Einladung Joe Bidens an Netanjahu: Israels Protestler bleiben allein
Die israelische Protestbewegung wähnte in Joe Biden einen Verbündeten. Seine Einladung an Benjamin Netanjahu durchkreuzt diese Hoffnungen.
J etzt also doch: US-Präsident Joe Biden lädt Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zum Gespräch. Bislang hatte Biden seit Amtsantritt der von Netanjahu geführten rechtsextremen Regierung genau das verweigert – sehr zur Genugtuung jener, die in Israel seit Monaten auf die Straße gehen, um gegen die geplante Justizreform zu protestieren. Sie wähnten in Biden einen Verbündeten.
Bidens Einladung, nach Angaben des Sprechers John Kirby während eines längeren Telefongesprächs beider Regierungschefs am Montag, kam genau einen Tag vor dem Beginn des Staatsbesuchs von Israels Präsidenten Yitzhak Herzog in Washington.
Die inoffizielle, aber gewünschte Lesart dieses Besuchs: Der Empfang des höchsten Repräsentanten Israels und früheren Netanjahu-Gegenkandidaten Herzog demonstriert Solidarität mit Israel bei gleichzeitiger Kritik an der Netanjahu-Regierung. Letztere sah das auch so, interpretierte den Besuch als von Israels Opposition gesteuert und mahnte die US-Regierung, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Und prompt kommt die Einladung an Netanjahu.
Natürlich ist die Debatte über die Justizreform israelische Innenpolitik und jede Einmischung von außen mindestens problematisch. Die Hunderttausenden jedoch, die in Israel für die Demokratie und gegen Netanjahus Rechtsregierung protestieren, suchen verzweifelt nach echten Druckmitteln: von der Dienstverweigerung der Reservisten, Investitionsboykott der Unternehmer, bis hin zu Streikplänen der Gewerkschaften.
Es geht um die Zukunft des demokratischen Israels – da ist jedes gewaltfreie Mittel recht – und Hilfe von außen willkommen. Von wem sollte die kommen, wenn nicht von jener Regierung, die Israels Militär jedes Jahr mit Milliarden Dollar unterstützt und Israel in sämtlichen UN-Gremien vor jeder Kritik abschirmt?
Bidens Einladung an Netanjahu signalisiert das Gegenteil, nämlich business as usual bei leichtem Unwohlsein. An Bidens Kritik sowohl an der Justizreform als auch an der Siedlungspolitik habe sich nichts geändert, heißt es aus Washington – aber sie soll erkennbar folgenlos bleiben. Das dürfte auf Netanjahu und sein rechtsradikales Kabinett wenig Eindruck machen.
Israels Demokratiebewegung bleibt auf sich allein gestellt und erfährt jeden Tag ihre Ohnmacht. Die Mehrheit hat sie längst: Würde heute gewählt, wäre diese Regierung Geschichte. Wird aber nicht, und so kann Netanjahu Israel weiter von innen zerstören. Die US-Regierung guckt zu und wirft gelegentlich ein, dass sie das gar nicht so gut findet. Das dürfte nicht reichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“