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Einmal im Leben

Benjamin Pavard, letztes Jahr noch Zweitliga-Spieler mit Stuttgart, trifft mit der Eleganz eines Kometen für Frankreich. Warum dieser Treffer große Kunst war

Der große Moment, als der Ball von Benjamin Pavard ins Tor zum 2:2 für Frankreich einschlägt Foto: Kyodo/dpa

Von Frederic Valin

Es gibt Spieler, von denen weiß man erst hinterher, dass man sie vorher hat kommen sehen. Sie werden seltener, diese Entdeckungen, die keiner auf dem Zettel hatte, aber es gibt sie noch. Benjamin Pavard zum Beispiel, den gibt es. Und wie es ihn gibt.

Benjamin Pavard, 22 Jahre alt, war kurze Zeit beim OSC ­Lille unter Vertrag und wechselte dann in die zweite Bundesliga, zum VfB Stuttgart. Mit dem stieg er dann auf, und mit ihm spielte der Club über weite Strecken der Saison knapp an den Abstiegsrängen entlang, um gegen Ende mit einem regelrechten Schub fabulöserweise auf Platz sieben zu landen. Das klingt nach einer soliden Karriere. Es klingt nicht nach dem, was noch kommt.

Es läuft die 57. Minute. Frankreich war bisher das deutlich bessere Team, immer wieder nahm N’Golo Kanté den Argentiniern im Spielaufbau den Ball weg, um dann mit präzisen Pässen die vogelwilde Offensive in Gang zu bringen. Daraus resultierend: ein Freistoß, ein Elfmeter, ein Lattentreffer, ein Tor. Und diverse Situationen, die mehr versprachen.

Und trotzdem führte Argentinien. Zwei Mal nur hatten sie aufs französische Tor geschossen, zwei Mal hatte der Ball einen Weg gefunden. Das Spiel hätte nach dem Führungstor kurz nach der Halbzeit auch kippen können, es gab viele Verdachtsmomente: die französische Mannschaft, jung und unerfahren, hatte in der Vorrunde jede Feurigkeit vermissen lassen. Insbesondere das Spiel gegen Dänemark, mit der schlechteste, grausamste Kick dieser Weltmeisterschaft, ließ befürchten, dass diese Mannschaft, in der so viel Tempo, so viel Dynamik steckt, im entscheidenden Moment den Knopf nicht findet. Didier Deschamps, der Trainer, war harsch kritisiert worden, weil er so viel durchrotiert hatte, Mbappé auf der Bank ließ, Pogba auch, Matuidi; hatte dieser Wechselreigen vielleicht doch die Abläufe gestört?

Wen Deschamps auch auf der Bank ließ, und wohl der Einzige, auf den zu verzichten keine Diskussion befeuerte: Benjamin Pavard.

Es läuft die 57. Minute. Lucas Hernandez sprintet die linke Seitenlinie entlang, um in vollem Lauf eine Flanke über den grätschenden Gabriel Mercado hinweg in die Mitte zu schlagen. Die Flanke ist hervorragend, scharf und in der richtigen Höhe, mit leichtem Effet, aber ach: der Ball dreht sich einmal unberührt durch den kompletten Strafraum, die Stürmer waren noch nicht in der richtigen Konstellation, man sieht Olivier Giroud bereits an, dass er abdrehen will. Pech, könnte man sagen, weitermachen, da geht doch vielleicht noch was.

Einer, der schon weitergemacht hatte; einer, der schon gegangen war: Benjamin Pavard. Von seinem Platz hinten rechts in der Viererkette war er den kompletten Weg mit nach vorne gekommen, ans Strafraumeck, kein Gegenspieler neben ihm; und nun stand er da, der Ball vor seinem Fuß; er, der in seiner ganzen Zeit in Lille, in Stuttgart zwei Tore gemacht hat, zwei Tore in vier Jahren, zweimal war ihm ein Eckball günstig auf die Locken gefallen.

Er weiß gar nicht, wie das geht, dieses Jubeln. Er rennt einfach los, unkontrolliert, die Arme halb von sich gestreckt, in die Spielmitte, er ruft was, wahrscheinlich,dass es rau klingt und zittrig

Was dann passiert, ist Kunst. Pavard zögert nicht, in einer flüssigen Bewegung dreht er seinen Körper nach links, um einmal das rechte Bein durchzuschwingen; und er trifft den Ball, zwischen Spann und Außenrist, er hat einen leichten Drall, er zieht mit der Eleganz eines Kometen quer durch den Strafraum und schlägt ins lange Eck ein. Sah das schön aus.

Das Ding trifft er im Leben einmal genau so. Man sieht das auch an seinem Jubel: er weiß gar nicht, wie das geht, dieses Jubeln. Er rennt einfach los, unkontrolliert, die Arme halb von sich gestreckt, in die Spielmitte, irgendwohin, hin und wieder ruft er was, wahrscheinlich, dass es rau klingt und zittrig. Irgendwann kommen die anderen und stürzen auf ihn ein: das hilft. Danach schüttelt er sich kurz; weiter geht’s.

Das Ding macht er in seinem Leben nur ein Mal genau so. Und er macht es in einem Achtelfinale, bei einer Weltmeisterschaft. Es ist die Peripetie: danach wird Mbappé die gegnerische Abwehr älter aussehen lassen, als sie ohnehin schon ist. Es ist mit das schönste Spiel dieser WM geworden, und schuld daran ist einer, den selbst Experten bisher nur beim Nachnamen kannten: Benjamin Pavard.

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