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Einigung beim öffentlichen DienstMehr Lohn für mehr Arbeit

Nach drei Monaten erzielen die Tarifpartner im öffentlichen Dienst eine Einigung. Der Kompromiss: 5 Prozent mehr Gehalt, dafür müssen einige Beschäftigte etwas länger arbeiten.

Ob der Slogan so noch stimmt? Bild: dpa

BERLIN dpa/taz Die Tarifparteien im öffentlichen Dienst haben sich geeinigt und damit einen Streik abgewendet. Die Angestellten des Bundes und der Kommunen sollen deutlich mehr Geld erhalten. Ein Teil von ihnen muss dafür eine halbe Stunde länger arbeiten.

Im Durchschnitt beträgt der Gehaltszuwachs für 2008 gut 5 Prozent. Im kommenden Jahr liegt der lineare Zuwachs bei knapp 3 Prozent. Besonders unter den kommunalen Arbeitgebern hatte der Kompromiss am Montag noch heftige Diskussionen ausgelöst, bevor sie zustimmten.

"Alle Beteiligten mussten Kröten schlucken", sagte Ver.di-Chef Frank Bsirske zu der Einigung. Besonders gegen die Arbeitszeitverlängerung hatte sich die Gewerkschaft gewehrt. Laut der Vereinbarung gilt für alle nun die 39-Stunden-Woche, im Tarifgebiet Ost der Kommunen bleibt es bei 40 Stunden. Für Angestellte des Bundes ändert sich nichts, viele Angestellten im Westen müssen eine halbe Stunde mehr arbeiten. Dort galt bisher die 38,5-Stunden-Woche, allerdings mit vielen Abweichungen.

Für das laufende Jahr sieht der Tarifkompromiss zunächst Einkommenserhöhungen von 3,1 Prozent vor. Zudem soll ein Sockelbetrag von 50 Euro pro Monat dauerhaft auf das Gehalt aufgeschlagen werden. Von diesem Sockelbetrag profitieren die unteren und mittleren Einkommensgruppen stärker als die höheren. Für die unterste Entgeltgruppe errechne sich im ersten Jahr ein Lohnplus von 7,1 Prozent, erklärte Ver.di-Sprecher Jan Jurczyk. Im Durchschnitt aller Einkommensgruppen ergibt dieser Kompromiss ein Plus von mehr als 5 Prozent für 2008. Für 2009 ist eine Einkommenserhöhung um nochmals 2,8 Prozent vorgesehen.

Im Westen soll die Anhebung rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres erfolgen, im Osten zum 1. April.

Die Arbeitszeitverlängerung wurde allerdings für einige Berufsgruppen differenziert vereinbart, erläuterte Jurczyk. So bleiben etwa die Krankenhausangestellten bei der bisherigen Arbeitszeit von 38,5 Stunden, dafür bekommen sie aber 10 Euro weniger Gehalt im Monat, was wiederum mit den Entgeltsteigerungen verrechnet wird. Aus den Krankenhäusern seien "klare Signale gekommen, dass man auf keinen Fall eine Arbeitszeitverlängerung wolle, weil die Belastung schon so groß sei", berichtete Jurczyk.

ErzieherInnen erhalten für die Arbeitszeitverlängerung auf 39 Stunden einen Freizeitausgleich von zweieinhalb Tagen im Jahr. Die Arbeitszeitverlängerung solle bei ErzieherInnen nicht in den Stellenplan einfließen, betonte Jurczyk. Der Abschluss gilt für rund 1,3 Millionen Beschäftigte bei Bund und Kommunen sowie für rund 900.000 ArbeitnehmerInnen bei weiteren kommunalen Einrichtungen.

Für die Beamten des Bundes und der Kommunen muss die Einigung per Gesetz übernommen werden. "Wir fordern, dass dieser Abschluss auch auf die Bundesbeamten übertragen wird", sagte Britta Müller, Sprecherin beim Beamtenbund dbb. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) war an den Tarifgesprächen beteiligt. Für Schäuble war das Ergebnis "zu verantworten". Bundesbeamten haben allerdings jetzt schon Arbeitszeiten von 41 Stunden.

Die Beamten der Länder, wozu auch die LehrerInnen zählen, sind nicht betroffen. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) war 2005 aus dem bis dahin bestehenden Tarifverbund ausgeschieden und hatte 2006 einen eigenen Tarifvertrag mit den Gewerkschaften abgeschlossen, der noch bis Ende dieses Jahres gilt.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte, viele Kommunen würden ihre Gebühren und Beiträge wegen des Tarifabschlusses erhöhen müssen. Die Vereinbarungen kosteten allein die Kommunen 8 Milliarden Euro und gingen "für viele Städte über die Schmerzgrenze hinaus".

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5 Kommentare

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  • MB
    Manfred Bartl

    Toll! Da schreibe ich heute morgen noch eine eilige E-Mail an ver.di in Brandenburg, dass sie in Potsdam unter KEINEN Umständen irgendwas zustimmen sollen, worin auch nur die Andeutung einer möglichen Arbeitszeitverlängerung gemacht wird - und schon geht die Nachricht über die Ticker, dass ver.di sich mit den kommunalen Arbeitgebern geeinigt hätte! Und was ist in dem Paket enthalten: Arbeitszeitverlängerungen für kommunale Angestellte in einigen West-Ländern! Und Frank Bsirske hat auch noch die Frechheit, vor sich hin zu plappern, dass "alle Beteiligten auch Kröten schlucken müssen"! Was haben da erst die UNBETEILIGTEN zu schlucken, die Arbeitslosen, die auf eine längst überfällige Arbeitszeitreduzierung warten, mittels der neue Stellen geschaffen werden können?! Da verlässt man sich auf die Gewerkschaften, dass sie für die Arbeiterklasse kämpfen, dass sie sich durchsetzen, da sie nun einmal am ultimativ längeren Hebel sitzen - und man wird verraten!

    Arbeitszeitverlängerung ist angesichts der ACHT MILLIONEN Arbeitslosen volkswirtschaftlicher Selbstmord!

  • M
    malso

    @bbux: Lesen hilft ^^

     

     

    Und @ anke zoeckel:

    Da Ihr Kommentar um 11:32 Uhr geschrieben worden ist, haben sie wohl noch ausreichen Zeit auf der Arbeit um sich mal "Luft" zu machen bzw. Artikel der taz.de zu lesen. Dieses "Ostler" rumgenöhle kann man sich auch sparen. Aber immerhin lesen Sie eines der "Westler" Medien...

     

    Gruß fast zufriedener Kollege aus dem ÖD (Tarif West)

  • LY
    Luo You

    Dem öffentlichen Dienst fehlt offenbar eine "Lokführergewerkschaft". Die unselige Vernetzung zwischen Gewerkschaftsführung - Politik - Parlamenten - Regierungen führt ganz klar zur Abkopplung der Angestellten und Beamten von der allgemeinen Einkommens- und Wohlstandsentwicklung in diesem Land. Der Hit in dem Prozedere war Herr Ministerpräsident a.D. Späth als "Schlichter". Politisch gesteuerte Gewerkschaften und eine populistische Poltik vergrämen die letzten Leistungsträger in den Verwaltungen und machen den muffligen, unflexiblen, demotivierten Staatsdiener zur "self-fulfilling prophecy".

  • B
    bbux

    Anzunehmen, dass irgendjemand lediglich 38,5 Stunden pro Woche arbeitet, ist ja geradezu lächerlich. Im Klinikbereich hat die Arbeitszeitverlängerung nur die eine Konsequenz, dass den Leuten ihr Überstundenfrei von den endlos vielen Wochenenddiensten pro Woche um eine halbe Stunde gekürzt wird. Und dass pro 78 Beschäftigten eine Stelle gestrichen wird. Vielen Dank, Herr Bsirske, das war zum wiederholten Male ein 'Bärendienst' für die Beschäftigten im Gesundheitswesen.

  • AZ
    anke zoeckel

    Da sollen also nun die Westdeutschen auch länger arbeiten. Jemand aus Stuttgart hat aus diesem Anlass für mich ausgerechnet: Die Verlängerung der Wochenarbeitszeit um 0,5 Stunden macht bei einer Lebensarbeitszeit von 47 Jahren genau 0,67 Jahre aus. Als Noch-immer-Ossi weiß ich nun nicht, ob mir diese "Kröte" schmecken soll. Immerhin werde ich für mein (zugegeben: vollkommen unzeitgemäßes) Beharrungsvermögen von den Tarifpartnern damit bestraft, dass ich auch nach einem eventuellen Tarifabschluss acht Monate, einen Tag, eine Stunde und sechsunddreißig Minuten länger auf meine Rente warten muss, als ich hätte warten müssen, wäre ich in den Westen geflüchtet. Schrecklicher Gedanke! Auch so, nehme ich an, macht man Demographie.