: Elf in Umstellung
FUSSBALL Mit einem gewissen Unwillen reist das Team von Bayer Leverkusen zu Atlético Madrid, was es nicht leichter macht, den 2:4-Rückstand aus dem Hinspiel aufzuholen
aus Leverkusen Andreas Morbach
Das Interesse von Tayfun Korkut an Veränderungen scheint überschaubar zu sein, zumindest was die Auswahl seiner Kleidung angeht. Am Dienstagvormittag trug Leverkusens neuer Trainer noch immer eine schwarze Jacke zum weißen Hemd und zur dunklen Hose. In dem Outfit absolvierte der gebürtige Stuttgarter am Freitagabend schon seinen Einstand auf der Bayer-Bank. Allein um Korkuts Hals hatte sich seit dem 1:1 gegen Bremen ein bisschen was getan – beim Abflug nach Madrid trug der 42-Jährige zur Abrundung seiner schicken Kluft nun zusätzlich eine schwarze Krawatte.
Größere Umwälzungen plant der Coach jedoch im Innenleben seiner Mannschaft. Die Aufgabe, das 2:4 aus dem Hinspiel bei Atlético umzubiegen, erscheint zwar aussichtslos. Doch Korkut zeigt dem äußerst unangenehmen Gegner, in den vergangenen drei Jahren zweimal Finalist in der Champions League, die Zähne. „Wir machen keinen Ausflug nach Madrid, sondern müssen daran glauben“, lautet die unfreiwillig zweideutige Devise des Übungsleiters, der bei seinem verwegenen Plan nicht zuletzt auf den Faktor Zeit setzt: „Wir sind wieder eine Woche weiter, und das wollen wir auch auf dem Platz zeigen.“
Korkuts neuer Chef, Michael Schade, machte allerdings kein Geheimnis daraus, dass er die Leverkusener Fußballer in dieser Woche entschieden lieber auf dem Trainingsplatz neben der BayArena als im Estadio Vicente Calderón gesehen hätte. Spiele in der Königsklasse seien normalerweise ja immer ein Quell der Vorfreude, sinnierte Schade. „Aber dieses“, führte der Geschäftsführer des Werksklubs den Gedanken fort, „trifft uns im denkbar ungünstigsten Moment.“
Schades trübes Urteil entsprang auch dem Wissen um den zerpflückten Kader der Rheinländer, in dem beim Abflug neben den verletzten Innenverteidigern Ömer Toprak und Jonathan Tah sowie dem gesperrten Abwehrkollegen Benjamin Henrichs auch Altmeister Stefan Kießling (Hüftzwacken), Jungstar Kai Havertz (Abitur-Klausuren) und Lars Bender (Sprunggelenkprobleme) fehlten. Der Ausfall des 27-jährigen Bender im defensiven Mittelfeld gilt als besonders gravierend – allerdings legte auch der Kapitän zuletzt eine ungewöhnliche Leichtfertigkeit an den Tag.
Wie etwa beim 0:2 gegen Mainz, das den Rauswurf von Cheftrainer Roger Schmidt entscheidend mit einleitete. Dessen Nachfolger soll Leverkusen im letzten Drittel dieser verkorksten Saison noch irgendwie in die Europa League hieven. Seit der schwachen Premiere gegen Bremen hat Rudi Völler aber auch die Gefahr, noch in die Abstiegszone abzurutschen, ins offizielle Gedankengut des Vereins aufgenommen. „Hier unterschätzt keiner die Lage“, beteuert der Sportdirektor, der sich zudem mit der Möglichkeit eines substanziellen Aderlasses bei Bayer im Sommer befassen muss.
Ohne Auftritte auf internationaler Bühne, von der Königsklasse ganz zu schweigen, dürfte die erkennbare Lustlosigkeit bei Glamour-Stürmer Chicharito weiter zunehmen. Vom offensiven Glanz des Mexikaners war zuletzt wenig übriggeblieben. Gleiches galt für andere vermeintliche Leistungsträger wie Karim Bellarabi oder Kevin Kampl. Fußballerisch herrschte gegen Werder weitgehend Stillstand – und auch emotional war bei den Bayer-Kickern keinerlei Veränderung auszumachen.
Sportchef Völler betrachtet den Trip nach Madrid daher mit kühlem Realismus. „Wir wollen uns so gut wie möglich verkaufen. Dann spielen wir in Hoffenheim, dann ist die Länderspielpause – und danach werden wir alles dafür tun, um noch ein bisschen weiter vorne ranzukommen“, erklärt der 56-Jährige. Nach überbordender Zuversicht klingt das nicht. Ebenso wenig wie der Hinweis von Geschäftsführer Schade, der vor dem zweiten Pflichtspiel unter Tayfun Korkut etwas steif formulierte: „Die Mannschaft ist nach dem Trainerwechsel in einer Art Umstellung.“
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