ich als Elternvertreter aktiv, davon über neun Jahre im Vorstand des Landeselternrats Niedersachsen. Ich habe also schon einiges erlebt in diesem Ehrenamt. Auch mit Gegenwind kann ich umgehen, das muss man aushalten können in solch einer Funktion als Interessenvertreter der Erziehungsberechtigten von 1,1 Millionen Schülerinnen und Schülern in Niedersachsen. Aber jetzt war ein hinnehmbares Maß eindeutig überschritten worden.

Was bekamen Sie zu hören?

Ich sei unfähig, fachlich inkompetent, ich solle zurücktreten. Es gab darüber hinaus Diffamierungen und Verleumdungen meiner Person gegenüber, zu denen ich mich hier nicht weiter äußern möchte.

Warum sollten Sie zurücktreten?

Oft wegen ganz „banaler“ Dinge, die ich gesagt habe. Die manche aber offensichtlich nicht hören wollten. Beispielsweise habe ich Ende des vergangenen Jahres in einem Interview gesagt, dass lange Schulwege die Familie belasten. Ich selbst erlebe das täglich. Meine Familie wohnt auf dem Land, meine Kinder haben einen Schulweg von circa 90 Minuten pro Strecke. Wenn sie nach Hause kommen, nach einem Schultag mit Ganztagsunterricht, sind sie total erledigt und müssen oft erst einmal ein wenig schlafen. Dann wachen sie am Abend auf und machen ihre Hausaufgaben. Das belastet, und zwar alle in der Familie.

Manche empfinden das als Jammern auf hohem Niveau?

Bild: privat
Im Interview: Mike Finke

43, ist Hausmann mit fünf Kindern. Er war rund zwei Jahre Vorsitzender des niedersächsischen Landeselternrats.

Ich bekam „Erziehungsratschläge“, so etwas wie: Soll er doch in die Stadt ziehen. Oder: Will der jetzt eine eigene Buslinie?

Im Sommer haben Sie Lehrkräften eins eingeschenkt und ihnen – zugespitzt formuliert – Jammern auf hohen Niveau bescheinigt: Sie bekämen viel Geld für wenig Arbeit.

Dafür habe ich einen regelrechten Shitstorm geerntet, vielfach wurde mir die Kompetenz abgesprochen, darüber urteilen zu können. Ich war überrascht, weil ich als Vater und als Elternvertreter täglich sehe, welcher Arbeitsbelastung Lehrkräfte ausgesetzt sind. Das sage ich auch. Die Anforderungen sind gestiegen, die Arbeit an den Schulen wird durch den Lehrkräftemangel zusätzlich erschwert. Das gehört dringend geändert. Aber eben nicht allein durch höhere Gehälter. Dass ich vieles in manchen Medien Abgedruckte im Übrigen so nie gesagt habe, interessierte allerdings kaum.

Mehr Geld bedeutet mehr Anerkennung der Leistung.

Fallen aber allein durch mehr Geld für die Lehrkräfte weniger Unterrichtsstunden aus?

Wodurch würde der Stundenausfall denn verringert? In Niedersachsen fehlen über 300 Lehrkräfte.

Indem beispielsweise Förster als Unterstützer für Sachkundelehrer eingesetzt werden. Nicht alle scheinen zu wissen, dass man studieren muss, um Förster zu werden. Ich kann mir auch temporäre Kooperationen mit anderen Berufssparten vorstellen. Warum sollte ein Wattführer nicht mal ein Projekt „Watt“ in der Schule übernehmen? Schließlich ist er der Experte für das Thema.

Ihre Idee findet keinen Zuspruch?

Jeder Unterricht, den Quereinsteiger übernehmen, ist auf jeden Fall besser als jede ausgefallene Stunde. Über die Qualität der Ausbildung von Quereinsteigern muss an anderer Stelle diskutiert werden.

Eigentlich müssen Ihnen die Lehrkräfte dankbar sein für Ihre Offenheit?

Leider ist das Gegenteil der Fall. Viele halten meine Vorschläge für unprofessionell. Ebenso meine Forderung, beispielsweise wegen der wachsenden Anzahl verhaltensauffälliger Kinder und der Inklusion verstärkt Erzieher, Sozialpädagogen und Therapeuten in den Grundschulen einzusetzen und dadurch Lehrkräfte zu entlasten.

Hat Sie denn niemand unterstützt?

Doch, es gab durchaus Unterstützung von Personen in Gewerkschaften und anderen Verbände, die mir zur Seite gesprungen sind. Aber in der Breite sind nur wenige aufgestanden.

Woran liegt das?

Ich habe das Gefühl, dass viele aus einer Angst heraus schweigen, selbst solchen Anfeindungen ausgesetzt zu sein. Niemand möchte „infiziert“ werden, viele verhalten sich opportunistisch.

Auch Eltern? Immerhin sind sie und ihre Kinder Leidtragende einer unglücklichen Bildungspolitik.

Es sollte unbedingt ein rückschlussfreies Beschwerdemanagement für Eltern geben. Wenn sie also mit irgendetwas nicht einverstanden sind oder sehen, wo etwas schiefläuft in der Schule, sollte es eine unabhängige Stelle geben, die prüft, was an den Vorwürfen dran ist. Das würde meines Erachtens persönliche Angriffe und Verleumdungen sowie die oft anonymen Angriffe im Netz eindämmen.

Sollte der Staat gegen Hate Speech und digitale Übergriffe vorgehen?

Ich bin kein Freund von bevormundenden Regelungen. Aber hier plädiere ich klar für ein Eingreifen des Staates. Besser wäre zwar, auf Anfeindungen im Netz moderierend zu reagieren, also dafür zu sorgen, dass es gar nicht erst zu hartem Hate Speech kommt. Aber jene, die davon betroffen sind, sollten mehr staatliche Unterstützung bekommen.

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