Elektroschocker für Streifenpolizisten?: Die Polizei will schocken
Hamburgs Polizei bringt die Ausrüstung von Beamten des Streifendienstes mit Elektroschockgeräten erneut ins Gespräch. Die Innenbehörde will noch keine Entscheidung.
Hamburg wäre damit das vierte von 16 Bundesländern, in dem die Polizisten standardmäßig Taser tragen. Nur in Berlin, Rheinland-Pfalz und Hessen sind die Geräte, deren Stromschlag das Ziel kurzzeitig durch eine Muskelblockade bewegungs- und handlungsunfähig macht, flächendeckend im Einsatz .Die Bremer Polizei erprobt derzeit den Einsatz.
Das Argument der Befürworter: Verletzungen durch einen Taser-Einsatz fallen in aller Regel geringer aus, als Verletzungen durch Schusswaffen. Hautrötungen und geringfügige Blutungen sind meist die Folge. Doch ungefährlich sind die Elektroschocker nicht. In den USA, wo die Polizei und auch das Gefängnispersonal mit Tasern ausgestattet sind, gab es nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters seit 2000 mehr als 1.000 Tote durch Tasereinsätze.
Besonders gefährdet sind Personen mit einem Herzleiden oder gar einem Herzschrittmacher sowie Schwangere. Hier kann der Taser-Einsatz besonders schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben. In einer Studie stellte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages fest, dass ein Treffer ins Auge zu einer Erblindung führen kann.
An einer Taser-Pistole befinden sich Ladungselektroden, welche an die Zielperson geschossen werden und dort meist an der Kleidung haften.
Die Elektroden sind mit der elektrischen Schaltung der Pistole durch Drähte verbunden.
Das Ziehen des Abzugs öffnet eine Druckgaspatrone und der Strom wandert entlang der Drähte zu den Elektroden und verursacht einen Stromschlag.
Trotzdem lobt die Polizei den Taser als „deeskalierendes Einsatzmittel“. Polizeipräsident Ralf Meyer lobt, dass ein Taser selbst im Vergleich zu einem Schlagstock „das deutlich mildere Einsatzmittel“ sei, eine Auffassung, die der innenpolitische Sprecher der FDP, Carl-Edgar Jarchow, teilt. „Ob dem so ist, prüfen wir derzeit“, sagt Innenbehörden-Sprecher Frank Reschreiter.
Für den Hamburger Kriminologen Rafael Behr sind Taser dagegen „kein deeskalierendes Einsatzmittel“. Überall, wo das Gerät von der Polizei eingesetzt werde, habe sich gezeigt, dass die Hemmschwelle sinke, mit Waffengewalt auf sein Gegenüber zu reagieren, „wenn ein Einsatzmittel zwischen Pfefferspray und Schusswaffe zur Verfügung steht“. Schon heute setze die Polizei Schusswaffen am meisten gegen psychisch Kranke oder gestörte Personen ein, nicht aber gegen Verbrecher.
Polizisten würden aber noch seltener versuchen, einen Konflikt durch Reden zu deeskalieren, oder einfach dadurch, auf Distanz zu einer Person zu gehen, wenn eine Waffe einsatzbereit ist, „deren Wirkung als nicht todbringend eingeschätzt wird“. Wo ein Taser zur Verfügung stehe, gehe deshalb „polizeiliche Professionalität weiter verloren“ – die Pflicht zu deeskalieren, sei nicht mehr so zentral.
Für Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion der Linken, ist der flächendeckende Einsatz „eine echte Aufrüstung der Polizei, für die ich aktuell keinen Anlass sehe“.
Im Hamburger Polizeigesetz bereits verankert
Gefragt werden würde Schneider ohnehin nicht: Die Verwendung des Tasers ist im Hamburger Polizeigesetz bereits verankert. Die Bürgerschaft würde bei einer Bewaffnung auch von Streifenpolizisten mit dem Schock-Spender gar nicht gefragt werden.
Einen Anlass, aktuell auf das Thema einzugehen, sieht Reschreiter nicht. Schon seit längerem prüften Innenbehörde und Polizei, ob eine Ausweitung des Taser-Einsatzes sinnvoll sei, da „die Spezialeinheiten damit gute Erfahrung gemacht haben“. Die Erkenntnisse anderer Bundesländer werte man aus, es gebe aber „überhaupt keinen neuen Sachstand“.
Auch stehe eine Entscheidung derzeit nicht an. „Den Taser schießen wir nicht aus der Hüfte“, versichert Reschreiter.
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