Elfmeterschießen bei der EM: Warum Frauen so gut vom Punkt treffen
Werden mal ein paar Elfmeter verschossen, wird die Leistung von Frauen im Fußball grundsätzlich angezweifelt. Männer trifft ein solcher Reflex nicht.
W as jetzt? Können Frauen etwa doch Elfmeter schießen? 6:5 endete das Wettschießen vom Punkt zwischen Deutschland und Frankreich. Elf Elfmeter in einem Elfmeterschießen wurden verwandelt. Nur drei Schützinnen haben nicht getroffen. Verrückt! Noch ein paar Stunden zuvor hatten sich die üblichen Klugscheißer in den üblichen sozialen Medien noch allen Ernstes die Frage gestellt, warum Frauen keine Elfmeter schießen können. Auf sportschau.de wurde das Thema ebenso diskutiert wie auf der Webseite der Frankfurter Allgemeinen.
Die Spurensuche nach den Gründen für die vielen Fehlschüsse – von 25 Versuchen waren bis Samstagabend nur zwölf erfolgreich – lieferte dem misogynen Netzmob weiteren Stoff für die üblichen Witzeleien. Man solle den Punkt zwei, drei Meter nach vorne verlegen. Oh je! Schießen mal ein paar Fußballerinnen daneben, heißt es gleich, dass Frauen nicht schießen können. Bei Männern gibt es so etwas nicht.
Als die Schweiz es fertiggebracht hat, bei der WM 2006 im Elfmeterschießen gegen die Ukraine kein einziges Mal zu treffen, ist niemand der Frage nachgegangen, warum Männer so schlechte Elfmeterschützen sind. Und als bei der Männer-EM im vergangenen Jahr das zehnte Eigentor gefallen ist, ist niemand auf die Idee gekommen zu fragen, warum die Männer auf dem Fußballplatz so große Orientierungsprobleme haben. Ob der Netzmob Frauen eine solche Eigentorquote durchgehen lassen würde? Wohl kaum.
Alles wieder gut
Aber jetzt, nach dem Elfmeterschießen im Spiel der Deutschen gegen Frankreich ist ja alles wieder gut. Es wurde getroffen, dass es eine wahre Freude war. Die deutsche Torhüterin Ann-Katrin Berger war ebenso sicher wie Linda Dallmann oder die Französin Sakina Karchaoui. Auf die Texte, warum Frauen so gut vom Elfmeterpunkt treffen, wird man dennoch vergeblich warten.
Derartige Verallgemeinerungen werden nur bemüht, wenn es darum geht, Frauen herabzuwürdigen. Fußballschiedsrichterinnen in Deutschland wissen das nur allzu gut. Ein paar Fehlpfiffe in der Bundesliga und es heißt: So geht es nicht weiter, Männer müssen her! Die deutsche Spitzenschiedsrichterin Riem Hussein, die 2021 das Champions-League-Finale zwischen dem FC Chelsea und dem FC Barcelona gepfiffen hat, meinte dazu mal, dass sie als Schiedsrichterin immer stellvertretend für alle Frauen in die Pflicht genommen wird. Wenn in der Männerbundesliga weiter so bescheiden gepfiffen wird wie in der Vorsaison, wird dagegen keiner auf die Idee kommen zu fragen, warum sich Männer mit der Spielleitung verdammt noch mal so schwertun.
Und noch was: Die vielleicht deppertsten Fehlschüsse vom Punkt in der deutschen Fußballgeschichte sind von Männern abgegeben worden. Uli Hoeneß (im Elfmeterschießen der Deutschen im EM-Finale gegen die ČSSR 1976) und Bastian Schweinsteiger (im Elfmeterschießen des Champions-League-Finales 2012 gegen den FC Chelsea). Männer haben es wirklich nicht drauf.
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