Einfluss des Papstes in Argentinien: Opposition aus dem Vatikan
Gewerkschaften und NGOs in Argentinien machen gegen Präsident Macri mobil. Einen wichtigen Verbündeten haben sie in Papst Franziskus.
S eit Wochen streiken in vielen Provinzen Argentiniens die Lehrkräfte, am Donnerstag legte ein Generalstreik das Land lahm. Was die Menschen auf die Straße treibt, ist die soziale Schieflage in dem Land. Es ist der erste Generalstreik, der sich gegen die Politik des Präsidenten Mauricio Macri richtet. „Probreza Cero“, (null Armut) hatte er im Wahlkampf versprochen. Doch in den ersten 15 Monaten seiner Amtszeit ist die Zahl der Armen um rund 1,5 Millionen gestiegen – jeder Dritte der etwa 42 Millionen ArgentinierInnen lebt unterhalb der Armutsgrenze.
Macri denkt, empfindet und handelt wie ein Unternehmer. Das zeigt sich in der Zusammensetzung seines Kabinetts, das vor allem aus ehemaligen Geschäftsführern großer Unternehmen besteht. Vor allem gewerkschaftsnahes Personal wechselte er aus. Entlassungen hält er für unvermeidlich, Einsparungen für unumgänglich.
Ein Seelsorger hat dagegen die Ausgestoßenen und Beladenen im Blick. So hat sich Papst Franziskus, der sich als „Papst der Armen“ bezeichnet, mangels einer anderen moralischen Instanz zum sozialen Gegenspieler des rechten Unternehmerpräsidenten entwickelt. Auch wenn der ehemalige Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Bergoglio, seit 2013 in Rom lebt und als Papst sein Heimatland noch nicht besucht hat, hat sich sein Standpunkt nicht geändert. Und er ist bestens informiert.
Schon in den Jahren der Kirchner-Regierungen trat Bergoglio als Sozialkritiker auf – und wurde von dem 2010 verstorbenen Néstor Kirchner als „wahrer Vertreter der Opposition“ geschmäht. Jedes Jahr am 7. August, wenn die ArgentinierInnen den heiligen Cayetano um einen Arbeitsplatz bitten, prangerte Bergoglio während der Messe die in dem Land herrschende Armut an.
Dass Bergoglio zwar die Armen in seinem progressiven Blick hat, aber auf anderen Feldern repressiv ist, zeigte der Kampf um die Homo-Ehe. Von der Spitze der Liberalisierungsgegner aus wetterte Bergoglio gegen das Vorhaben, das er als „destruktives Streben gegen den Plan Gottes“ bezeichnete.
Im Juli 2010 stimmte der Kongress für die landesweite Zulassung der Homo-Ehe. Argentinien wurde zum Vorreiter in Sachen Schwulen- und Lesbenheirat in Lateinamerika. Diese Auseinandersetzung ist auch wichtig für das Verhältnis zwischen Bergoglio und Macri, damals Bürgermeister von Buenos Aires. Als am 1. Dezember 2009, noch vor der Verabschiedung des Gesetzes, in einem Standesamt der Hauptstadt die erste Homo-Ehe geschlossen werden sollte, die sich ein schwules Paar erstritten hatte, intervenierte Bürgermeister Macri nicht.
Franziskus' Druck auf Macris läuft über andere Kanäle
Auch wenn ein Gericht im letzten Moment die Trauung verbot, ist dies dem Papst bis heute ein Dorn im Auge. Kaum war Bergoglio im neuen Amt, begann ein Polittourismus argentinischer Mandatsträger, Parteipolitiker und Funktionäre, sei es von Gewerkschaften oder Basisorganisationen, zum Fotoshooting mit dem neuen Papst Franziskus nach Rom. Ganz vorne dabei war ausgerechnet Expräsidentin Cristina Kirchner. Hatte sie ihren größten Widersacher zuvor geschnitten, wo es nur ging, so lief sie zwei Wochen nach seiner Wahl zum Papst mit fliegenden Fahnen ins Lager seiner Sympathisanten über. Auf dem Foto vom ersten Treffen zwischen Mauricio Macri und Franziskus von Anfang 2016 spiegelt das Gesicht des Papstes dagegen die Eiszeit wider, die zwischen den beiden herrschte.
Ein Jahr später kam Macri mit Frau und Töchterchen, was Anlass zu versöhnlichen Fotos bot. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass der Seelsorger den Unternehmer nicht versteht und umgekehrt. Franziskus’ Druck auf Macris Sozialpolitik läuft über andere Kanäle. Da sind zum einen die Basisorganisationen des informellen Sektors, der rund 40 Prozent der argentinischen Wirtschaftsleistung ausmacht. Der Vorsitzende der wichtigen Organisation CTEP sitzt als Berater im Rat für Gerechtigkeit und Frieden des Vatikans. Und als soziale Bewegungen aus aller Welt vor wenigen Monaten eine gemeinsame Strategie berieten, unterstützte Papst Franziskus dieses Treffen.
Und da sind zum anderen die Gouverneurin der bevölkerungsreichsten Provinz Buenos Aires, Maria Eugenia Vidal, und Macris Sozialministerin Carolina Stanley. Vidal war bereits 2007 Sozialministerin der Stadt Buenos Aires, als Macri das Bürgermeisteramt innehatte und Bergolio sein Amtszimmer in der Kathedrale, schräg gegenüber dem Rathaus. 2011 wurde Vidal zur Vizebürgermeisterin gewählt. Ihre Nachfolgerin als Sozialministerin der Stadt: Carolina Stanley. Im November 2013 besuchten die beiden gemeinsam den Papst. Laut Vidal ging es um soziale Ungleichheit, Menschenhandel, Drogen und Korruption.
Seit 2015 Gouverneurin der Provinz Buenos Aires, besuchte Vidal den Papst zuletzt im Februar. Danach sickerte durch, dass ihr der Papst ein Schriftstück zeigte, in dem die sozialen Brennpunkte im Gürtel um die Hauptstadt aufgelistet waren und detailliert berichtet wurde, wie die Zahl der Kinder, die die öffentlichen Volksküchen besuchen, gestiegen war. Der Bericht wurde vom Sozialobservatorium und Padre Pepe verfasst. José María Di Paola, den alle Padre Pepe nennen, wird seit 1996 von Bergoglio in verschiedene Armenviertel geschickt. Derzeit lebt und arbeitet er in La Cárcova, außerhalb der Hauptstadt. Er gehört der Gruppe der Curas Villeros an, der Pfarrer in den Armenvierteln. Die Gruppe wurde zwar nicht von Bergoglio gegründet, aber er hat ihr Aufschwung verschafft.
Wann der Papst selbst nach Argentinien kommt, ist offen. Franziskus will kommen – auch die Regierung würde sich gern mit ihm schmücken. Doch laut einem Bericht des vatikanischen Geheimdienstes ist Argentinien auf der Liste der Reiseziele für den Papst das gefährlichste Land nach dem Südsudan. Aufgrund der laxen Sicherheitsbestimmungen befürchtet man einen Anschlag durch den Islamischen Staat. Um dennoch Möglichkeiten für einen Besuch auszuloten, wird Außenministerin Malcorra in den kommenden Tagen nach Rom reisen. Dabei wird es auch um eine dritte Reise des Präsidenten nach Rom gehen.
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