Gutachter Schlipka über Kostensprünge beim Elbphilharmonie-Bau: "Drohungen nicht so ernst nehmen"

Gutachter Franz-Josef Schlapka hält die Millionen-Nachforderungen beim Bau der Hamburger Elbphilharmonie für weit überzogen. Die Baufirma hat ihn deshalb verklagt. Er nimmt trotzdem nichts zurück.

Irgendwann soll hier Wohlklang herrschen: Das im Bau befindliche Konzerthaus im Hamburger Hafen. Bild: dpa

taz: Herr Schlapka, die Baufirma Hochtief hat Sie wegen ihrer Anmerkungen zur Elbphilharmonie verklagt. Warum genau?

Franz-Josef Schlapka: Hochtief klagt auf Unterlassung mehrerer Bemerkungen aus einem Interview, das ich Spiegel Online gegeben habe. Zum einen habe ich gesagt, dass die zusätzlichen Baustellen-Gemeinkosten von 1,44 Millionen, die ich der entsprechenden Senatsdrucksache entnehme, so nicht stimmen können. Dann habe ich bezweifelt, dass 5,3 Millionen an Steuerungs-Mehrkosten entstehen, wenn sich die Bauzeit verlängert. Auch habe ich gesagt, dass es in der Bauindustrie üblich sei, mit einem niedrigen Angebot um Aufträge zu kämpfen und dann durch Nachforderungen für Aufbesserung zu sorgen. Schließlich habe ich erwähnt, dass es in der Bauindustrie üblich sei, den Bauherrn auch mal unter Druck zu setzen und zum Beispiel das Bautempo zu verlangsamen.

Welche These erhalten Sie aufrecht?

Alle.

Wenn Nachforderungen branchenüblich sind: Warum monieren Sie dann, dass Hochtief 270 Millionen mehr forderte, von denen immerhin 137 Millionen gezahlt wurden?

Weil diese Beträge exorbitant über dem Durchschnitt liegen. Nachträge betragen in der Regel bis zu 30 Prozent des Werklohns. Hochtief hatte für die Elbphilharmonie ursprünglich einen Werklohn von 138 Millionen Euro angesetzt. Jetzt wurden nochmals 137 Millionen gezahlt - fast 100 Prozent mehr.

Welche Forderungen erscheinen besonders unplausibel?

Einerseits die 23 Millionen Euro an Baustellengemeinkosten - sie betreffen Baustelleneinrichtung und die Besetzung der Baustelle mit Leitungs- und Aufsichtspersonal. 23 Millionen bedeuten, auf 16 Monate Bauzeitverlängerung aufgeteilt, knapp 1,44 Millionen im Monat. Ich kann nachweisen, dass das zu hoch angesetzt ist. Außerdem wären da die - auch durch Bauzeitverlängerung anfallenden - Steuerungsmehrkosten. Die von Hochtief geforderten 5,3 Millionen sind nicht plausibel. Wenn Sie sich Gebührenordnungs-ähnliche Tabellen ansehen, kommen Sie auf eine völlig andere Zahl. Die liegt bei weniger als einem Drittel.

der Bauingenieur und selbstständiger Bauleiter, Projektsteuerer und Sachverständige begutachtete Im Januar 2010 für die Hamburger SPD die Plausibilität der Nachforderungen seitens der Baufirma Hochtief

Hätte die Stadt grundsätzlich verhindern können, dass sich die Elbphilharmonie von 114 auf 323 Millionen Euro verteuerte? Als öffentliche Auftraggeberin musste sie das günstigste Angebot annehmen.

Ja. Nur hat die Stadt den Vertragsinhalt im Nachhinein verändert und etwa einen weiteren, dritten Konzertsaal geplant. Da musste man mit Mehrkosten und Bauzeit-Verlängerungen rechnen. Ohne diese Änderungswünsche hätte Hochtief für 114 Millionen Euro bauen müssen.

Grundsätzlich ist es also rechtens, dass Hochtief Nachforderungen stellt?

Ja. Die Nachforderungen hat der Bauherr verursacht. Es ist allerdings eine Frage der Höhe.

Die Stadt hat Hochtief auch 30 Millionen "Einigungssumme" gezahlt. Ist so etwas üblich?

Nein. Kein privater Auftraggeber würde das tun. Auch steht dieser Summe meines Wissens keine Werkleistung gegenüber.

Dahinter stand die Drohung Hochtiefs, den Bau stillzulegen.

Die Senatsdrucksache lässt diesen Schluss durchaus zu.

Wie kann ein öffentlicher Auftraggeber mit so einer Drohung umgehen?

Legte der Auftragnehmer die Baustelle wirklich still, würde er sich einer Kündigung aussetzen und im Nachhinein erheblichen Schadenersatz zahlen müssen. Deshalb muss man solche Drohgebärden nicht hundertprozentig ernst nehmen. Das hat die Stadt aber offenbar getan.

Kennen Sie Fälle, in denen ein Bauunternehmer eine so große Baustelle stillgelegt hat?

Stillgelegt wohl nicht. Aber verlangsamt.

Wie sollte die Stadt Hamburg mit der Situation umgehen?

So, wie sie es in jüngster Zeit tut: Mir scheint, dass sie sich auf die Hinterfüße stellt, indem sie Hochtief auf die Herausgabe eines verbindlichen Terminplans verklagt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.