11-jährige Influencerin in Gaza getötet: Sie war ein Leuchtfeuer der Hoffnung
Yaqeen Hammad war Influencerin und vermittelte Hoffnung im überbordenden Leid von Gaza. Am vergangenen Freitag wurde die 11-Jährige getötet.

Am vergangenen Freitag wurde Hammad durch einen israelischen Luftangriff getötet, der ihr Familienhaus in Deir al-Balah im Zentrum Gazas traf. Am Montag wurde ihr Tod bekannt, wie mehrere internationale Medien bereits berichteten. Sie wurde 11 Jahre alt.
Die junge Palästinenserin wurde oft als „humanitäre Influencerin“ bezeichnet, sie hielt viele solcher Momente fest. Hammad dokumentierte ihr ehrenamtliches Engagement in Schulen und Küchen in den sozialen Medien, sie gab Überlebenstipps bei Bombardierungen und improvisierte Kochtipps für Menschen ohne funktionierende Gasherde. „Gaza: Nein zum Unmöglichen“, sagte sie.
Hammad ist eine von Dutzenden Kindern in Gaza, die alleine in den vergangenen Tagen ums Leben gekommen sind. Der Luftschlag ist Teil einer intensiven Angriffskampagne der israelischen Armee, um Premier Benjamin Netanjahus versprochenen „totalen Sieg“ im Kampf gegen die islamistische Terrororganisation Hamas zu liefern, die bis heute noch 58 Geiseln hält und nicht kapitulieren will. Viele Zivilistinnen und Zivilisten zahlen dafür den Preis. Seit Oktober 2023 sind in Gaza Tausende Kinder wie Hammad getötet worden.
Sie dokumentieren den Krieg selbst
Israel und Ägypten, die eine Grenze mit Gaza teilen, verwehren seit Kriegsbeginn internationalen Journalistinnen und Journalisten den Zugang zum Küstenstreifen. Deshalb dokumentieren Palästinenserinnen und Palästinenser den Krieg nahezu vollständig selbst. Manche arbeiten zusammen mit internationalen Medienorganisationen wie Reuters oder The New York Times, als Reporter oder Fotografen. Andere wie Hammad setzen auf Social-Media-Formate, die online Millionen Menschen erreichen.
Die palästinensischen Gebiete, zu denen Gaza zählt, sind auf Platz 163 von 180 der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen – wegen Druck von der israelischen Armee, der regierenden Fatah-Partei im Westjordanland sowie von Terrororganisationen wie der Hamas und Islamischer Dschihad in Gaza, „die für ein Klima der Repression“ sorgen. Seit Kriegsbeginn sind laut Reporter ohne Grenzen fast 200 Medienschaffende in Gaza getötet worden.
Yaqeen Hammads Instagram-Seite zeigt eine andere Seite von Gaza als die verheerenden Kriegsbilder, die in den Medien kursieren. Ihre Beiträge zeugen von Zusammenhalt, Solidarität und Hoffnung. In einem Video bereitet sie Frühstück für 2.500 Fastende während Ramadan vor, nachdem sie mit der NGO Ouena Collective mehr als 260.000 Dollar in Spenden gesammelt hatte. In einem weiteren Video verteilt sie Eisbecher an Kinder: „Gaza-Eis der Extraklasse“, schreibt sie dazu.
Erst im März startete Yaqeen Hammad ihre Instagram-Seite. Unterstützt hat sie dabei ihr älterer Bruder Mohammad, ein humanitärer Helfer. Er soll sie nach und nach darauf vorbereitet haben, ihre Seite irgendwann selbst zu übernehmen, berichtet ein Journalist aus Rafah in Gaza auf der Social-Media-Plattform X.
Seit ihrem Tod hat Hammad mehr als 20.000 neue Follower. Unter ihren Videos sind Trauerbekundungen auf vielen Sprachen. Der palästinensische Fotojournalist Mahmoud Bassam, auch aus Gaza, schrieb auf X: „Ihr Leib mag verschwunden sein, aber ihr Einfluss bleibt ein Leuchtfeuer der Menschlichkeit.“
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