Ein Plädoyer für das reine Wasser: Alles klar?
Wasser ist ein Schatz – je purer, desto besser. Füllt es bitte nicht in Plastikflaschen und lasst es nicht von Sommeliers servieren.
Manche Leser/innen wissen um meine Begeisterungsfähigkeit für bestimmte Lebensmittel. In einen Almrohmilchkäse zu beißen, kann mit der Welt versöhnen. Nach einer guten Pasta kann man unmöglich streiten (es sei denn, man zwingt sich dazu). Und für eine saftige, sonnengereifte Marille fahre ich auch mal 800 Kilometer nach Ungarn oder in die Wachau.
Aber meine wahre Begeisterung gilt der Basis aller Freude und jedweden Lebens: dem reinen, köstlichen, unbehandelten Quellwasser!
Wer, wie ich, das Glück hatte, in Wien seine ganze Kindheit und Jugend hindurch hervorragendes Leitungswasser zu trinken, das sich aus dem nahen Gebirge speist, für den ist die Latte schon mal hoch gelegt. Andere Länder mischen gutgemeint und unerbeten Jod und andere Stoffe in ihr Trinkwasser. Meine Körperintelligenz schreit: Nein. Nein. Und nein. Pfuscht nicht an unserer Ernährung herum und erst recht nicht am Wasser!
Zum Beispiel Großbritannien. Das Land bietet sehr witzige, kluge und sympathische Individualisten, eine lebendige Subkultur, atemberaubende Landschaften und genug gute Köchinnen, um einen Wohnortwechsel in schwachen Momenten zu erwägen … but, sorry my dears: gechlortes Trinkwasser? Findet ein so fortschrittliches Land ernsthaft keine bessere Lösung!?! Und es gibt keine Revolution wegen der Verhunzung des wichtigsten Lebensmittels? Nicht einmal Guerillabrunnen an jeder Ecke? Das geht einfach nicht. Das wäre für mich schlimmer, als jeden Tag Fastfood und Tütensuppe.
Trinkwasser zu sich zu nehmen, kann Überwindung kosten. Selbst wenn es der Gesundheit dient. Wer schon mal in den Heilbädern von Marienbad oder Karlsbad war, weiß, wovon ich rede. Dort werden Arthritis, Gicht, Haut- und Herzprobleme mit dem richtigen Schluck Wasser behandelt. Der schmeckt oft so stark nach Eisen und Schwefel, dass man einen Gesundheitseffekt spontan bezweifeln würde. Der Grundsatz „Bittere Medizin hilft am besten“ kommt voll zur Geltung. Spannend!
Eine Flasche Wasser für 50 Euro
Wasser ist natürlich nicht gleich Wasser. Überall schmeckt es anders und hat andere Inhaltsstoffe. Je länger Wasser steht und chemisch gereinigt wurde, desto mehr schmeckt es metallen, bitter, nach Chemie oder unnatürlich süß. Aus der Verschiedenheit von Wassergeschmack und der Wasservielfalt in der Welt hat sich im letzten Jahrzehnt ein neuer Berufszweig entwickelt: der Wassersommelier.
In ausgewählten Hotels und Restaurants kann man nach seiner Beratung zur Menüfolge das passende Fläschlein Wasser trinken. Und dann gibt es auf einmal „Bling H2O“ aus den USA, die Flasche mit Swarowski-Kristallen besetzt, innen drin aber ganz normales Wasser, der Preis: über 50 Euro. Für etwas weniger erhält man beispielsweise tasmanisches Regenwasser oder Quellwasser von den Fidschis.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Der Beruf des Wassersommeliers ist für mich Ausdruck einer dekadenten Gesellschaft. Die einerseits das wichtigste Erbe der lebendigen Welt – nämlich das Grund- und Oberflächenwasser – systematisch durch Pestizide und Kunstdünger, durch Medikamente und Hormone vergiftet. Und die andererseits Wasserressourcen aus fernen Ländern teuer importiert, um gelangweilten Menschen das ganz spezielle Schluckerlebnis zu ermöglichen. Und das, obwohl zahlreiche Studien belegen: Am besten für Umwelt und Gesundheit ist noch immer der preiswerte Schluck aus dem Wasserhahn.
Beim Warentest schlecht abgeschnitten
So hat Stiftung Warentest im Jahr 2012 29 stille Mineralwasser aus der Flasche getestet und konnte keines davon empfehlen. Die gekauften Mineralwasser enthalten oft sogar weniger Mineralien als gemeines Trinkwasser. Aus dem Plastik der Flaschen gelangt Acetaldehyd ins Wasser, was zwar nicht gesundheitsgefährdend ist, aber auch keine angenehme Vorstellung. Und manche der getesteten Wässer waren mit Keimen belastet, die für alte und erkrankte Menschen kritisch sein können. Stehendes Wasser beherbergt Keime? Tja, wenn man es so liest, ist es direkt einleuchtend.
Neben der unsinnigen Ressourcenverschwendung, Wasser abzupacken und durch die Welt zu kutschieren, gibt es ein anderes großes Problem: die Plastikmüllberge in den Ozeanen und auf dem Land. 450 Jahre dauert es, bis sich eine Plastikflasche zersetzt und mit den winzigkleinen Mikroplastik-Partikeln müssen sich darüber hinaus noch viele weitere Generationen auseinander setzen.
Worin besteht also auch nur ein einziger Vorteil, Plastikflaschen wie ein unförmiges Handtäschlein mit sich herumzutragen? Was stimmt mit uns nicht, wenn wir lieber immens viel Energie verbrauchen, Ressourcen und andere Regionen ausbeuten, global agierende Großkonzerne und ihr Watergrabbing mit dem Kauf einer Wasserflasche fördern und freiwillig zigmal so viel zahlen (1 Liter Wasser aus der Leitung kostet in Deutschland im Durchschnitt ca. 0,2 Cent) – als einfach den Wasserhahn aufzudrehen und zu trinken?
Trinkbrunnen statt Plastikflaschen
Bis vor wenigen Jahrzehnten wäre ohnehin kein Mensch auf die Idee gekommen, mit einer Flasche Wasser durch die Straßen zu spazieren. Es gab mehr öffentliche Trinkbrunnen oder, wenn der Durst allzu unerträglich wurde, ging man auf die nächste Toilette und trank dort aus dem Hahn. So habe ich das zumindest in meiner Jugend gehalten.
Wer denkt, er verdurstet auf dem Weg zu Arbeit, sollte sich zumindest für ein plastikfreies Mehrwegmodell entscheiden. Und für die Ängstlichen unter Ihnen: Nein, Sie müssen und sollen keine drei Liter Wasser am Tag trinken! Trinken Sie nur, wenn Sie Durst haben. Die Niere ist kein Sieb, sondern ein Organ, das jeden Schluck mühsam bearbeiten muss. Da wird nix weggespült. Außer das Geld auf Ihrem Konto.
Wasser ist lebensnotwendig. Umso wichtiger sollte uns die natürliche, wahrhafte Qualität des Ursprungs sein. Wasser ist eben nicht gleich Wasser.
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