Ein Jahr U-Haft: Fortgesetzter Albtraum
Der spanisch-russische Journalist Pablo González ist weiter in Haft. Die polnische Justiz beschuldigt ihn der Spionage, mauert aber bei Beweisen.
Der Albtraum nimmt kein Ende. Der spanische Journalist Pablo González muss knapp ein Jahr nach seiner Verhaftung am 28. Februar 2022 mindestens bis zum 24. Mai in polnischer Untersuchungshaft bleiben. Das wurde am vergangenen Freitag (17. 2. 23) bekannt. Ein Schriftsatz mit einer Begründung für diese vierte Verlängerung der U-Haft liegt noch nicht vor.
Nur so viel ist klar: Die polnische Justiz beschuldigt González weiterhin, für den russischen Geheimdienst spioniert zu haben. Er arbeitete zum Zeitpunkt seiner Verhaftung an der polnisch-ukrainischen Grenze und berichtete von dort unter anderem für den spanischen TV-Sender La Sexta, die Online-Zeitung Público, das baskische Blatt Gara sowie für die Deutsche Welle und lateinamerikanische Medien über die Ankunft der ukrainischen Flüchtlinge nach dem Einmarsch der Russen.
„Wir wissen nicht, auf was sich die polnische Justiz bei ihren Anschuldigungen stützt“, sagt González’ Ehefrau, Oihana Goiriena. Bis heute liegt keine Anklageschrift vor. Nur eines ist seit seiner Verhaftung bekannt: Den polnischen Ermittler kommt es verdächtig vor, dass González einen russischen Pass mit dem Namen Pavel Rubtsov bei sich trug. Die Erklärung dafür ist aber recht simpel. Pablo González wurde 1982 in Moskau geboren und hat sowohl die russische als auch die spanische Staatsangehörigkeit. Seine Mutter ist die Tochter eines sogenannten „Kriegskindes“ aus Spanien. Diese Kinder wurden im Spanischen Bürgerkrieg von den Verteidigern der Republik gegen den faschistischen Putsch unter dem späteren Diktator General Francisco Franco in die Sowjetunion geschickt, um sie in Sicherheit zu bringen. Als die Sowjetunion zusammenbrach, kamen viele Kriegskinder und deren Nachfahren nach Spanien zurück. So auch Pavels Mutter. Als sie den Sohn Pavel auf dem spanischen Standesamt eintragen ließ, wurde aus ihm kurzerhand Pablo González – mit dem Nachnamen der Mutter.
González berichtete bereits seit der russischen Besatzung der Insel Krim über den Konflikt zwischen Moskau und Kiew. Er reiste immer wieder in den Donbass, den Russland jetzt ebenfalls offiziell annektiert hat und arbeitete auf beiden Seiten der Frontlinien. Am 4. Februar wurde er von der ukrainischen Polizei festgenommen und verhört. Erstmals stand der Verdacht der Spionage für Russland im Raum. Kurz nach seiner Freilassung berichtete er dann von der polnisch-ukrainischen Grenze bis zu seiner Inhaftierung am 28. Februar, vier Tage nach dem Einmarsch der Russen in der Ukraine.
Besser als erwartet
Jetzt hat Polen in Spanien die Unterlagen über die Nationalitäten von González beantragt. „Dabei legten wir all das bereits vor einem Jahr vor“, erklärt sein spanischer Anwalt Gonzalo Boye. Er darf bis heute seinen Mandanten in der Haftanstalt Radom – eineinhalb Autostunden südlich der Hauptstadt Warschau – nicht besuchen, obwohl er bereits vor knapp einem Jahr alle notwendigen Dokumente einreichte.
Auch Goiriena hat lange gebraucht, bis sie ihren Mann sehen durfte. „Am 21. November durfte ich ihn dann besuchen, für zwei Stunden und unter Aufsicht einer Beamtin des polnischen Geheimdienstes“, berichtet die Frau aus dem Baskenland. „Aus seinen Briefen wusste ich, dass er um die 20 Kilo verloren hatte und dass er 23 Stunden am Tag allein in seiner Zelle verbringen muss und nur eine Stunde isoliert Hofgang hat. Tatsächlich fand ich ihn besser vor, als ich erwartet hatte. Er sah gesund und mental stark aus“, berichtet Goiriena. Über den Fall durften sie nicht reden. Sie hofft, dass sie bald wieder reisen darf und dann die drei Söhne mitnehmen kann.
Goiriena beschwert sich über die spanische Regierung: „Niemand aus dem Außenministerium hat sich in all den Monaten mit uns in Verbindung gesetzt.“ Nur der spanische Konsul in Polen habe ihren Mann besucht. Aber ein Konsul habe keine Möglichkeiten, politischen Druck auszuüben. Und das sei nötig, „damit Polen endlich auf den Tisch legt, warum sie Pablo wie einen Schwerverbrecher behandeln“, sagt Goiriena.
„Pablo González ist ein Journalist aus einem Mitgliedsland der EU, der in einem anderen EU-Land inhaftiert ist. Bei Reporter ohne Grenzen haben wir so was noch nicht gesehen“, beschwert sich auch Edith Rodríguez. Für die stellvertretende Vorsitzende der spanischen Sektion ist der Fall „von Anfang an völlig undurchsichtig“. Man habe sich an die polnischen Behörden gewandt und fordert die Einhaltung der Unschuldsvermutung und die sofortige Freilassung von González.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen