Einsatz gegen Feinstaub in Neukölln: Saugerattacke auf den Killerstaub
Eine Aktionsgruppe ruft in Neukölln zum Kampf gegen Feinstaub auf. Besonders Radfahrer leiden im Stadtverkehr unter der Luftverschmutzung.
Die Grenzwerte für Feinstaub wurden an der Messstation in der Neuköllner Karl-Marx-Straße bereits an fünf Tagen in diesem Jahr überschritten – dabei ist der Januar noch nicht mal vorbei. Anlass für die Aktivistengruppe „Cargo Bike Fans Berlin“, Staubsauger und Atemschutzmasken herauszuholen. In weißen Schutzanzügen stehen sie am Sonntagmittag vor dem Rathaus Neukölln, fuchteln mit ihren Staubsaugerrohren in der Luft herum und präsentieren sich als Teil der fiktiven europäischen Einsatztruppe „EU Air Quality Directive Enforcement Mission“, die mit „modernster Filtertechnik“ gegen die Luftverschmutzung vorgehen möchte.
„Gegen Feinstaub kann man sich mit einer normalen Atemschutzmaske nicht schützen“, sagt Mitinitiator Arne Behrensen. „Besonders schlimm sind Stickoxide, die kommen auch tatsächlich aus dem Straßenverkehr und treffen besonders Radfahrer.“ Die Gruppe macht mit der Aktion Werbung für eine Kundgebung, die am kommenden Donnerstag um 9 Uhr vor dem Rathaus Neukölln stattfinden soll. Dann wollen sie zusammen mit dem Netzwerk „Fahrradfreundliches Neukölln“ für saubere Mobilität in der Stadt demonstrieren.
Tempo 30, autofreie Tage, bessere Radwege
Berlin habe die Werte bisher weder mit der Umweltzone senken noch durch die allgemeine Luftverschmutzung erklären können, sagt Behrensen. „Warum das nicht geklappt hat, wissen wir nun nach Dieselgate und dem VW-Skandal.“ Die Aktivisten fordern Tempo 30, autofreie Tage und einen Ausbau der Radwege. Sie setzen sich gegen kostenlose Parkplätze ein – von Parkgebühren könne man neue Radwege bauen. Außerdem werben sie für Lastenräder als Alternative zu Autos.
Mitinitiator Arne Behrensen
Besonders Kinder und alte Menschen leiden unter Feinstaub. Die Partikel, die nur unter dem Mikroskop sichtbar sind, dringen tief in die Lunge ein. Forscher vermuten, dass sie auch in die Blutgefäße gelangen können. Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Chemie führt Schlaganfälle, Herzinfarkte, Atemwegserkrankungen wie Asthma und Lungenkrebs auf die Feinstaubbelastung zurück. Bis zu 34.000 Menschen pro Jahr würden in Deutschland dadurch frühzeitig sterben. Laut EU-Richtlinie dürfen die Grenzwerte höchstens an 35 Tagen im Jahr überschritten werden.
Ein Anwohner der Berliner Allee in Pankow hat unlängst erfolgreich gegen die Gesundheitsbelastung durch Feinstaub geklagt und Tempo 30 auf dem Straßenabschnitt durchgesetzt. In eine ähnliche Richtung geht der Volksentscheid Fahrrad: Bis Mai wollen Aktivisten ein Fahrradgesetz für Berlin erarbeitet haben, mit dem eine deutlich verbesserte Radinfrastruktur, mehr Sicherheit im Verkehr sowie Klimaschutz durchgesetzt werden soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe