Einwanderungspolitik in Japan: Tokio will Asylrecht verschärfen
Seit Jahren geht Japans konservative Regierung hart gegen Flüchtlinge vor. Nun will sie Abschiebungen erleichtern. Kritiker sprechen von „Mobbing“.
Die Möglichkeit, immer neue Asylanträge zu stellen, verführe zu Missbrauch, rechtfertigte Justizministerin Yoko Kamikawa die Verschärfung. „Damit versuchen viele Ausländer, ihre Deportation zu verzögern und verlängern dadurch den Arrest in einem Abschiebezentrum.“ Japan kennt nur eine administrative Überprüfung einer Asylentscheidung, aber keine Berufung vor einem unabhängigen Gericht, weshalb Asylbewerber die Möglichkeit nutzen, einen neuen Antrag zu stellen.
Der Widerstand gegen die geplante Reform ist jedoch groß: Zwei Hilfsorganisationen übergaben dem Justizministerium 150.000 Protestunterschriften. Die Essayistin Keiko Kojima warf der Regierung „pures Mobbing“ vor: „Ich bekomme Angst bei der Einsicht, dass dieses Land die Menschenrechte ignoriert und kein sicherer Ort zum Leben ist.“
Laut Rechtsanwalt Shoichi Ibusuki will die Regierung nur die Macht der Einwanderungsbehörde stärken. Ein UN-Sonderberichterstatter sagte, der Gesetzesentwurf entspreche „in mehrfacher Hinsicht nicht den internationalen Standards für die Menschenrechte von Einwanderern“.
Systematische Zermürbung abgelehnter Asylbewerber
Ein Kompromiss sei nur schwer möglich, meint der Völkerrechtler Koki Abe von der Meiji-Gakuin-Universität: „Japan will seine Grenzen schützen, aber die Vereinten Nationen die Menschenrechte.“
Seit Jahren geht die konservative Regierung hart gegen Flüchtlinge vor, um sie abzuschrecken. Nach Meinung konservativer Kreise stört die Zuwanderung von Ausländern Japans angebliche ethnische Homogenität.
Zwar werden neuerdings in etwas größerer Zahl Arbeitskräfte aus dem Ausland gezielt angeworben. Aber sie sollen möglichst ohne Familie kommen und nur auf Zeit bleiben. Im letzten Jahr erhielten nur 47 Menschen Asyl. Die Anerkennungsquote von 1,2 Prozent war 20-mal kleiner als in Deutschland.
Flüchtlinge mit mehrfachen Asylanträgen und Ausländer mit abgelaufenen Visa werden systematisch zermürbt, wenn sie die Deportation verweigern. Sie erhalten keine staatlichen Hilfen, dürfen nicht arbeiten und können sich nicht krankenversichern.
Abschiebehaft schlimmer als reguläres Gefängnis
Als weiteres Druckmittel dient die zum Teil dauerhafte Inhaftierung in einem von fünf Abschiebezentren. Dort sind aktuell 1.300 Ausländer eingesperrt, mehr als die Hälfte davon länger als sechs Monate, einige sogar über fünf Jahre.
Ihre Lebensumstände sind weit schlechter als in einem regulären Gefängnis – kein Freigang, keine Beschäftigungsmöglichkeit, beschränkte Besuche, schlechte medizinische Versorgung, willkürliche Freilassungen und Neuinhaftierungen.
Auf diese Weise will Japan Deportationen erzwingen. Die grausamen Zustände haben bereits 18 Menschenleben gefordert. Einige Insassen töteten sich aus Verzweiflung selbst, andere kamen infolge eines Hungerstreiks oder schlechter Behandlung ums Leben.
Zuletzt starb Wishma Sandamali aus Sri Lanka am 6. März. Die 33-Jährige hatte ihren Partner wegen häuslicher Gewalt bei der Polizei angezeigt. Weil dabei herauskam, dass ihr Studentenvisum abgelaufen war, landete sie im vergangenen August in Nagoya in Abschiebehaft. Durch den Stress erkrankte Sandamali offenbar an Magenbluten und verlor 20 Kilogramm Gewicht. Selbst als sie Blut spuckte und Arme und Beine nicht mehr bewegen konnte, wollte das Zentrum sie nicht über einen Tropf ernähren. Diese Tatsachen unterschlug die Einwanderungsbehörde im April in einem Bericht an das Parlament.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen