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Einigung im Kita-TarifstreitUmverteilung unter Arbeitnehmern

Im Streit über eine bessere Bezahlung von ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen setzen sich die kommunalen Arbeitgeber durch.

Keine Streiks mehr, ab in die Kita! Foto: dpa

Hannover taz | Der Albtraum von Eltern mit Kindern im Vorschulalter fällt aus: Zumindest vorerst drohen keine weiteren Kita-Streiks mehr. Nach monatelangem erbittertem Tarifstreit haben sich Gewerkschaften und kommunale Arbeitgeber auf einen Kompromiss bei der Bezahlung im Sozial- und Erziehungsdienst geeinigt. Danach sollen die rund 240.000 dort Beschäftigten rückwirkend zum 1. Juli durchschnittlich 3,73 Prozent mehr Gehalt bekommen, so der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, nach Abschluss der Verhandlungen am Mittwoch in Hannover.

Verdi hatte im Frühjahr erst mit punktuellen Arbeitsniederlegungen, dann mit Erzwingungsstreik viele Kitas dichtgemacht. Während des Schlichtungsverfahrens im Juni schlugen Sachsens Exministerpräsident Georg Milbradt (CDU) und Hannovers einstiger SPD-Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg Gehaltserhöhungen von durchschnittlich 3,19 Prozent vor.

Doch an der Gewerkschaftsbasis lehnten viele den Schlichterspruch als „Schlag ins Gesicht“ ab: Schließlich hätten etwa die vielen niedrig eingruppierten ErzieherInnen gerade einmal 33 Euro mehr im Monat erhalten – brutto.

Die Arbeitgeberseite aber blieb hart: Üblicherweise seien Tarifaussetzungen mit der Schlichtung beendet, betonte der Präsident der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Thomas Böhle, immer wieder. Er sieht sich nun als klarer Sieger: Der Kompromiss mit den Gewerkschaften entspreche „im Wesentlichen dem Schlichterspruch“. Mit 315 Millionen Euro zahlten Städte und Gemeinden nur 9 Millionen Euro mehr als von den Schlichtern vorgesehen.

Lohnumverteilung nach unten

Um die Gewerkschaftsbasis trotzdem mit dem Tarifergebnis zu versöhnen, setzt der erst in der vergangenen Woche als Verdi-Vorsitzender wiedergewählte Bsirske deshalb auf Umverteilung innerhalb des Arbeitnehmerlagers: Die oberen Lohngruppen sollen eine geringe Gehaltserhöhung bekommen, untere dafür mehr Geld sehen. „Gerade die Spreizung der Gehaltserhöhung wurde von unserer Basis massiv kritisiert“, erklärte Bsirske.

Während die Schlichter Lohnerhöhungen zwischen 33 und 161 Euro vorsahen, haben die Arbeitnehmervertreter diese Spanne nun auf 98 bis 138 Euro kleinverhandelt. SozialarbeiterInnen im Allgemeinen Sozialdienst, denen zunächst eine Nullrunde gedroht hatte, sollen nach dem nun vorliegenden Kompromiss zwischen 30 und 80 Euro brutto mehr im Monat erhalten.

Am morgigen Freitag sollen lokal verankerte Streikdelegierte und die Verdi-Bundestarifkommission in Fulda über das jetzt erreichte Tarifergebnis beraten. Eine Zustimmung gerade der Basis gilt aber noch lange nicht als selbstverständlich. Schon in Hannover machte Gewerkschaftsboss Bsirske deshalb deutlich, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für weitere Kita-Streiks schwindet: Die Einigung helfe, „hohe Belastungen für Arbeitgeber, Streikende und Eltern zu vermeiden“. Außerdem seien die Gehaltserhöhungen ein Schritt zur Beseitigung „jahrzehntelanger Diskriminierung frauentypischer Berufe“.

Die Gewerkschaftsbasis wird in einer Urabstimmung bis Ende Oktober über den Kompromiss beraten. Spätestens dann dürfte auch Bsirske zu den Gewinnern gehören: Um dem neuen Tarifvertrag Geltung zu verschaffen, müssen nur 25 Prozent der Gewerkschafter zustimmen – und nicht 50 wie bei der Mitgliederbefragung.

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1 Kommentar

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Mit Hilfe von Streiks können Gewerkschaften Konzerne, die im Geld schwimmen, daran hindern, den ganzen Reichtum unter die Vorstände und Aktionäre zu verteilen. Wenn der Streik dem Konzern genügend „weh tut“, dann wird er schon einlenken.

     

    Anders im öffentlichen Dienst.

    Die öffentlichen Arbeitgeber schwimmen eben nicht im Geld. Sie können nur das Geld ausgeben, das vorher den Bürgern über Steuern und Gebühren aus der Tasche gezogen wurde. Um die Forderungen zu erfüllen, müssten anderswo Löcher aufgerissen werden, und dann würden Andere aufschreien.

     

    Die Löhne zunehmend aus Krediten zu bezahlen geht auch nicht: Auch das hat Griechenland dorthin geführt, wo es heute steht.

    Und die Leidtragenden des Streiks sind nicht irgendwelche Vorstände und Aktionäre, sondern die normalen Bürger, die ohnehin durch Steuern und Gebühren geschröpft werden und die nichts in der Hand haben, um sich zu wehren.

     

    Es wird Zeit, dass sich kluge Leute Gedanken machen, wie Tarifkämpfe auf die Tarifparteien beschränkt werden können und die Lasten nicht auf unbeteiligte Dritte abgewälzt werden!