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Elon Musk und ApartheidSüdafrikaner mit britischem Hintergrund

Elon Musk hat eine privilegierte Kindheit und Jugend im Südafrika der Apartheid verbracht. Hat das seine libertäre Weltsicht geprägt?

Oft sei er von Mitschülern verprügelt worden, erzählte Elon Musk seinem Biografen. Das Foto zeigt ihn als Achtjährigen Foto: Archivio GBB/laif

Das Foto zeigt die Schachmannschaft der südafrikanischen Bryanston High School im Jahr 1985: Elf Jungs in Schul­uniformen sind um ihre Lehrerin gruppiert. Vorne ganz links, so als habe man ihn absichtlich etwas abseits platziert, sitzt ein verhuscht lächelnder Typ. Er ist kleiner als die übrigen Schüler und hat eine auffallend schlaffe Körperhaltung. Es ist Elon Musk im Alter von 14 Jahren. Man kann sich vorstellen, dass er als Teenager von den anderen Jungs gehänselt wurde. Behauptet hat er dies jedenfalls, im Gespräch mit dem US-Autor Walter Isaacson, der 2023 seine autorisierte Musk-Biografie veröffentlichte. Vielleicht ist es aber auch nur strategisches Storytelling, wie so oft bei Elon Musk.

Die Bryanston High School liegt in Sandton, einem der wohlhabendsten Viertel von Johannesburg. Entlang belaubter Straßenzüge stehen gut gesicherte Villen, in denen mehrheitlich Weiße wohnen. Gleich nebenan befindet sich Alexandra, eines der ärmsten Townships des ganzen Landes. Die Menschen leben dort vornehmlich in Wellblechhütten, 99 Prozent von ihnen sind Schwarze. So war es in Südafrika während der Apartheid bis 1994, und ziemlich genau so ist es noch heute. Kaum vorstellbar, in dieser unmittelbaren Nachbarschaft nichts voneinander mitzubekommen.

Und doch scheint es in den 1980er Jahren so gewesen zu sein, als Elon Musk dort zur Schule ging und Schwarzen der Zugang zu weißen Vierteln nur tagsüber als Arbeitskraft gestattet war. Getragen wurde die sogenannte „getrennte Entwicklung“ durch Zensur in den Zeitungen und ein staatliches Fernsehen, das zum Sendeschluss jeweils die Namen der im Kampf fürs Regime gefallenen weißen südafrikanischen Soldaten und Polizisten einblendete.

Was den jungen Musk laut eigener Angaben traumatisierte, war nicht die krasse Ungleichheit im Land, sondern Quälerei unter Privilegierten: Immer wieder sei er als stiller Junge von seinen Mitschülern verprügelt worden. Am schlimmsten sei es in der sommerlichen „Veldskool“ gewesen, einem angeblich paramilitärischen Camp, wo Aufseher die Jugendlichen geradezu aufeinander gehetzt hätten. Hier aber, so erzählte es Musk seinem Biografen, habe er schließlich gelernt, sich zu wehren, mit gezielten Schlägen auf die Nase seiner Widersacher. In Südafrika kam Musks Beschreibung der Veldskool nicht gut an. Das Portal Politicsweb veröffentlichte eine Art Gegendarstellung, in der das Sommerlager als idyllische Naturkunde-Veranstaltung beschrieben wird. Wie dem auch sei, der junge Musk wechselte die Schule und besuchte bis zum Abschluss die Pretoria Boys High School.

Cricket, Golf und Wasserpolo

Pretoria liegt nördlich von Johannesburg und ist die administrative Hauptstadt Südafrikas. Vater Errol Musk, ein Ingenieur, war dort 1972 in den Stadtrat gewählt worden. Elons traditionsreiche Privatschule gibt es noch immer, sie wirkt wie eines der Colleges im britischen Oxford, mit neoklassizistischen Gebäuden vor getrimmter Rasenfläche. Es wird Cricket, Golf und Wasserpolo gespielt. Musikbegeisterte Schüler können zwischen dem Symphonieorchester und einem Klarinetten-Ensemble wählen. Verschiedene Nobel- und Booker-Preisträger haben diese Schule ebenfalls durchlaufen, darunter Max Theiler (Medizin) und Michael Levitt (Chemie).

Zu seiner Herkunft schrieb Musk Anfang 2024 auf X: „Kleine Korrektur: Ich habe einen britischen Hintergrund, keinen Afrikaaner-Hintergrund (ähnlich wie J. R. R. Tolkien, der ebenfalls in Südafrika geboren wurde).“ Das ist eine wichtige Unterscheidung innerhalb der weißen Community Südafrikas. Afrikaaner, auch Buren genannt, haben niederländische, französische, nicht selten auch deutsche Wurzeln. Sie stellten ab 1948, als die staatlich organisierte „Rassentrennung“ offiziell eingeführt wurde, einen Großteil der politischen Klasse, während sich die Nachfahren der britischen Kolonialherren vor allem der Wirtschaft widmeten. Nicht nur deshalb steht der pseudoenglische Upperclass-Style in den teuersten Vierteln Südafrikas nach wie vor hoch im Kurs.

Die PayPal-Mafia und ihre Südafrikaverbindungen

Elon Musk verließ das Land 1989, noch vor dem Ende der Apartheid, und zog im Alter von 17 Jahren nach Kanada. Interessant ist der Vergleich mit zwei weiteren Trump-Unterstützern, Peter Thiel und David Sacks: Wie Musk wurden sie um die Jahrtausendwende Mitglieder der „PayPal-Mafia“, waren also an der Entwicklung des besagten Online-Bezahldienstes sowie an zahlreichen weiteren Firmen-Gründungen von Technologieunternehmen im Silicon Valley beteiligt. Auch sie verbrachten einen Teil ihrer formativen Jahre im südlichen Afrika.

­Peter Thiels Vater arbeitete in der Chefetage einer Uranmine im heutigen Namibia, im diskreten Dienst des südafrikanischen Atomprogramms. Thiel besuchte die deutsche Schule im mondänen Swakopmund. David Sacks wuchs in einer reichen Gegend von Kapstadt auf. Als Studenten der kalifornischen Eliteuniversität Stanford – der Talentschmiede des Silicon Valley – veröffentlichten Thiel und Sacks 1995 gemeinsam das Buch „The Diversity Myth“, eine Streitschrift gegen politische Korrektheit und positive Diskriminierung.

Mitstudierende haben dem Bloomberg-Autor Max Chafkin berichtet, Thiel habe sich seinerzeit über die Apartheid als wirtschaftlich solides System geäußert, in dem es selbst Benachteiligten besser ergangen sei als in den Nachbarländern. Musk, Thiel und Sacks vertreten eine ähnlich krude Mischung aus libertären und rechtsradikalen Teilhaltungen, die je nach Situation unterschiedliche Facetten betont. Auf der einen Seite verachten sie sämtliche Formen staatlicher Einmischung. Andererseits, so scheint es, schalten sie unter autokratischen Bedingungen in den passenden Modus: Es geht ums Überleben, aber es lässt sich auch profitieren. Vielleicht bieten repressive Verhältnisse sogar die Chance, das wahre Ich zu zeigen.

Simon Kuper trieb den Vergleich zwischen dem Südafrika der Apartheid und den zeitgenössischen USA kürzlich in der Financial Times auf die Spitze: Wohlstand als Geburtsrecht formt(e) hier wie dort ein gedankliches Preset – und die Mitglieder der PayPal-Mafia seien nun einmal von beiden Orten geprägt: So beeinflusse die grundsätzliche Annahme einer natürlichen Hierarchie der Ethnien die Geschicke einer Weltmacht.

Auch wenn dies einen Science-Fiction-Machtmenschen wie Elon Musk nicht in allen Schattierungen zu erklären vermag: Möglicherweise lebt die weiße Mentalität des alten Südafrikas im Trumpismus weiter.

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1 Kommentar

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  • Ist nicht die Frage viel wichtiger, wie wir die Einflussnahme solcher Typen verhindern?