piwik no script img

Eintauchen bei den Jesus FreaksSex zwischen Engeln und Menschen

Die Jesus Freaks sind wenige, aber jede Gruppe hat eine eigene Website. Die wirklich interessanten Diskussionen jedoch findet man nur auf Abwegen.

Zentrales Dilemma, auch bei den Jesus Freaks: Wie hältst Du's mit der Sexualität? Bild: Maria Kokina

Holy shit! Die sind ja überall, diese Jesus Freaks. Da scheint jedes Kaff mit mehr als zwölf Einwohnern eine eigene Dependance zu haben, und alle haben sie eine Präsenz im Netz! Gießen, Wedel, Herrenberg! Überall, überall! Und das bei nur 5.000 Mitgliedern!

Die Jesusfreaks sind eine freikirchliche Bewegung, die 1991 in Hamburg begründet wurde, ganz modern mit Graswurzel und allem. Es ging und geht damals um die Vercoolirisierung des Glaubens, also zu zeigen, das Christ- und Jungsein nicht im Gegensatz zueinanderstehen müssen. Motto: Jesus ist nicht nur für Leute, die's mit dem Kreuz haben.

Und: Glaube geht über Sinnlichkeit und Gemeinschaftsgefühl.

Dafür hat sich die Bewegung bei allen verfügbaren Jugendkulturen bedient, was sich in den unterschiedlichen Aufmachungen der Seiten niederschlägt – vom Stencilesken in Dortmund über die neue süßliche Gemütlichkeit Münchens bis hin zum verträumt-verspielten Stil Stuttgarts (mit Sternchen!) findet sich da alles.

Und die Seiten sind – mit wenigen Ausnahmen – erstaunlich gut gelungen. Intelligent designt sozusagen, wer Peinlichkeiten bis hin zu schlechten Powerpoint-Videos erwartet hat, kommt nur selten auf seine Kosten. Tatsächlich gibt es sogar recht ansprechend gemachte Clips, jedenfalls so lange man den Ton ausschaltet.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Wenn man den Ton anmacht, zerstören sich einige erste Eindrücke. Zum Beispiel der, dass die Jesus Freaks ein internetpatenter Haufen sind, wie sich das für eine Jugendbewegung gehört. Aber von wegen: Die Leitung der Jesus Freaks scheint der eigenen Klientel da nicht sehr viel zuzutrauen. Stattdessen erklären sie per Video in aller Breite, wie man den Newsletter abonniert, was man auf der Webseite der Jesus Freaks findet und dass man ruhig auch mal eine E-mail schreiben kann. 49 Views, keine Pointe.

Eine Cola für David

Eines der großen Projekte der Jesusfreaks ist die Volxbibel – die altehrwürdige heilige Schrift soll in modernes Deutsch übertragen werden. Nun geht die Verjugendlichung alter tradierter Stoffe selten ohne Peinlichkeit vonstatten, und so klingt „modernes Deutsch“ eher wie etwas, das Bastian Sick darunter verstehen könnte. Zum Beispiel 1. Chronik 11.17: „Irgendwie hatte David gerade Bock auf eine Cola und sagte deswegen mehr aus Spaß zu den Männern: 'Ich hab voll Durst! Wer bringt mir eine Cola aus dem Automaten, der in Bethlehem-City steht?'“ Voll krass, der David!

Aber ansonsten findet man kaum Inhalte online. Seltsam genug für eine Graswurzelbewegung in Zeiten des Internets, obendrein, weil es vor einigen Jahren noch ein sehr aktives Forum gab. Inzwischen ist das eine Kirche, bei der jeder predigen darf, die aber online so gut wie ohne Inhalte auskommt.

Es ist eine Schande, dass das Forum abgeschaltet wurde, denn es war eine reichhaltige Materialsammlung für die vielen Antworten, die die Jesus Freaks auf die Gretchenfrage aller Religionsgemeinschaften in modernen säkularen Gesellschaften gaben, nämlich: Wie hältst Du's mit der Sexualität?

Dass die Jesus Freaks da eigene Ansichten entwickelt haben, dafür gibt es immerhin Indizien. Martin Dreyer, Gründer der Jesus Freaks, teasert seine weitere Arbeit an der Volxbibel mit Sexszenen zwischen Engeln und Menschenfrauen an. So viel Freizügigkeit passt nicht jedem. Das „Wort Gottes Radio“ beispielsweise zeigt sich entsetzt von den Freizügigkeiten der Diskussionen, „die selbst die schon als jugendgefährdend eingestufte Zeitschrift 'Bravo' in den Schatten stellen“ und den „unzüchtigen Anspielungen auf Jesus Christus, die in der Geschichte des Christentums ihresgleichen suchen.“ Das wäre doch der Lektüre wert gewesen!

Willkommen im 21. Jahrhundert

Genauso wie man gern gelesen hätte, dass immerhin eine Kontroverse über die Haltung gegenüber Homosexuellen stattfindet. Man muss inzwischen ein wenig tiefer graben, um dann bei lose assoziierten Bloggern fündig zu werden. Beispielsweise bei Jesus Punk, die anlässlich des Todes von Dirk Bach ihrer Enttäuschung über die Scheinheiligkeit einiger ihrer Leser freien Lauf lässt, später einen schwulen Christen interviewt und sich offen gegen eine wortwörtliche Auslegung der Bibel stellt, weil diese Praxis einige schwerwiegende Fragen aufwirft, zum Beispiel: „Ich würde gerne meine Tochter in die Sklaverei verkaufen, wie es in Exodus 21:7 erlaubt wird. Was wäre Ihrer Meinung nach heutzutage ein angemessener Preis für sie? “

Die Diskussion in den Kommentaren zeichnet eine gewisse Kindlichkeit aus; es geht viel um Liebe und Verständnis, Emotionen werden möglichst direkt geäußert („Das macht mich sehr traurig!!!!“), es wird viel gesegnet. Was christliche Diskussionen überhaupt auszuzeichnen scheint, ist eine Argumentationslinie, die „geistige Verengung“ heißen könnte: „Jeder wie er mag“-Gemeinplatz, einschränkendes Bibelzitat, „hm, ich weiß auch nicht genau“-Schlusspointe.

Inkonsistenz als Haltung, daraus muss zwangsläufig Humor entstehen. Wie bei diesem Kommentar, der seine christliche Homophobie mit dem Tupac-Zitat „Only God can judge me“ einleitet und nach einigen unklaren Verstrickungen, dass Homosexuelle im Grunde wie Mörder sind, zum Beispiel, zu der Erkenntnis kommt: „Wir leben im 21 Jahrhundert, wow schön, bin ganz begeistert “

Wer nicht?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • Es ist immer wieder erheiternd anzusehen, wie die Religionen verzweifelt versuchen, ihre antiken Märchengeschichten an die Neuzeit moderne Menschenrechte, Ethik und Moral, sprich humanistische Werte, anzupassen.

     

    Nach dem Motto: "Was nicht passt, wird passend gemacht." werden grausame Bibelstellen bewusst entschärft, (zum Beispiel wird die Anzahl derjenigen die vom "Herrn" getötet wurden immer weiter minimiert), einfach ganz ignoriert oder so uminterpretiert, dass einem von den Verdrehungen ganz schwindelig wird.

     

    Die Stellen, die mühevoll mit humanistischen Werten vereinbar sind, werden dann ganz stolz hoch gehalten und als Nabel der Welt gepriesen.

     

    Das Christentum ist eine abgetakelte alte Fregatte, die man versucht, mit viel Schminke und Spachtel und optischen Tricks, wie ein modernes Kreuzfahrtschiff aussehen zu lassen. Und behauptet, man hätte das Radar erfunden, weil man einen Ausguck im Mast sitzen hat.

  • HB
    Heinz Bonko

    So flach wie die Inhalte bei den Jesus Freaks ist auch dieser Artikel. Recherche macht man über das Internet...zackzack..hier noch ein Link, da noch ein Zitat aus einem Kommentar bei irgendeinem Blog: Fertig ist der TAZ Artikel. Ich hoffe ihr bringt euren Praktikanten im Laufe der Zeit noch mal etwas Journalismus bei. So als Ausgleich für den geringen Lohn ;-)

    • @Heinz Bonko:

      Ich muss Sie enttäuschen, ich bin kein Praktikant. Aber bringen Sie mir nichtsdestotrotz gerne etwas über Journalismus bei!

  • Ach wie schön einfach es doch ist sich an charismatisch angehauchten, christlichen Splittergruppen abzureagieren. Und im Anschluss wird das Christentum dann einfach mit der jeweiligen charismatischen Gruppe gleich gesetzt. Da kann man dann einfach mal Sachen wie:"Was christliche Diskussionen überhaupt auszuzeichnen scheint, ist eine Argumentationslinie, die „geistige Verengung“ heißen könnte.." sagen und sich allgemeiner Zustimmung gewiss sein, ohne sich ernsthaft mit Theologen auseinandersetzen zu müssen, die ja eventuell dagegen halten könnten.

     

     

     

    In bester Dawkinscher Manier werden ernsthafte Wissenschaftler des Bereichs der Theologie einfach ausgeblendet und eine Beschäftigung mit denselben verweigert. Warum auch? Gibt ja auch christliche Deppen, lasst uns doch einfach die fertig machen.

    • @en3my:

      "Wissenschaftler des Bereichs Theologie"."

       

      Das ist doch lächerlich. Theologie hat nicht das Geringste mit Wissenschaft zu tun. Genau so gut könnte man Gnomologie, oder Feenkunde als Wissenschaft bezeichnen.

       

      Eins haben Theologen aber wirklich drauf: Rhetorik.

       

      Ist aber ja auch kein Wunder. Wird staatlich gefördert. Und was anderes, als Rhetorik bleibt einem ja auch nicht übrig, wenn man schon nichts >Reales vorweisen kann.

    • M
      maxfragg
      @en3my:

      Okay, Moment? Also weil es Spinner gibt, darf man nicht auf denen Rum hacken?. Nein warte Mal, du meintest, weil es Spinner gibt gegen die jeder Religionswissenschaftler vernünftig wirkt, soll man sich nur mit denen beschäftigen?

       

      Diese Rechnung geht erstens nicht auf, denn die Lauten, extremen sind immer zu erst das Problem und außerdem wird mir nicht klar, warum genau ich dem Christentum deiner Meinung nach etwas abgewinnen soll.

       

      Klar kann man sich ernsthaft mit Religion befassen, so wie man sich mit der Grimms-Märchen befassen kann.

  • MC
    Ömür Cömür von Kölün

    Was erstaunlicherweise bei Euch Germanen immer unter den Teppich gekehrt wird: Dass es bei Euch ebenfalls von Katholiban und Evangeliban wimmelt - ganz zu schweigen von den anderen Sektierern wie Freikirchen und Zeugen.

     

     

     

    Ich selbst habe täglich mit einer Katholiban zu tun, die einen unfassbaren hass auf Protestanten ausgiftet, der sogar noch den auf Muslime übertrifft.

     

     

     

    Der nächste (Bürger)Krieg wird garantiert von solchen Extremisten ausgehen, und Ihr Ignoranten werdet davon völlig überrascht werden, weil Ihr überall nur den bösen Muslim seht.

     

     

     

    Gnade uns Göttin!

  • A
    Auch

    Ich finde es wirklich schade, dass über solch engagierte Jugendliche immer mit so einem etwas verächtlichen Ton geschrieben/-sprochen wird. In unserer Zeit gibt es leider nicht mehr viele, die den Mut aufbringen sich zu etwas zu bekennen. Der Pseudo-Zeitgeist-Individualismus kann nicht alles sein. Nur Jesus akzeptiert uns als das was wir sind.

  • B
    Bastian

    Ich frage mich ob der Autor jemals einen Gottesdienst der Jesus Freaks besucht hat? Ich finde es reichlich vermessen sich alleine über Webseiten und youtube-Videos ein Urteil über eine Glaubensbewegung bilden zu wollen, deren große Stärke eben nicht vorgefertigte Galubens-Dogmen sind, sondern die lebendigen und persönlichen Gottesbeziehungen welche sie fördert.

  • T
    Toby

    Lieber Verfasser dieses Artikels

    bevor sie diesen Mist veröffentlichten hätten es Ihnen gut sich erst mal mit den von Ihnen in den Dreck gezogenen Leuten näher beschäftigen sollen.

    Ihre gehaltlosen Argumente, die ohne jeglichen glaubhaften Inhalt aufgestellt wurden, beweisen nur wie manche Leute sich einfach über Christen den Mund fusslig reden ohne nur den leisesten Schimmer zu haben was WIRKLICH abgeht

    Mein Tipp für Sie: besuchen sie doch mal einen Gottesdienst der Freaks und überzeugen sie sich mal von der Realität

     

    Falls Ihnen das alles am Allerwertesten vorbei geht kann ich nur beten und hoffen Sie finden irgendwann den Weg zu Jesus

    Jesus liebt Sie trotzdem !!!

     

    Bis Dahin

    Toby

  • K
    Kai

    Also mal ehrlich: Das ist er größte Bullshit den ich je gelesen habe. Ich bin jetzt 19 Jahre jung, eigentlich nicht mehr so gläubig - und habe dennoch sowohl die Jesus Freaks und auch der Blog von der Frau Punk miterlebt und für gut empfunden. Ich finde sehr vieles komplett aus dem Zusammenhang gerissen, beispielsweise hierfür der Teil bzw die Frage

  • E
    Enam

    You have read it , you cant make it unread....

    (verdammt)

  • N
    nr

    Ein kleiner Einwand zum Artikel: Nicht alle Kommentatoren in Frau Jesus Punks Blog stehen zwangsläufig in irgendeiner Weise den Jesus Freaks nahe, es dürfte sogar eher nur eine Minderheit davon sein. Soweit ich selbst solche erwiesenermassen

  • C
    Cordula

    Voll der schöne Artikel. Ganz, ganz lieben Dank!!!