Einigung in Metall-Tarifstreit: Zeichen für Entspanntheit
5,5 Prozent Lohnerhöhung für Millionen Beschäftigte – die Metall-Industrie scheint trotz Konkurrenz und hoher Stromkosten gut damit zurechtzukommen.
S o schlimm kann die Lage nicht sein. Sonst hätten die Verbände der Metallindustrie nicht in den neuen Tarifabschluss mit der IG Metall eingewilligt. Millionen Beschäftigte sollen im Durchschnitt 5,5 Prozent mehr Lohn im Laufe der kommenden zwei Jahre erhalten. Das ist wahrscheinlich mehr als die Inflationsrate.
Dass die Arbeitnehmer:innen auf diese Art kaum einen Kaufkraftverlust erleiden, ist auch makroökonomisch sinnvoll, um die Nachfrage aufrechtzuhalten. Gleichzeitig geben die Unternehmen mit dem Tarifabschluss oberhalb der Inflation einen Teil ihres Produktivitätsgewinns weiter. Nur eine Umverteilungskomponente, eine höhere Beteiligung an der Kapitalrendite, konnte die Gewerkschaft nicht durchsetzen.
Traditionell steht diese als dritter Faktor neben Inflationsausgleich und Produktivitätszuschlag auf der Forderungsliste. Angesichts der Stagnation hat es damit jetzt nicht geklappt. Trotzdem ist ein solcher Abschluss kein Indiz für eine wirtschaftliche Katastrophe, wie sie gegenwärtig häufig beschworen wird. Man könnte die Einigung sogar als Zeichen einer gewissen Entspanntheit verstehen.
Denn die meisten Metallunternehmen scheinen mit um 5,5 Prozent höheren Löhnen in den nächsten zwei Jahren gut zurechtzukommen – trotz zunehmender Konkurrenz aus China, angekündigten US-Zöllen, hohen Stromkosten und schrecklicher Bürokratie. Wobei der Abschluss auch schlau ist: Firmen, die wirklich in Schwierigkeiten stecken, brauchen die vereinbarten Lohnerhöhungen nicht voll auszuzahlen. Auch in einem weiteren Punkt beinhaltet die Vereinbarung eine politische Botschaft.
In ihrer gemeinsamen Erklärung haben die IG Metall und der Verband Gesamtmetall Teile eines Programms formuliert, das sie sich für die kommende Bundesregierung wünschen. Es beinhaltet unter anderem zusätzliche staatliche Investitionen etwa in die Verkehrsinfrastruktur, die nur mit einer Lockerung der Schuldenbremse zu stemmen sein dürften. Hier erhebt ein Wirtschaftsverband Forderungen an die Wirtschaftspartei Union, die bald den Kanzler stellen könnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja