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Ein Land, zwei Wahlsieger

MAZEDONIEN I Neuwahlen sollten die politische Dauerkrise in dem Balkanstaat beenden. Nun beanspruchen Regierung und Opposition den Sieg für sich. Nichts scheint gelöst

1,7 Millionen Mazedonierinnen waren zur Wahl aufgerufen. Diese hier hoffen auf einen Sieg der Opposition Foto: Valdrin Xhemaj/dpa

Aus Belgrad/Skopje Andrej Ivanji

„Verehrte Bürger, freut euch, feiert das Leben, das Regime ist gestürzt“, ruft der Anführer des Sozialdemokratischen Bundes (SDSM), Zoran Zaev, am Sonntagabend vor Tausenden Anhängern. Die ganze Welt solle sich dieses historischen Moments bewusst sein, sagt er. „Sieg, Sieg!“, jubelt die Masse. Ein Feuerwerk färbt den Nachthimmel. Es wehen mazedonische, albanische, türkische, serbische Fahnen.

Zwei Stunden zuvor haben die Wahllokale geschlossen, und nun verkündet Zaev den Sieg seiner Partei gegenüber der rechtskonservativen VMRO-DPMNE, die seit einem Jahrzehnt an der Macht ist. Seine Anhänger, vorwiegend junge Menschen, gehen auf die Straße und feiern. Ein langer, erbitterter Kampf scheint beendet zu sein. Die Stimmung ist euphorisch, als ob gerade ein Diktator besiegt, als ob es zur demokratischen Wende gekommen sei.

Dann die Ernüchterung: Eine Stunde, nachdem Zaev sich zum Wahlgewinner ausruft, erklärt sich auch Nikola Gruevski zum Sieger: „Zehn zu null“, sagt der Exministerpräsident und Chef der VMRO-DPMNE. Zum zehnten Mal in Folge habe seine Partei die Parlamentswahlen gewonnen. Er kündigt rasch die Bildung einer Regierung an, die „mit dem Volk für den Staat und im nationalen Interesse“ arbeiten werde. Seine Anhänger gehen auf die Straße und feiern.

Am Montag gibt die staatliche Wahlkommission dann ein Ergebnis bekannt: 38 Prozent für die Partei des Langzeitregierungschefs Gruevski. Auf knapp 37 Prozent kommt danach die sozialdemokratische Opposition Zaevs. Bis zum Nachmittag schweigt sich die Wahlkommission aber über die Mandatsverteilung im Parlament mit seinen 120 Sitzen aus. Nach Medienberichten dürfte das Lager Gruevskis eine knappe Mehrheit von 61 Sitzen erringen.

Die vorgezogenen Parlamentswahlen sollten eine jahrelange politische Krise überwinden. Nach einem Abhörskandal – das Regime soll 20.000 Menschen belauscht haben – spitzte sich die Lage zu: Es kam zu Straßenprotesten, die Opposition boykottierte das Parlament. Erst durch die Vermittlung der EU wurden eine Übergangsregierung und vorgezogene Wahlen vereinbart. Es folgte ein unerbittlicher Wahlkampf.

Ein tiefer Riss spaltet die rund 2,3 Millionen Einwohner des Landes: Die Opposition wirft Gruevski und der VMRO-DPMNE Korruption, Plünderei und Veruntreuung vor. Die Regierung habe die Medien gleichgeschaltet und verfolge seine Kritiker. Die Rede ist von einem kleptokratischen Regime, das sich durch Wahlfälschung und Manipulation von Wahllisten an der Macht erhalten habe.

Auf der anderen Seite bezeichnet die Regierungspartei ihre Gegner als Landesverräter: Die Opposition würde aus dem Ausland bezahlt; sie wolle Albanisch als zweite Amtssprache im ganzen Land einführen und Mazedonien föderalisieren.Rund ein Drittel mazedonischer Bürger sind Albaner. Nach dem Ende der bewaffneten ethnischen Konflikte vor 15 Jahren beteiligen sich albanische Parteien in der mazedonischen Regierung. Der bisherige Koalitionspartner der VMRO-DPMNE, die Demokratische Union für Integration (DUI), ist nach wie vor die stärkste albanische Partei.

Für Überraschung sorgte jedoch die neu gegründete albanische Partei Besa, die sich im albanischen Parteienkorpus gleich hinter der DUI platzierte. Die Anführer der Besa werfen etablierten albanischen Parteiführern vor, sich nur nach ihren persönlichen Interessen zu richten. Die serbische Tageszeitung Politikaschrieb, Besa sei enger an den Islam gebunden und genieße die Unterstützung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan.

Wie weiter? Das bleibt am Montag unklar.

Meinung

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