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Ein Mythos namens Freddy QuinnHeimatlos und schuldbeladen

Er war in den Fünfzigern und Sechzigern der populärste Popkünstler der Republik - endlich würdigt ihn eine Biografie. Elmar Kraushaar schrieb seine Geschichte auf.

Der Pop-Star Freddy Quinn als Wachsfigur. Bild: imago/imagebroker

BERLIN taz | Geschichte, ja Geschichtswissenschaftliches zum Thema Pop ist in den vergangenen Jahren mehr denn je publiziert worden. Überblickend haben hierzu die Historiker Axel Schildt und Detlef Siegfried maßgebliche Arbeit geleistet - und der größte Vorzug ihrer Recherchen war und ist stets, dass sie vor den Phänomenen der populären Kultur nicht nur nie zurückschreckten, sondern diese mit besonderer Liebe bedachten.

Das unterscheidet sie vom Mainstream der Poptheorie, die, selbst dort, wo sie historisch zu denken beansprucht, stets nie etwas anderes war als eine aus den ästhetischen Theorien geborene Schöpfungsanekdote, die sich ausschließlich gymnasial geprägter Kultur zu beschäftigen wusste.

Hervorbringungen der sogenannten Massenkultur ignorierte Poptheorie jedweder Prägung konsequent. Dabei wäre diese gerade interessant, könnte sie doch weiter klären helfen, wie sich aus den Trümmern eines nationalsozialistischen Staates und seiner Kulturweisen eine Gesellschaft herauskristallisierte, die sich auf den Weg in den Westen machte - nenne man es einen Prozess der Amerikanisierung oder Westernisierung, einerlei.

Wer allerdings zu jenem Thema forscht, etwa zur Unterhaltungskultur der deutschen Nachkriegszeit, hat ein Problem, das jeden Historiker grausen lassen muss: Es gibt natürlich jede Menge Quellen zu klassischer Musik, fast jeder Atmer von Stockhausen, jedes Hüsteln von Karajan scheint archiviert, aber die Genese der, beispielsweise, Schlagerkultur ist kaum zu ermitteln: Gesammelt wurde hierzu fast nie etwas.

Ein Buch, das in diesem Herbst erschien, schafft hier wenigstens ausnahmsweise gute Abhilfe. Der Journalist Elmar Kraushaar, kein Historiker, aber geschichtlich interessiert, hat über den jüngst 80 Jahre alt gewordenen Künstler Freddy Quinn eine, so heißt es im Untertitel, "unwahrscheinliche Biografie" geschrieben.

Sie lohnt sich unbedingt zu lesen. Man muss hierzu jüngeren LeserInnen sagen, dass Freddy Quinn in puncto poptheoretischer Relevanz und kommerzieller Präsenz zu seiner Zeit mächtig wie keiner war. Er hat Songs wie "Heimatlos", "Junge, komm bald wieder" oder "Die Gitarre und das Meer" gesungen - er war ein Star der Nachnazirepublik, thematisch, falls man so will, erörternd das, was die Mitscherlichs später "Die Unfähigkeit zu trauern" nennen sollten: Freddy Quinn verkörperte den heimatlosen, irgendwie sehnsüchtig-schuldbeladenen jungen Mann, der keine Erde mehr unter die Füße bekommt.

Unwahrscheinlich muss eine Biografie auch deshalb bleiben, weil der Skizzierte seine Herkunft wie sein Leben überhaupt fabulatorisch in Szene setzte: Ist er nun ein Zirkuskind, ein unehelicher Spross eines Wanderarbeiters oder doch nur ein Österreicher, der alpine Fantasien vom Maritimen hegte und sich in Hamburg als Freddy Quinn neu zu erfinden suchte?

Und, wichtigste Frage: War Freddy womöglich schwul - und konnte dies nie sagen? Hätte er das tun können in einer Zeit, die Homosexualität noch bis 1969 mit den Strafbestimmungen des Nationalsozialismus verfolgte?

Unsortiertes Kleinmaterial

Das ist ein wichtiges Feld - zumal die Kategorie des Homosexuellen in den Wahrnehmungen anderer Forscher zur neueren Geschichte eher gar nicht vorhanden ist. Insofern muss die Biografie zu Freddy Quinn unbedingt als kostbar verstanden werden: Was deren Autor herausgefunden hat, ist dicht und plausibel strukturiert und aufgeschrieben - und das aus einem, wie oben umrissen, Wust an unsortiertem Kleinstmaterial.

Das war obendrein sowieso keine kleine Kunst: Quinn selbst, der im persönlichen Umgang nicht nur mit Journalisten zu unverhohlener Patzigkeit neigt, gepaart mit Resten eines ins Hochnäsige ragenden Selbstbewusstseins seines einstigen Daseins als Star wegen, hat so gut wie nichts zu dieser Arbeit freiwillig beigetragen, er wünschte keine Aufklärung in eigener, ja auch für ihn schmeichelhafter zeithistorischer Art.

Auch das gehört zu den Vorzügen dieses Buches: Man liest vom Making of … und ist gleich in der Welt, um die es auf den folgenden Seiten geht. Es bräuchte mehr von diesen biografischen Zugängen zu einer Zeit, die so quirlig wie depressiv sich anfühlte - die Fünfziger als Dekade des Manischen. Es würde erheblich lohnen, diese Zeit auch in ihren massenkulturellen Pop-Ups gründlich zu erforschen: Das Material, das bislang geborgen wurde, ist noch längst nicht gesichtet.

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4 Kommentare

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  • B
    Bernd

    Freddy Quinn, has war für mich "100 Mann and ein Befehl". Könnte mal jemand ein Remix von machen. Nein, das handelt nicht von der Verteidigung der Freiheit am Hindukusch. Oder doch?

  • FA
    Freddy Albers

    Also ich habe das Buch nun zu 80 Prozent gelesen und stehe ihm mit gemischten Gefühlen gegenüber.

     

    Dinge, wie der Geburtsort, der Vater, die Herkunft des Namens Quinn oder Freddys Aufenthalte in diversen Ländern, auf Schiffen, bei der Fremdenlegion usw. werden sich wohl nie zweifelsfrei klären lassen.

     

    Da kann auch Kraushaar kein Licht reinbringen und die Frage ist auch: Muss er das? Kann man Quinn nicht ein bißchen Privatleben gönnen bzw. es sogar bewundern, daß er es geschafft hat, trotz seiner immensen Bekanntheit doch so unbekannt zu bleiben?

     

    Freddy Quinn bzw. sein Mentor Lotar Olias haben damals alles dafür getan, Freddy als Star, als "Marke" aufzubauen und zu etablieren und das war von einem unglaublichen (auch kommerziellen) Erfolg gekrönt. Diese Art von Publicity war damals ziemlich neu, heute, im Zeitalter von Internet, BILD und RTL ist sie an der Tagesordnung.

     

    Durchaus interessant sind allerdings Kraushaars allgemeine Abhandlungen - oft auch abseits von Freddy und seiner Karriere - über die Nachkriegszei oder die Schallplattenindustrie. Und über manchen Publicity-Trick, der schon vor 50 Jahren angewandt wurde, kann man heute regelrecht schmunzeln (wie das mehrfache Verwenden von "Freddy-Bilderstorys" mit jeweils anderen Geschichten und Bildunterschriften, ausgeführt von Freddys Hof-Fotograf Lothar Winkler).

     

    Mir persönlich (und sicher auch manch anderem Fan von Freddy bzw. seinem künstlerischen Schaffen) ist sein Privatleben im übrigen egal. Seine Lieder bleiben ohnehin zeitlos schön, seine Filme (im Kontext der Zeit, in der sie entstanden) durchaus unterhaltsam und seine Konzerte waren tolles und professionelles Entertainment.

     

    Dieses Schaffen wird weder durch Kraushaars Buch noch durch die tagaktuelle Klatschpresse geschmälert.

     

    Freddy hat über Jahrzehnte Millionen Menschen Freude gemacht und er hat es m. E. daher durchaus verdient, mit nunmehr 80 Jahren in Ruhe seinen Lebensabend zu genießen.

     

    Mögen ihm noch ein paar schöne und vor allem gesunde Jahre beschert sein.

     

    P. S. Auch, wenn ich es jetzt als "nicht so schlimm" wie befürchtet empfand, so hoffe ich dorch für ihn, daß Freddy sich das Buch lieber nicht durchliest.... :-)

  • H
    heinzl

    Herr Feddersen unterstellt Herrn Quinn Patzigkeit und Arroganz? Nur weil er sich nicht mit selbsternannten Journalisten und Biographen unterhalten will?

    Ob Herr Quinn schwul ist oder nicht, dürfte den Menschen, denen seine Musik gefiel oder immer noch gefällt, völlig egal sein.

    Mich stört nur die schmierige Art mit der ein halbherziges Outing versucht wird. Der unsägliche Herr Praunheim hat schon mit seinem Terror ähnliches versucht - warum maßen sich immer die Schreier aus der dritten Reihe die gesellschaftliche Offenheit an?

    Es ist halt so einfach ein Biographie, die auf Halbwissen, Lügen und angemaßter Deutungshoheit basiert zu publizieren.

    Ein Gentleman der alten Schule, wie es Freddy Quinn einer ist, wird den Schreiberling sowieso nicht als satisfaktionsfähig ansehen.

  • E
    elmar

    WOW!!! Freddy Quinn: schwul!!

     

    Wenn man, dass sich richtig überlegt, muss die Pop-Geschichte umgeschrieben werden.

     

    Also: in den 50 ties konnte sich ein Homosexueller nicht so richtig outen.

    Sonst hätte sich der Mann vermutlich damals FREDDY QUEEN genannt.

     

    Darum hat dann ein paar Jahre später als Hommage an seinen Hamburger (-beatles!!-) Vorläufer ein anderer Freddy seine Combo statt QUINN dann Queen genannt.

     

    Texlich sind sie garnicht so weit auseinder, schliesslich marschierte Freddys Qui-s

    Vorgänger- Generation mit

    "Hundert Manmn und ein Befehl"

    drauf los, ganz einfach, weil sie anderernorts im eignen Idiom

    "We are the champions" gröhlen wollte.