: Ein Mann, der nicht aufgeben will
Ansgar Graw, SFB-Referent, wehrt sich gegen Buchpassagen, in denen ihm Kontakte zu Neonazis nachgesagt werden. Der Kleinkrieg beschäftigt diese Woche das Landgericht ■ Aus Berlin Severin Weiland
Der Satz klang wie eine Selbstverpflichtung. „Nehmen wir die Kriegserklärung an“, schrieb Ansgar Graw, persönlicher Referent des SFB-Intendaten Günter von Lojewski, einst in dem Band „Die selbstbewußte Nation“. Was Graw 1994 als Angriff gegen den Liberalismus formulierte, hat er selbst zur Grundlage seines Handelns gemacht. Der 36jährige führt derzeit vor Gericht einen Kleinkrieg um seinen guten Ruf. Der ist zwar seit längerem durch seine Autorenschaft in rechten Blättern arg lädiert. Nun aber sieht sich Graw durch ein Buch dreier Journalisten — ein Mitarbeiter des Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg und zwei taz-Redakteurinnen — ins allzu rechte Lager gerückt.
Was er in dem Buch „Rechtsschreiber“ las, konnte ihn nicht kalt lassen. Im Kapitel über seine Person zitierten die Autoren aus einem verfänglichen Protokoll des polizeilichen Staatsschutzes. Graw soll am 9. Juni 1994 in einer Kneipe an einer Versammlung der Berliner Kulturgemeinschaft Preußen teilgenommen haben. Und die stuft der Verfassungsschutz als Hort rechtsextremistischer Personen und Gruppierungen ein.
Graw reagierte umgehend. In einer eidesstattlichen Versicherung beteuerte er, niemals „allein oder in Begleitung“ jene Gaststätte aufgesucht zu haben. Dann schob er eine weitere eidesstattliche Versicherung eines SFB-Kollegen hinterher. Schließlich setzte Graw gegen den Elefanten-Press- Verlag gerichtlich eine Schwärzung dieser und anderer Passagen durch. Damit aber hatte er den Stein erst recht ins Rollen gebracht. Dankbar nahmen andere Medien den Fall auf — und plötzlich war der Referent dort, wo er eigentlich nur beruflich, aber nicht als Privatmann stehen will: im Lichte der Öffentlichkeit.
Ein Artikel im liberalen Tagesspiegel erzürnte ihn derart, daß er eine Gegendarstellung androhte, die zum Leserbrief abgemildert wurde. Graws Hartnäckigkeit feuerte auch seine Gegner an. Offenherzig plauderte der Herausgeber der Antifa-Reihe im Elefanten- Press-Verlag, Jens Mecklenburg, in einem Interview mit der Tageszeitung Junge Welt die entprechenden geschwärzten Buchpassagen aus. Die Antwort folgte prompt: Mecklenburg handelte sich eine Unterlassungserklärung ein.
Ein Vorgang, von dem auch einer der Buchautoren betroffen ist. Nachdem dessen Anwalt intervenierte, sah das Landgericht vorerst von einer Entscheidung ab — sie wird in dieser Woche erwartet. Mittlerweile hat Graws Anwalt den Unterlassungsantrag modifiziert. Zwar besteht Graw nun nicht mehr darauf, er habe für die Junge Freiheit nie „zur Feder gegriffen“, wie es im Buch heißt. Seinen Namen aber möchte er am liebsten ganz aus dem Buch getilgt wissen. Schon die Kapitelüberschrift „Über eine rechte Karriere: Der Aufstieg des Ansgar Graw“ lasse „den ganz eindeutigen und für jedermann erkennbaren Schluß zu“, daß sich sein Name unter den Schwärzungen befinde. Vor allem aber werde er, Graw, die „eindeutig unrichtige Behauptung“ nicht hinnehmen, er habe an einem Neonazitreffen der Kulturgemeinschaft teilgenommen. Mit ähnlicher Begründung ging Graw auch erneut gegen den Elefanten-Press- Verlag vor, gegen den er ein Ordnungsgeld von 15.000 Mark erwirkte, sollte das Buch weiter vertrieben werden. Der Ausgang ist offen — der Verlag legte Beschwerde ein.
Die Publizität kann Graw, der auch Referent für ARD- und Medienfragen ist, in seinen Außenkontakten nicht lieb sein. Nun ist es allerdings so, daß Graws Glaubwürdigkeit an seiner eigenen Vergangenheit leidet. Unbestritten ist, daß er seine ersten journalistischen Erfahrungen keineswegs im schlichten konservativen Milieu sammelte. Anfang der achtziger Jahre volontierte er beim Ostpreußenblatt, dem Organ der Landsmannschaft Ostpreußen, schrieb für Schriften wie Criticon oder Mut, deren Autoren- und Leserschaft rechts von der CSU zu suchen sind. Der Wochenzeitung Junge Freiheit widmete er gar zum fünfjährigen Bestehen ein Grußwort – einem Blatt, das der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz wegen des „Verdachts rechtsextremistischer Bestrebungen“ unter die Lupe nimmt. Daß dasselbe Blatt auch einen seiner Artikel abdruckte, sei ohne sein Wissen geschehen, behauptet Graw. In der Vergangenheit besuchte er mehrmals den „Dienstagkreis“, in dem sich rechte und zum Teil am rechten Rand agierende Persönlichkeiten regelmäßig in einem Berliner Hotel austauschen. Ein Kreis, der vor zwei Jahren eine Koalitionskrise zwischen SPD und CDU auslöste, nachdem ein Sprecher der Innenverwaltung dem Staatsschutz als regelmäßiger Teilnehmer aufgefallen war. Daraufhin mußte dieser Sprecher seinen Hut nehmen — heute ist er Pressereferent einer Brauerei im Saarland. Ein solches Schicksal wird Ansgar Graw wohl nicht ereilen. Er ist schließlich nicht Sprecher eines Senators – lediglich Referent des SFB-Intendanten. Das ist in Berlin ein feiner Unterschied.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen