Eishockey-WM der Männer: Doch noch ein kleines Wunder
Bei der Eishockey-WM der Männer holt Kanada trotz drei Vorrundenpleiten den Titel. Die Deutschen freuen sich über Rang 4, doch die Basis ist fragil.
Am Ende gab es in Riga doch noch ein kleines Wunder auf dem Eis, und zwar ein kanadisches. Die Nordamerikaner gewannen durch ein 3:2 nach Verlängerung im Finale gegen Titelverteidiger Finnland den WM-Titel, nachdem sie in der Vorrunde des Turniers dreimal verloren hatten. „Ich bin so stolz auf diese Jungs“, jubelte Kanadas Coach Gerard Gallant am Sonntag. „Sie haben nie aufgegeben. Es war ein harter, harter Start für uns, aber zu sehen, wie sie sich zurückgekämpft haben, das ist fantastisch.“
Wundersam war dieser WM-Sieg deshalb, da die kanadische Formation aus jungen, noch unbekannten Profis aus der National Hockey League (NHL) bestand, die sich nicht zu schade waren, vor dem WM-Start eine sechstägige Coronaquarantäne abzusitzen. Viele etablierte NHL-Spieler hatten dagegen dankend abgewunken. Das aus dieser Not geborene Team kam in der lettischen Hauptstadt zum ersten Mal zusammen – und steigerte sich nach den anfänglichen Problemen von Spiel zu Spiel. Eishockey-Weltmeister trotz dreier Niederlagen im Turnier – das gab es erst drei Mal in der Geschichte: Tschechien 1999, Kanada 1997 und Schweden 1987. Für die Kanadier war es der 27. WM-Titel, womit sie mit den Russen gleichzogen.
Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft, die in der WM-Endabrechnung Platz vier belegte, darf sich immerhin Weltmeister-Bezwinger nennen. Das 3:1 gegen die Nordamerikaner im dritten Gruppenspiel war eines ihrer Highlights des WM-Turniers 2021, das sie allerdings nicht mit dem angepeilten Wunder eines Medaillengewinns krönte.
Nach dem Halbfinale gegen Finnland, das die Auswahl am Freitag trotz bester Torchancen mit 1:2 verlor, war die Luft raus, die deutschen Spieler waren am Ende sichtlich deprimiert und erschöpft. Im kleinen Endspiel um Rang drei gab es am Sonntag deshalb nicht Bronze, sondern eine 1:6-Blamage gegen erstaunlich fidele US-Profis, die sich vom 2:4 am Vortag gegen Kanada nicht hatten herunterziehen lassen und den Gegner gnadenlos abfertigten. In der Rangliste des Weltverbandes IIHF verbesserte sich die DEB-Auswahl trotzdem um zwei Plätze auf Rang fünf. Außerdem wurde der 20-jährige Moritz Seider zum besten Verteidiger des Turniers gewählt.
Erfolg ist fragil
Nicht nur deshalb sind im DEB-Team alle der Meinung, dass der Auftritt in Riga als rundum gelungen zu betrachten sei. „Bis zum Schluss dabei gewesen zu sein, ist überragend“, fand DEB-Präsident Franz Reindl. Bundestrainer Toni Söderholm stellte fest: „Gerade spielerisch haben wir gesehen, wo die Top-Nationen stehen, und haben festgestellt, dass wir gegen diese Teams sehr gut gespielt haben. Aber auch, welchen Willen und welche Leidenschaft wir brauchen, um erfolgreich zu sein.“
In Riga zeigte sich tatsächlich, dass der Erfolg auf fragilem Fundament gebaut ist. Trotz aller Fortschritte der vergangenen Jahre, gekrönt von der olympischen Silbermedaille von 2018, kann die deutsche Mannschaft nur dann ganz oben mitmischen, wenn alle Spieler ihre Leistungs- und Schmerzgrenzen komplett ausreizen. Wie beim Erfolg gegen Kanada oder auch beim dramatischen Penaltysieg gegen die Schweiz im Viertelfinale. Geben die DEB-Profis dagegen nur etwa 80 Prozent wie im Spiel gegen das US-Team, dann sind sie chancenlos.
In Riga waren die Umstände günstig
Und es wird nicht einfacher. In Riga waren die Umstände für die deutsche Mannschaft besonders günstig, da das harte Quarantäne-Regiment die Topstars abschreckte, sodass die Teams leistungsmäßig enger als sonst beieinander lagen. Am nächsten Event, dem olympischen Eishockey-Turnier im Februar 2022 in Peking, werden dagegen die weltbesten Profis aus der NHL, die 2018 in Pyeongchang fehlten, sehr wahrscheinlich in kompletter Stärke teilnehmen. Die Konkurrenz wird viel härter sein.
Zwar kann das DEB-Team dann mit Stürmerstar Leon Draisaitl aus Edmonton planen, Teams wie Kanada, Russland oder Schweden werden jedoch ganze Formationen von Stars aus der weltbesten Eishockey-Liga aufbieten können. Oder anders ausgedrückt: Viel Raum für ein Wunder wird es bei den Olympischen Spielen nicht geben.
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