Elbphilharmonie: Stadt klagt gegen Hochtief
Weil der Baukonzern konkrete Terminpläne verweigert und auch eine letzte Frist verstreichen ließ, geht die Stadt jetzt vor Gericht. Hochtief allerdings sandte in letzter Minute ein Fax - und vertröstete erneut.
Die städtische Realisierungsgesellschaft Rege hat gestern Mittag beim Landgericht Hamburg Klage gegen den Baukonzern Hochtief eingereicht. Damit zog die Stadt die Konsequenz aus der Weigerung des Konzerns, einen verbindlichen Terminplan für die Fertigstellung der Elbphilharmonie vorzulegen. Die Eröffnung des inzwischen 323 Millionen teuren Gebäudes war ursprünglich für November 2011 vorgesehen; dies ist mit Hochtief auch vertraglich vereinbart. Inzwischen war man - immerhin wäre das noch innerhalb der Spielzeit - beim Eröffnungstermin im Mai 2012 angekommen. Ouvertüre des Eröffnungsjahres sollte ein Musikfestival sein.
Dieser Zeitplan war zwischen der Stadt, dem Architektenbüro Herzog & de Meuron und der Baufirma Konsens - bis zum 12. Januar dieses Jahres. Da hatte Hochtief der Stadt plötzlich Bauverzögerungen von "bis zu einem Jahr" angekündigt, wovon insbesondere der große Konzertsaal betroffen wäre. Intendant und Kultursenatorin erstarrten und verlegten sich aufs Leugnen. Die Juristen waren findiger: Hochtiefs Brief sei ein Mix aus "prognostischen und tatsächlichen Verzögerungen", sagt ein Insider, und eben das wolle die Stadt jetzt bereinigt haben. Hochtief solle konkretisieren, warum sich welcher Bauabschnitt um wie viele Wochen verzögere, wie die inzwischen auf 24,5 Millionen Euro gestiegenen Nachforderungen zustande kämen und wann der Bau verbindlich fertig werde.
Hochtief mauerte und gab den Architekten die Schuld: Die hätten immer wieder zeit- und kostenintensive Änderungswünsche wie etwa eine luxuriöse Belüftungsanlage geliefert und den Bau verzögert. "Die Architekten haben alles rechtzeitig geliefert und bloß noch Details verfeinert. Die rechtfertigen aber keine Bauverzögerung von einem Jahr," kontert Kulturbehördensprecher Karl-Olaf Petters. Immer wieder, so Petters, habe man Hochtief aufgefordert, belastbare Terminpläne zu erstellen, was die Firma stets verweigert habe.
Der Baukonzern Hochtief wurde 1875 gegründet und 1896 in eine Aktiengesellschaft für Hoch- und Tiefbauten verwandelt.
Der Umsatz des Unternehmens betrug 18,1 Milliarden Euro im Jahr 2009.
Beschäftigt sind dort rund 66.000 Mitarbeiter.
Bauverzögerungen gab es bereits beim Weser Tower in Bremen. Dort verweigerte Hochtief den Einbau der vom Investor geforderten Rauchabzüge und verzögerte den Bau. Schließlich kündigte der Investor den Vertrag.
Eine Vertragsstrafe in Millionenhöhe musste Hochtief zahlen, weil die Firma den Umbau der Kölner Rheinhallen verzögert hatte.
Vor zwei Tagen, am 6. April, lief die letzte Frist ab: Bis Mitternacht hätten da die detaillierten Ausführungspläne vorliegen sollen. Aber so lange wartete man nicht: Bereits Stunden früher - genau um 19.40 Uhr - kündigte Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) im Kulturausschuss an, dass man nunmehr klagen werde, weil die Pläne ja nicht vorlägen.
Alles gegenstandslos, konterte Hochtief-Sprecher Bernd Pütter gegenüber der taz: Man habe fristgerecht reagiert und "deutlich vor der Kulturausschuss-Sitzung" ein entsprechendes Fax an Rege-Geschäftsführer Heribert Leutner geschickt. Dessen Eingang am Dienstag um 15.45 Uhr bestätigt Rege-Sprecherin Nina Siepmann. Allerdings handele es sich dabei nicht um den geforderten Terminplan, sondern "man hat uns abermals vertröstet": Am 16. April, so das Schreiben, werde Hochtief einen detaillierten Ausführungsplan vorlegen - allerdings, ohne den Rechtsanspruch der Rege anzuerkennen. Dieses Detail ist wichtig, denn hieran knüpft sich die Chance der Stadt auf spätere Schadenersatzansprüche.
Hochtief-Sprecher Pütter findet, dieser detaillierte Terminplan liege der Rege bereits vor. Immer wieder habe man Bauberichte geliefert. "Aber all das ist anscheinend kompliziert zu verstehen. Deshalb haben wir es jetzt nochmal systematisch aufgeschrieben." Eine Akt der Gnade, so scheint es, keine Pflicht.
Bleibt die Frage, wie die Richter das sehen. Denn bei Verfahrenseröffnung wird der geforderte Terminplan ja bereits vorliegen. Die Klage würde damit gegenstandslos. Zieht die Stadt dann zurück? "Nur, wenn Hochtief bis dahin unseren Rechtsanspruch auf die Fortschreibung des vertraglich vereinbarten Terminplans anerkennt", sagt der Behörden-Sprecher.
Skeptisch äußert sich Peter Tschentscher von der oppositionellen Hamburger SPD: Die Erfolgsaussichten der Klage seinen gering, da die Kulturbehörde das Projekt nicht im Griff habe. Der Senat müsse aufpassen, dass neben den gestiegenen Baukosten nicht auch noch unnötige Gerichtskosten entstünden, "weil die Kultursenatorin über den Sachstand in der Frage der Terminpläne nicht richtig informiert ist", sagte er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch