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Das PortraitEin sprachbegabter, farbloser Anwalt

■ José Maria Gil-Robles

Auch farblose Gestalten können es weit bringen, wenn sie nur die richtigen Freunde haben. So wurde der spanische Christdemokrat José Maria Gil-Robles Gil- Delgado (61) gestern zum Nachfolger des Sozialdemokraten Klaus Hänsch ins Amt des EU-Parlamentspräsidenten gewählt, weil es eine Abmachung zwischen den Europäischen Sozialisten und den Christdemokraten der Europäischen Volkspartei so will. Die beiden größten Fraktionen bestücken seit 1989 abwechselnd das Amt an der Spitze der Volksvertretung.

In Spanien ist eher José Maria Gil-Robles senior bekannt. Dieser war in den Jahren der Republik Vorsitzender des Rechtsbündnisses CEDA. Als Kriegsminister verhalf er all denen zu Rang und Namen, die später unter der Leitung von General Franco gegen die Demokratie putschten sollten. Schon bald überwarf er sich mit den neuen Machthabern und ging mit der Familie ins portugiesische Exil, wo er eine christdemokratische Oppositionsgruppe aufbaute.

Nach dem Tod von Diktator Franco setzte das Familienunternehmen zum Sprung in die große Politik an. Bei den ersten freien Parlamentswahlen kandidierten der Vater und die drei Söhne zusammen auf der Liste eines breiten christdemokratischen Bündnisses, dem EDCEE – erfolglos.

Jahre später, 1989, wagte José Maria Gil-Robles seinen zweiten Anlauf: Für die größte spanische Rechtspartei, die gerade vom heutigen Regierungschef José Maria Aznar übernommene Partido Popular (PP), zog er ins Europaparlament ein. Der Anwalt, der fließend fünf Sprachen beherrscht, packte die Gelegenheit beim Schopf und diente sich hoch: erst als stellvertretender Vorsitzender der christdemokratischen Fraktion und dann als einer der Vizepräsidenten der EU- Volksvertretung.

Jetzt steht Gil-Robles vor seiner schwierigsten Aufgabe. Das Parlament erwartet von ihm eine Stärkung der Volksvertreter gegenüber Kommission und Ministerrat innerhalb des europäischen Machtgefüges bei den im Rahmen der EU-Regierungskonferenz anstehenden Reformen. Doch ob Gil- Robles das dazu nötige internationale Format und Prestige besitzt, bezweifeln nicht nur seine politischen Gegner. Was, wenn seine Kandidatur gerade deshalb von namhaften europäischen Regierungschefs unterstützt wurde? Reiner Wandler, Madrid

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