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Einsatzkonzept bei der LoveparadePolizei verbittet sich schwere Vorwürfe

Loveparade-Veranstalter Rainer Schaller sagt: Die Einsatzleitung hat die Raver ungebremst in den Tunnel gelassen. Die Polizei weist Vorwürfe als "unseriös" zurück.

Schuldvorwürfe: Wieso wurden die Schleusen geöffnet? Bild: dpa

Nach der Loveparade-Katastrophe mit 20 Toten und mehr als 500 Verletzten erhebt Organisator Rainer Schaller schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Die Einsatzleitung habe die angereisten Raver ungebremst in den Tunnel strömen lassen, der zur Todesfalle wurde, sagt der Unternehmer, der die Loveparade als Dauerwerbung für seine Billigfitness-Kette "McFit" nutzte. Vorhandene Besucherschleusen seien nicht genutzt worden, glaubt Schaller. Dafür gebe es mehrere Zeugen.

"Für den Fall der Überfüllung sollten die Schleusen geschlossen werden", beruft sich Schaller auf das Sicherheitskonzept, das seine Firma Lopavent GmbH mit der Stadt Duisburg ausgearbeitet hatte. Drei Stunden vor dem Desaster seien bereits 10 der 16 Schleusen geschlossen gewesen. Um 14 Uhr hätten Beamte dann aber den westlichen Eingang des Tunnels unkontrolliert geöffnet, klagt Schaller: "Warum? Ich weiß es nicht." Allerdings scheint der Unternehmer ein Interesse zu haben, die Schuldfrage von seiner Firma abzuwälzen: Wie die FTD berichtet, hat Schaller die gesamte Loveparade bei der Axa-Versicherung nur für 7,5 Millionen Euro versichert – das entspricht der Deckungssumme einer Autohaftpflicht.

Die Kölner Polizei, die anstelle ihrer Duisburger Kollegen das Desaster untersucht, um Vorwürfen der Vertuschung zu entgehen, wies die Vorwürfe als "unseriös" zurück. "Wir fänden es gut, wenn sich Herr Schaller nicht in Spekulationen ergehen würde", sagte eine Polizeisprecherin. Die Suche nach dem Auslöser der Katastrophe dauere an.

Tatsächlich scheinen die Beamten vor Ort dem Besucheransturm hilflos gegenübergestanden zu haben. "Wir mussten vom Bahnhof auf die Mercatorstraße und dann auf die Düsseldorfer Straße, auf der waren zwei Straßensperren, die erste wurde eingerissen, weil einige Leute ,Die Mauer muss weg' gerufen haben, die ca. 30 Beamten könnten gar nix machen, da gab es schon die ersten Anzeichen von Panik", schreibt etwa ein User des Internetportals einslive.de. Auch Filmaufnahmen von Spiegel-TV zeigen die Überforderung der Polizisten vor der Katastrophe. Die zum WDR gehörende Jugendwelle hatte schon Wochen vor der Loveparade begonnen, massiv für das Technospektakel zu trommeln. Jetzt füllen fast 7.000 Einträge das Gästebuch des Senders: "Zu uns wurde über den Lautsprecherwagen der Polizei gesagt, dass wir viel zu viele Leute wären und die Kontrolleure beim Eingang völlig überfordert waren!!!!!!", schreiben etwa die User "Stefan&Tanja". "Einfach überrannt" worden seien die Polizeisperren vor dem Tunnel, sagte auch ein Augenzeuge.

Unklar bleibt, wie viele Beamte zum Zeitpunkt des Unglücks überhaupt vor Ort waren. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) nennt inzwischen immer wieder die Zahl von 4.100 Polizisten. Bis zu dem Unglück hatte er aber noch andere Zahlen genannt: "Mehr als 2.000 Polizistinnen und Polizisten, rund 2.000 Sanitäter und Ärzte und über 300 Feuerwehrleute sind am morgigen Samstag für die Loveparade in Duisburg im Einsatz", teilte Jäger einen Tag vor dem Megaevent mit. Dazu seien landesweit im Rahmen der überörtlichen Hilfe rund 1.000 Behandlungs- und Betreuungskräfte und 500 Feuerwehrleute in Bereitschaft. "Damit sind wir in der Lage, schnell zu helfen und den bestmöglichen Schutz für die Menschen zu gewährleisten", glaubte Jäger. Er irrte.

Zum Einsatzkonzept der Polizei lehnen Behörden jegliche Auskünfte ab. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Bernhard Englisch, sagte: "Zurzeit werden zum Schutz der Ermittlungen im Hinblick auf die denkbare Bandbreite der Ermittlungen keine Angaben gemacht." Dies beträfe auch einfache Sachfragen.

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13 Kommentare

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  • A
    andy

    also es hat jemand ein trauer music geschrieben und es sich von den text sich anhören sollten kopiert diesen link und hört es euch an http://www.youtube.com/watch?v=0FymGr63QZs

     

    achso ich sage auch für alle angehörigen ein herzlichles beileid

  • T
    Tom

    Dass Veranstalter und Stadtverwaltung nun versuchen der Polizei die Schuld zu geben ist genauso zynisch wie Herr Professor Schreckenberg, fuer den die Teilnehmer nicht genuegend den Gesetzen der Physik gehorcht haben.

     

    Da gibt es ein Gelaende, das nur fuer 250.000 Menschen zugelassen ist. Der Veranstalter prahlt lauthals mit mehr als einer Millionen Teilnehmern. Und die Polizei darf das interessante Problem loesen, was mit den ueber 700.000 Menschen passieren soll, die von weit her gereist vor Absprerrungen stehen, und nicht auf das Gelaende kommen, und (nicht ganz ueberraschend) sich zunehmend verarscht vorkommen und aggressiv werden.

     

    Und am Ende war dann die Polizei schuld weil sie nicht in der Lage war die Quadratur des Kreises zu loesen. Die Absperrungen im Zugangsgebiet wurden ueberrannt und haette die Polizei dies mit Gewalt versucht zu verhindern, dann waere sie dafuer von der Oeffentlichkeit geluencht worden.

     

    Und wer dann fragt, warum die Beamten nicht im Vorfeld Einwaende geaussert haben, der moege bitte die Frage beantworten: An wen?

     

    An wen, wenn selbst der Polizeidirektor, der es wagte sich kritisch zu aeussern, auf politischen Druck durch die Landesregierung in den Vorruhestand geschickt wird. An wen sollen sie sich dann wenden? An den Herrn Bundespraesidenten oder an den UNO Generalsekretaer?

     

    Die Schuld trifft hier die uebergeschnappten Veranstalter und den Politkluengel.

  • G
    godzilla

    na klar wie " der Schreiner war´s " jetzt die Polizei war´s.

     

    Bitte erst seriöse Zeugenaussagen, Film/Videodokumente abwarten,

    damit man zu einer konkreten Schuldaussage kommen kann.

     

    Alles andere wäre voreilig, und hilft auch nicht den Angehörigen der Opfer.

  • U
    Urgestein

    Halten wir mal fest:

     

    Die Stadtbehörden beschuldigen den Veranstalter in einem eilig angefertigten Gutachten, wesentliche Absprachen im Bereich Sicherheit aus Kostengründen nicht eingehalten bzw. umgesetzt zu haben. Der Veranstalter beschuldigt die Polizei, aus Kostengründen unterbesetzt gewesen zu sein und entgegen den Vorgaben des Sicherheitskonzeptes gehandelt zu haben und die Polizei beschuldigt die Behörden, eine aufgrund des mangelhaften Sicherheitskonzeptes "im Prinzip nicht genehmigungsfähige Veranstaltung" aus Prestigegründen durchgedrückt zu haben.

     

    Ein bisschen Recht wird da wohl jeder haben...

  • S
    Stefan

    Es ist schon sehr traurig das, das alles überhaupt passieren musste.

    Es kann aber nicht sein das inkompetente Theoretiker bei einer Pressekonferenz da dumm rumsitzen und nicht mal in der Lage sind Ihre Beileidsbekundungen frei zusprechen, sondern diese nur trocken von einem Blatt Papier ablesen, daran sieht man doch wie gewissen und gefühlslos diese Experten sind.

    Es ist einfach nur beschämend.

     

    In diesen schweren Stunden

    besteht unser Trost oft nur darin,

    liebevoll zu schweigen und

    schweigend mitzuleiden.

  • M
    Markus

    Es scheint mir, dass für euch Linke nur die Polizei schuld sein darf!!

  • H
    HansJ

    Es ist doch wirklich so wie soll die Pilizei solche Massen beherrschen oder zurückhalten

     

    Und wenn ich dann lese die Polize ist Schuld weil sie die Tore geöffnet hat hallo das war um 14 Uhr das Unglück ist "erst" 3,5 Stunden ca später passiert

     

    Hätte es unmittelbar damit zusammengehangen dann wäre es innerhalb 30 Minuten passiert

     

    Und Fakt ist die Polizei konnte die Menschenmassen ja nicht wegreden oder wegbeamen was sollten sie denn machen...sie waren hilflos und wurden regelrecht überrolt von dem Strom

  • WL
    W. Lorenzen-Pranger

    >>Polizei verbittet sich schwere Vorwürfe

  • S
    Simon

    Was soll die ganze Zeit dieser Scheiß mit Informationsverweigerung wegen angeblichem "Schutz der Ermittlungen"??

  • V
    Verdict

    "Die zum WDR gehörende Jugendwelle (EinsLive, Anm.d. V.) hatte schon Wochen vor der Loveparade begonnen, massiv für das Technospektakel zu trommeln."

     

    Auch wenn es unappetitlich ist, das klingt ein bißchen nach "Jugendlicher verursacht schuldhaft Flashmob auf Sylt" oder "Elternhaus überrannt und zerstört nachdem 15Jährige Geburtstagsparty twittert".

     

    Der WDR und die Ruhr2010 vereinnahmen die Loveparade für sich und verursachen einen riesen 1,4 Millionen-Personen-Flashmob in Duisburg, während in Duisburg ein 250.000-Personen-Stadtfest geplant wird?

     

    Wenn die Loveparade als genehmigte Demonstration mit dem ursprünglichen Motto wieder eingeführt wird, dann wohl besser - wie im Forum von EinsLive diskutiert - wieder in im Berlin oder EurovisonSongContest-like dezentral an vielen Orten gleichzeitig.

  • V
    Verdict

    "Die zum WDR gehörende Jugendwelle (EinsLive, Anm.d. V.) hatte schon Wochen vor der Loveparade begonnen, massiv für das Technospektakel zu trommeln."

     

    Auch wenn es unappetitlich ist, das klingt ein bißchen nach "Jugendlicher verursacht schuldhaft Flashmob auf Sylt" oder "Elternhaus überrannt und zerstört nachdem 15Jährige Geburtstagsparty twittert".

     

    Der WDR und die Ruhr2010 vereinnahmen die Loveparade für sich und verursachen einen riesen 1,4 Millionen-Personen-Flashmob in Duisburg, während in Duisburg ein 250.000-Personen-Stadtfest geplant wird?

     

    Wenn die Loveparade als genehmigte Demonstration mit dem ursprünglichen Motto wieder eingeführt wird, dann wohl besser - wie im Forum von EinsLive diskutiert - wieder in im Berlin oder EurovisonSongContest-like dezentral an vielen Orten gleichzeitig.

  • D
    Diva

    Teure Untersuchungen kann man sich hier sparen.

     

    Der Grund für die vielen Toten ist einzig und alleine die Treppe die nie und nimmer hätte da sein dürfen.

    Die hätte man vorher sprengen müssen ,da haben alle Beteiligten entsetzlich versagt.

     

    Das Drama begann als die ersten Kollabierten über die Treppe rausgezogen wurden und nach oben weitergereicht wurden.

    So war für jeden Eingequätschten sehr gut sichtbar das der Weg in die Freiheit nur über die Treppe führte.

    Für die Nachrückende berauschte Masse war die Treppe dann der Weg zur Loveparade und so wurde von hinten nachgedrückt,und für alle Menschen die links an der Wand standen die Treppe zur Todesfalle !

     

    Besonders tragisch ist hier das die Helfer an der Treppe die eigentlichen Helden der Aktion ,indirekt die Katastrophe ausgelöst haben.

  • P
    Polizistenfreund

    Naja die Polizei, das eingeschworene Trüppchen verprügelt lieber Fahrradfahrer und Atomgegner und ist viel zu beschäftigt dies zu vertuschen als bei einer solchen Veranstaltung vernünftig organisiert zu sein. Kennzeichenungspflicht für alle sog. Freunde und Helfer auch für die die Blockade nicht aufgemacht haben als die Menschen um Hilfe gerufen haben.