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Einsatz gegen S21-ProtestAnklage gegen Polizisten

Der massive Wasserwerfereinsatz am Stuttgarter Bahnhof hat nach zweieinhalb Jahren ein juristisches Nachspiel. Die Staatsanwaltschaft klagt zwei Beamte an.

Stuttgarter Schlossgarten im September 2010. Bild: dpa

STUTTGART afp | Zweieinhalb Jahre nach dem massiven Einsatz von Wasserwerfern gegen Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen zwei Polizisten erhoben.

Die 40 und 47 Jahre alten Beschuldigten sollen sich wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt verantworten, wie die Strafverfolgungsbehörde am Mittwoch in Stuttgart mitteilte. Durch den Wasserwerfer-Einsatz während einer Demonstration gegen das Bahnprojekt am 30. September 2010 waren mindestens neun Menschen schwer verletzt worden.

Laut Staatsanwaltschaft sollen die beiden Beschuldigten als polizeiliche Einsatzabschnittsleiter während der Proteste in Stuttgarts Mittlerem Schlossgarten ihre Sorgfaltspflicht verletzt haben. Sie hätten nicht eingriffen, als die Besatzungen der Wasserwerfer wiederholt den Wasserstrahl auf Demonstranten gerichtet hätten. Dadurch hatten die betroffenen Stuttgart-21-Kritiker Verletzung am Kopf erlitten.

Den Ermittlungen zufolge war der Einsatz der Wasserwerfer durch die polizeiliche Führungsspitze nur mit der ausdrücklichen Maßgabe zugelassen worden, lediglich Wasserregen zu versprühen. Allerdings zeigte sich der überwiegende Teil der Demonstranten von dem Wasserregen demnach wenig beeindruckt.

Nachdem weitere Demonstranten auf das Gelände strömten, seien die Besatzungen der Wasserwerfer „von Wasserregen auf Wassersperren, Wasserstöße und langanhaltende Wasserstrahle in Richtung der Demonstranten“ übergegangen, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Bei dem Gebrauch von Wasserwerfern und besonders bei der Abgabe von Wasserstößen sei aber darauf zu achten, dass nicht die Köpfe von Demonstranten getroffen werden, unterstrichen die Strafverfolger. Durch die entsprechenden Einsatzregeln sollten vor allem schwere Gesichts- und Augenverletzungen vermieden werden.

Gegen vier weitere der insgesamt zwölf Beschuldigten in dem Ermittlungsverfahren um den Polizeieinsatz beantragte die Staatsanwaltschaft den Erlass von Strafbefehlen. Das Verfahren gegen die restlichen sechs stellte die Behörde mit unterschiedlichen Begründungen ein.

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12 Kommentare

 / 
  • WS
    Wolfgang Schneider

    Ihr Lieben,

    ich habe bereits vor einiger Zeit der Stuttgarter

    Staatsanwaltschaft wissenschaftliche Materialien

    zu Studienzwecken zugesandt.

     

    Bereits 1987 hat in einem polizeilichen Gutachten

    gestanden, daß auf mittleren Entfernungen nur mit

    einer Kraftwirkung von 300 Newton gestrahlt werden

    soll. Das ist ein Pumpendruck von ca. 6,5 Bar.

     

    Gruß ! Wolfgang Schneider ( 0531 - 37 58 47 )

  • D
    dabeigewesener

    Gregor ich kann elkadi nur Recht geben. Es war nicht vereinzelt. Die Eskalation war mit Hilfe der schwarzen BFE Schläger aus anderen Bundesländern und dem WaWe GEPLANT und GEWOLLT. Mappus Rede mit dem Fehdehandschuh war ja nicht als Witz gedacht. Allerdings ging die Kalkulation, die Gewalt den Demonstranten in die Schuhe zu schieben, nicht auf. Obwohl die Politiker und die Polizei mit geschwärzten Uhrzeiten in den Videos sich alle erdenkliche Mühe gaben. Es waren nicht alle Polizisten gewalttätig, aber doch eine erschreckende Anzahl. Schlagstock, Fusstritte und Pfefferspray gegen Menschen die nur passiv dasassen oder sich in dem Polizeikessel nicht bewegen konnten. Als einer der bisher zum klassischen CDU Stammwählerklientel gehörte, war ich total schockiert wie meine Partei die Polizei zu einem solchen Einsatz missbraucht hat. Und die Polizei hat leider WILLIG mitgemacht.

  • E
    elkadi

    Das waren keine vereinzelten Schwarzen Schafe, das war eine ganze Stampede von gedungenen nachtschwarzen BFEs aus anderen Bundesländern. @gregor: Nein, es geht nicht kleiner, es ist eher noch größer... Warum wurden Stuttgarter Polizisten in Randgebiete von Stuttgart geschickt und wussten nix? (Ich habe mit vielen gesprochen) Weil sie nicht auf die Bevölkerung eingeprügelt hätten, da sie nämlich Verwandte und Freunde dort getroffen hätten. Ich war dabei und ich hab´s gesehen. Und warum arbeitet die Stuttgarter Staatsanwaltschaft so einseitig bei "Ermittlungen" wie die Justiz in der dunkelsten Zeit der Deutschen Geschichte?

  • S
    setra

    Von den beamtlichen Wasserwerfer- und Prügelfestspielen gibt es eine Kameraaufnahme, auf der ein grünpulloviger Beamte, ich sollte eigentlich Schimpanse schreiben, mit eingezogenem Stiernacken und mit aus dem Mund schlabbernder Zunge zu sehen ist, der im Wasserwerfer sitzend eifrig hechelnd auf Bürger zielt.

    Filmgold (-:.

    Linkquelle müsst ihr suchen.Lohnt sich.

  • G
    gregor

    Schlimmm was da passiert ist, aber es war ein Unfall. Keiner der Polizisten wollte wohl ernsthaft jemanden so schwer verletzen. Wenn ich hier einige Kommentare lese, frage ich mich ernsthaft woher der Hass auf die Polizei kommt. Sind das alles linke Randalierer oder Fußballhooligans? Der Staat als Feind? Polizisten als Schergen des Kapitals?

    Geht es auch eine Nummer kleiner? Ich habe bisher ausschließlich gute Erfahrungen mit der Polizei gehabt. Ich bin auf unbestechliche, kompentente, engagierte Beamte getroffen, die sogar Humor hatten. Allerdings habe ich auch kein ACAB-Shirt getragen und bei Demonstrationen keine Steine geworfen.

    Schwarze Schafe gibt es in jeder Gruppe, aber die pauschale Abwertung der Polizei und Staatsferne finde ich sehr irritierend. Es mag abgedroschen klingen, aber wir leben in keinem perfekten Staat, aber in dem besten Staat den ich kenne.

  • R
    reblek

    "Sie hätten nicht eingriffen..." - Bei afp war nicht Zeit für "eingegriffen".

    "Dadurch hatten die betroffenen Stuttgart-21-Kritiker Verletzung am Kopf erlitten." - Und für "Verletzungen" ebenfalls.

    "Allerdings zeigte sich der überwiegende Teil der Demonstranten von dem Wasserregen demnach wenig beeindruckt." - "demnach"? Worauf soll sich das beziehen?

    "... dass nicht die Köpfe von Demonstranten getroffen werden..." - Demonstranten haben "Köpfe" und nicht etwa einen Kopf?

    "Gegen vier weitere der insgesamt zwölf Beschuldigten ... beantragte die Staatsanwaltschaft den Erlass von Strafbefehlen." - Eher wohl einen Strafbefehl, und was vier Mal.

  • H
    hawkeye

    was die polizei sich da geleistet hat war schwerer landesfriedensbruch in uniform...

    widerstand gegen solche polizei ist völlig gerechtfertigt.was also wäre gewesen wenn die leute sich tatkräftig gegen derartige mistkoppe in der polizei gewehrt hätten?dann hätte es geheißen ,wie ja auch jetzt ,wäre alles von den demonstranten provoziert gewesen.

    manche polozisten sind eben echte drecksäcke und es ist nicht immer ratsam sie zur hilfe zu rufen..

    einstweilige erschießungen im amt werden nicht seltener...die sind ja nicht mal in der lage die leute nur zu verletzen...oder normal festzunehmen.

    alkoholisierte angreifer kann man ja auch lebend

    ding fest machen.

    und der pfefferspray einsatz,selbst darf man sich damit nicht wehren wenn man um seine gesundheit oder mehr bangt,aber doof brutalobullen haben da ein

    skrupeloseres gewaltverhältnis.

    sowas gehört entlassen ohne bezüge..!

    aber die quandterben hat man ja auch nicht enterbt bzw.enteignet.und griechische ssopfer wurden nicht enzschädigt.sehr merkwürdige rechtsauffassungen in unserer justiz und auch in der gesetzgebung.

    vertuschen,verschweigen,bagatellisieren und vergessen

    oder die opfer verklagen...

    was das nun hier wieder wird..wieder so eine sache wo die pullizisten nur ihren dienst gemacht haben..??

  • E
    eee

    Immer wenn ich Wasser"werfer" erlebt habe wurden diese stoßweise und auch wiederholt gezielt gegen einzelne oder Kleinstgruppen eingesetzt, und selbstverständlich auch auf Höhe der Köpfe. Ich bezweifle sehr, dass das eine Ausnahme in Stuttgart war, da werden zwei Bauernopfer verklagt um den Schein zu wahren. Der letzte Fall von Blendung durch WaWe vor Stuttgart war ja in Heiligendamm erst ...

  • P
    polis-bewohner

    Bin mal gespannt wie unser Rechtsstaat die Täter mit Mitgliedsausweis "bestraft".

    Wer weiß vielleicht werden die sogar auf eine andere Dienststelle versetzt oder in den nächsten paar Jahren nicht befördert.

    Na, das wird ihnen aber eine Lehre sein^^

  • BG
    Bernd Goldammer

    Eine korrekte und längst überfällige Entscheidung

  • G
    Geistlos

    Die Anklage gegen zwei Polizisten erinnert mich fatal an die beschuldigten Grenzposten an der innerdeutschen Grenze. Die Drahtzieher bzw. Befehlsgeber bleiben verschont. Ab einem bestimmten Dienstrang ermittelt die Staatsanwaltschaft nur bis zur Einstellung des Verfahrens.

  • O
    Origin

    Wie gut, dass wir in einem solchen Staat leben, nicht wahr? Ich meine, dass der Wasserwerfereinsatz verwerflich (hah - funny) war, wurde noch am selben Tag eingeräumt, aber zur Anklage (nicht zur Verurteilung oder wenigstens zum Prozess) kommt es erst nach zweieinhalb Jahren.