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■ VorschlagEine Reise im Kreise mit Familie: Andrew Köttings „Gallivant“ im fsk

Einmal um die ganze Insel fahren. Mit dem Wohnmobil, der Oma und der kleinen Tochter. Einfach so, um zu gucken, was passiert. „Gallivant“, so der Titel des ersten abendfüllenden Spielfilms von Andrew Kötting, heißt „sich herumtreiben“ – doch ein Wort wie „Roadmovie“ wäre für diesen zauberhaft heiteren Film viel zu grob.

In „Gallivant“ kann man Großbritannien sehen, und zwar vom Rand her, da, wo es ausfranst und sich auflöst: an den Küsten. In Südengland ziehen klapprige, leere Ferienwohnungen als melancholische Farbkleckse vorbei. Weiter geht es durch Cornwall zu den zerklüfteten Felsen von Land's End; durch Wales nach Blackpool in Nordengland, auf den Rummelplatz, wo sich früher die Arbeiter amüsierten; und von Schottland zurück zur Südküste. Die Kamera, immer in Bewegung, zeigt Jugendliche, die gammeln und schimpfen, ebenso wie die skurrilen kleinen Leute, die mit ihren altmodischen Klamotten immer noch in die alten Feriengebiete fahren. Eigensinnige Fischer stehen mit Cordhosen und fransigen Bärten vor schroffen Klippen und rauschender Brandung; sie reden vom Meer und davon, daß sie keine Angst vor dem Atomkraftwerk nebenan haben. Kötting läßt sie direkt hineinschauen in die Kamera und ein Lied singen. Nichts wirkt larmoyant, sondern einfach nur sympathisch.

Vor allem führt Köttings Reise rund um die Insel zu Oma Gladys und Tochter Eden. In freundlichen kleinen Szenen zeigt der Film wie Gladys, eine praktische alte Dame von 85 Jahren, die zu allem einen trockenen Kommentar abgibt, und ihre Urenkelin Eden sich einander nähern. Eden ist sieben Jahre alt und leidet am Joubert- Syndrom, ihre Lebenserwartung ist gering. Deswegen, so erklärt der Regisseur im Off, wollte er jetzt diese Reise machen, „bevor wir alle verschiedene Wege gehen“. Wunderschön zuzuschauen, wie Gladys langsam Edens Zeichensprache erlernt, mit ihr im Ruderboot sitzt und erzählt, wie ihr Vater, der Autor, ein nichtsnutziger kleiner Junge war. Dabei entwickelt Kötting eine Bildsprache, die über das Dokumentarischen hinausgeht: Zeitraffer, verwischte Impressionen, Traumbilder. Gelegentlich ist Kötting auch selbst zu sehen, wie er mit dem Kamerateam eine kleine Schlammschlacht wagt. Und Eden lacht über ihren Vater, den Herumtreiber. Elke Buhr

„Gallivant“. GB 1996, 100 Min, Regie: Andrew Kötting, fsk Kino, Segitzdamm 2, täglich 20 Uhr (OmU)

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