Ein Jahr UN-Flüchtlingspakt: Eine riskante Entwicklung
Die finanziellen Lücken, die für viele Millionen Menschen ein Leben in Elend bedeuten, vermag der UN-Flüchtlingspakt nicht zu schließen.
N ur Ungarn und die USA stimmten dagegen, und das sagt schon einiges aus. Sonst hatten vor fast genau einem Jahr alle Staaten den UN-Flüchtlingspakt angenommen. Der soll dabei helfen, jene zu entlasten, die das Gros der Flüchtlinge auf der Welt beherbergen: arme Entwicklungsländer.
Doch in den großen Flüchtlingskrisen der Welt ist die Lage weiter düster: Für die Versorgung der Vertriebenen in Bangladesch und Syrien fehlen dem UN-Flüchtlingswerk derzeit rund 40 Prozent der benötigten Summe, in Südsudan 66 Prozent, im Kongo gar 91 Prozent. Und dabei kalkuliert das Flüchtlingswerk mit nicht einmal 100 Dollar pro Person – im Jahr. Diese Lücken, die für viele Millionen Menschen ein Leben in Elend bedeuten, vermochte der Pakt nicht zu schließen. Sie sind etwa genauso groß wie noch vor einem Jahr.
Die andere Entlastungsstrategie, die der Pakt vorsieht, ist die Umsiedlung. Wenigstens ein Teil der Flüchtlinge sollen aus den Lagern im globalen Süden herausgeholt werden. Im Jahr 2018 nahmen 25 Länder 92.400 Flüchtlinge über das sogenannte Resettlement auf – und seither wurden es noch weniger. Dabei schätzt das UNHCR, dass weltweit über 1,44 Millionen besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge einen Aufnahmeplatz brauchen.
Die UN loben die Bundesregierung: Was Zahlungsbereitschaft und Integration Aufgenommener angehe, könnten sich viele Staaten von Deutschland eine Scheibe abschneiden, heißt es. Dieses Loblied auf das Resettlement verstellt allerdings den Blick auf eine riskante Entwicklung. Denn vielen Regierungen in Europa wäre es lieber, wenn Flüchtlingsschutz nur noch als freiwillige Aufnahme und nicht länger als individuelles Recht gehandhabt wird.
Und wer sich mit einer Handvoll freiwilliger Aufnahmeplätze hervortut, kann damit rechtfertigen, die individuellen Zugänge zum Flüchtlingsschutz zu blockieren. Zu beobachten ist diese Argumentation in der EU schon eine Weile. Das ist nicht die Schuld des Flüchtlingspaktes, dürfte aber seine Folge sein. Und dann schrumpft das Asylrecht zur Gnade.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Verbotskultur auf Social Media
Jugendschutz ohne Jugend
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“