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Eklat im Harich-Prozeß

Berlin (dpa) - Das Oberste Gericht der DDR hat den Philosophen und Systemkritiker Wolfgang Harich rehabilitiert. Das Präsidium des Gerichts hob am Freitag in einem sogenannten Kassationsverfahren ein vor 33 Jahren gefälltes Urteil gegen Harich und die seinerzeit mitangeklagten Bernhard Steinberger und Manfred Hertwig auf und sprach die damaligen Angeklagten im Nachhinein frei. Harich zeigte sich mit dem Urteil nicht zufrieden.

Nach Schluß der Verhandlung kam es noch im Gerichtssaal zu einem Eklat. Mit den Worten „verdammter Dreck und Mist“ erhob sich der schwer herzkranke Harich erregt von seinem Platz. Er warf dem Gericht vor, ebenso wie bei dem Prozeß 1957 die Hauptsache nicht berücksichtigt zu haben. Ihm sei es seinerzeit um die Wiederherstellung der deutschen Einheit gegangen.

Der Amtierende Präsident des Gerichts, Gerhard Körner, hatte zuvor gesagt, ein von Harich in der Verhandlung am 28. März entsprechend gestellter Antrag könne in diesem Verfahren aus rechtlichen Gründen nicht berücksichtigt werden. Dies sei nur in einem Wiederaufnahmeverfahren möglich. Harich sprach empört von einer Mißachtung seines Antrages. Dieses Verfahren sei keine Genugtuung für ihn. Die Grundlagen für den seit 33 Jahren an ihm begangenen Rufmord blieben bestehen. Auf die Frage von Journalisten, ob er eine Wiederaufnahme des Verfahrens anstrebe, sagte Harich, er wisse es noch nicht.

Der Erste Strafsenat des Obersten Gerichts hatte am 9. März 1957 Harich, Steinberger und Hertwig wegen angeblicher Staatsverbrechen und der Vorbereitung eines Regierungssturzes zu zehn, vier und zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Der heute 66 Jahre alte Harich war nach acht Jahren wieder freigekommen.

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