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Eishockey in BerlinAbschied vom Wellblechpalast

Die Eisbären Berlin spielen am Donnerstag vielleicht zum letzten Mal im Wellblechpalast. Ab Herbst flitzen sie in der O2-Arena übers Eis. Trainer Hartmut Nickel wird deswegen widerwillig etwas melancholisch.

Volle Hütte: Eisbären-Fans im Wellblechpalast Bild: DPA

DIE NEUE SPIELSTÄTTE DER EISBÄREN

Die Eröffnung der neuen Multifunktionshalle nahe dem Ostbahnhof ist für September geplant. Vor allem Sportveranstaltungen wie die Spiele der Eisbären und Konzerte werden in der sogenannten O2-Arena stattfinden. Die Baukosten werden auf 165 Millionen Euro geschätzt, 17.000 Plätze bietet sie. Damit wird sie die größte überdachte Halle in Berlin sein.

"Eigentlich ist das hier mein Leben", erklärt Hartmut Nickel und schaut sich um. Der korpulente 63-Jährige sitzt auf der Trainerbank und hält sich bereit für das Training im sogenannten Wellblechpalast. Nickel nennt ihn liebevoll "meinen Welli" - und wenn er von der Halle spricht, wird er ein bisschen wehmütig.

Denn es heißt Abschied nehmen vom Zweckbau mit dem blassgrünen Wellblechdach. Schon heute Abend ist es vielleicht so weit: Wenn die Eisbären die Halbfinalpartie um die Deutsche Meisterschaft gegen Düsseldorf verlieren, ist für sie die Spielzeit zu Ende. Und ab der neuen Saison spielen sie dann in der neuen Multifunktionshalle am Ostbahnhof.

Nickel fuhr im Wellblechpalast 1963 zum ersten Mal übers Eis, da hießen die Eisbären noch SC Dynamo Berlin. Nickel war damals als 19-jähriger Spieler in die DDR-Hauptstadt gekommen. Das Dach, erinnert er sich, habe es gar nicht gegeben. Das wurde erst später draufgesetzt. "Wenn wir spielten, wurden die Lampen vom Wind geschaukelt. Und bei Feuchtigkeit platzten sie." Nach einem Rundblick über die blauen Schalensitze und die Stehränge im Kurvenbereich sagt der Eishockeyveteran: " Heute ist das doch ein Schmuckkästchen."

Die Halle wird heute Abend wie stets in dieser Spielzeit mit 4.695 Zuschauern ausverkauft sein. Diese Einnahmen genügen aber nicht, um in der Liga auf Dauer vorne mitzuhalten. Da bietet die neue Halle, die "O2-Arena", mit ihren 14.500 Plätzen ganz andere Möglichkeiten. Mit dem Umzug hat sich Nickel längst abgefunden. Er hat so oft über den bevorstehenden Abschied von "seinem Welli" und seine Stimmungslage reden müssen, dass er bereits selbst Formulierungsvorschläge anbietet: "Wie schreiben das die Journalisten? Ich gehe mit einer Träne im Knopfloch."

Eigentlich möchte Nickel nicht zu emotional werden. Trotzdem wird er ein wenig rührselig, wenn er über das Eisstadion in Hohenschönhausen sinniert, in dem er 15 DDR-Titel gewann. "Die Handträger für 12 Bierbecher wird es wohl nicht mehr geben. In der neuen Halle musst du ja nirgends lange anstehen", sagt Nickel. Er nennt den Wellblechpalast "eine Kultstätte". Da gäbe es keinen Akustikschlucker. "Alle sind hautnah dran. Wenn die Fans in Schwung sind, rollt das Ganze."

Zu DDR-Zeiten versammelten sich hier allerdings nur wenige Menschen. Lediglich die nächsten Verwandten und Freunde der Spieler kamen. Seit 1970 trat man immer nur gegen Dynamo Weißwasser an - in der kleinsten Liga der Welt. Die Stimmung war im Vergleich zur Eishockeyhochburg in der Lausitz dröge. Daran konnten auch Hauptstadtprivilegien nichts ändern "Wir hatten Erdnusschips und die nicht", sagt Nickel.

Die stimmgewaltige Anhängerschaft kam erst nach der Wiedervereinigung. Da gelang es dem Club als einem der wenigen Ostvereine, sich gegen die Westkonkurrenz zu etablieren. Aus dieser Epoche stammt die Wortschöpfung "Wellblechpalast". Bei allem Erfolg gab es jedoch immer wieder Tiefschläge. "Rauf und runter ging es, wie bei unserem Wellblechdach", erinnert sich Nickel.

Dass etwas auch aufwärts gehen kann, dieses Gefühl kannten viele Menschen aus den angrenzenden Wohnbezirken des Wellblechpalasts nicht mehr. In Hellersdorf, Marzahn und Hohenschönhausen genießen die Eisbären besondere Popularität. "Viele der Arbeitslosen hier freuen sich, wenn sie ihr Leid für ein paar Stunden wegdrücken können", so Nickel. Die Eisbären gaben den Glücklosen ein Stück Selbstwertgefühl zurück. Anfangs brüllten viele: "Wir bauen die Mauer wieder auf." Bis heute wird lautstark "Ost-, Ost, Ostberlin" skandiert. Auswärts hingegen wurden Fans und Spieler mit "Stasi"-Rufen beschimpft. Zu DDR-Zeiten war der Verein dem Ministerium für Staatssicherheit unterstellt.

Die Klischees hielten sich auch noch lange nach der Wende, obwohl bei den Eisbären mittlerweile etliche Amerikaner und Kanadier auf dem Eis standen. Selbst im Jahr 2005, als schon längst der US-Milliardär Philip F. Anschütz den Verein als neuer Besitzer übernommen hatte, bemerkte Nickel anlässlich der ersten gewonnenen Meisterschaft süffisant: "Wir roten Socken haben dieses Teil. Das ist unglaublich."

Ein gewisser Oppositionsgeist ist nach wie vor spürbar, wenn die Anhängerschaft mit "Dyyynamo, Dyyynamo"-Rufen alte Zeiten auferstehen lässt. Viele Fans befürchten, dass sich bei den Eisbären künftig zu viel um den Kommerz drehen wird. Die Angst geht um, man könnte in der neuen Arena vom Eventpublikum geschluckt werden.

Nickel wiegelt ab. Er setzt auf das Grundbedürfnis der eingefleischten Fans: "Vielleicht wird es ein wenig teurer. Aber wenn die Butter 10 Cent teurer wird, müssen wir sie trotzdem essen."

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