Nachgefragt: „Ein böser Zufall“
■ Weigel über Umwelt-Unfall im Werderland
Am Montag entdeckten Bauern im Werderland Kalkablagerungen in einem Weidegraben. Der Grund: Die Deponie II auf dem südlich des Naturschutzgebietes gelegen Gelände der Bremer Stahlwerke ist undicht. Dorthin wird der Eisenstaub gepumpt, der in den Hochöfen anfällt. Über einen Sickergraben, der eigentlich das Pumpwasser dem betriebsinternen Wasserkreislauf zuführen soll, gelangten Kalk und Schwermetalle in den Weidegraben und damit ins Werderland, das erst in der letzten Woche unter Naturschutz gestellt worden war. Die taz sprach mit dem Abwasserexperten der Umweltsenatorin, Hans-Peter Weigel.
Senatorin Wischer weiht ein neues Naturschutzgebiet ein, und vier Tage später finden sich dort Kalk und Schwermetalle.
Hans-Peter Weigel: Das ist ein böser Zufall.
Wird nicht geprüft, welche Gefahren einem solchen Gebiet durch umliegende Betriebe drohen? Dr. Bernhard Gabel, der Leiter der Rechtsabteilung der Stahlwerke, vermutet, daß die Deponienähe einfach unterschätzt wurde.
Dann dürften Sie ja rund um die Stahlwerke nichts unter Naturschutz stellen.
Mittlerweile sickert nichts mehr, weil die Stahlwerke mit Pumpen den Wasserstand ihres Grabens gesenkt haben. Wie groß ist der Schaden?
Man sieht in großen Bereichen des Grabens, daß Kalk ausgefallen ist, und wir haben gemessen, daß der Weidegraben mindestens auf der Hälfte seiner Länge mit hohen PH-Werten belastet ist. Der PH-Wert im Eingangsbereich des Abflußgrabens liegt bei elf und höher. Ein Wert von sieben ist normal. Für so einen kleinen Bereich ist das schon ein großer Hammer.
Schwermetalle wurden auch freigesetzt?
1982 gab es dort schon einmal Kalkablagerungen. Damals hatten wir eine hohe Schwermetallkonzentration, besonders Blei, festgestellt. Deswegen prüfen wir nun an 40 Stellen die Sedimente auf Blei- oder andere Schwermetall-Ablagerungen und haben den Bauern geraten, ihre Kühe im Werderland nicht mehr zu weiden. Zudem muß festgestellt werden, ob der hohe PH-Wert im Hauptabflußgraben und den Nebenläufen Wasserpflanzen geschädigt hat. Bislang hat erst ein Bauer tote Fische gesehen, also hoffe ich, daß das mobile Leben geflüchtet ist.
Wenn die Gräben der Stahlwerke undicht sind, müssen die für den Schaden zahlen. Was aber, wenn es der Bisam war?
In beiden Fällen ist der Verursacher der Betreiber der Deponie. Der Gutachter wird zu dem Schluß kommen, daß die Deponie in jedem Fall saniert werden muß.
Nun ermittelt die Umweltpolizei gegen die Verantwortlichen der Stahlwerke.
Ich denke nicht, daß da jemand bewußt den Stöpsel gezogen hat. Die Kripo ermittelt aber, ob jemand seine Aufsichtspflicht vernachlässigt hat.
Fragen: Lars Reppesgaard
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