: Eltern erschrecken
■ Genesen: Ferris MC in der Markthalle
Eine Lungenentzündung soll es gewesen sein, die Hamburgs Reimemonster Ferris MC unlängst außer Gefecht setzte, so dass einige der Konzerte zum zweiten Album Fertich! abgesagt werden mussten. Und das bei einem Zeitgenossen, der mit der eigenen Kaputtheit zu kokettieren pflegt – zumindest, wenn es um sein via Bühne und Tonträger transportiertes Image geht. Zwischenzeitlich war zu lesen, Ferris habe ein paar Gänge zurück geschaltet, Texte und Gebaren indes kollidieren weiterhin mit den Vorstellungen besorgter Elterngenerationen: Pyrotechnik, Billy-Idol-Coverversionen und gekrächzte Despektierlichkeiten wollen den Nachwuchs hinabziehen, so scheint es, in eine Welt von Marihuanarauch, Trabantenstadtsozialisation und Auf-Dicke-Hose-Machen.
So weit, so unterhaltsam – zumal, wenn Ferris von der alten Band seines DJs Stylewarz supportet wird: No Remorze waren für ein paar hiphopgeschichtliche Augenaufschläge einmal die inländische Britcore-Hoffnung und hatten mit Rapper Crak eine echte Schau zu bieten. Exklusiv für das Hamburgkonzert fand man sich jetzt nochmal zusammen. Angesichts jüngerer Modelle inszenierter Raubeinigkeit, wie sie dieser Tage an gleicher Stelle Berlins selbst ernannter Battle-Rap-Underground vom Stapel lässt, wirkt Ferris freilich geradezu harmlos.
Wo er mehr oder weniger erklärt auf klassische Positionen innerhalb wiederkehrender Generationskonflikte setzt, gefallen sich die Kreuzberger Straßen-Gralshüter Masters of Rap (am 21.) und deren Ex-Mitglied Kool Savas (am 26. ) im provokanten Brechen mit allerlei Übereinkünften zu gutem Geschmack und politischen Inhalten – gerade auch in der HipHop-Geschichte relevanten. Vermutlich macht es sich zu einfach, wer das Genre auf die einmal bei Chuck D (Public Enemy) formulierte Rolle eines „schwarzen CNN“ festzunageln sucht. Wer aber mit sexistischen und rassistischen Phrasen hantiert, weil er eigentlich seine unschlagbaren Reimskills unter Beweis stellen will, darf sich nachher nicht über so genannte Missverständnisse wundern. Und die Tatsache, dass seine Eltern keine, ähem, Volksdeutschen sind (sondern etwatürkische Pässe haben), schützt auch niemanden davor, wahlweise dumm oder Rassist zu sein.
Alexander Diehl
mit No Remorze, Moqui Marbles und DJ MB1000: Freitag, 20 Uhr, Markthalle
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