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Ein Jahr Corona-Warn-AppKeine große Liebe

Vor einem Jahr ging die Corona-Warn-App an den Start. Ein wirklicher Erfolg wurde sie nie. Auch weil es andere Konkurrenten gab.

Seit einem Jahr begleitet uns nun die Corona-Warn-App schon Foto: Oliver Mueller/imago

M ehr als eine Saison wollte wahrscheinlich niemand mit der Corona-Warn-App erleben, vergangene Woche hieß es aber: Happy Birthday! „Die App herunterzuladen und zu nutzen, das ist ein kleiner Schritt für jeden von uns, aber ein großer Schritt für die Pandemiebekämpfung“, sagte Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) vor einem Jahr. Gut, dass war wohl etwas zu euphorisch, aber am Anfang einer Beziehung tragen wir alle die rosarote Brille. Dabei könnten wir immer noch schwer verliebt sein, wir müssten der App nur ein, zwei Dinge verzeihen. Wie in den meisten Beziehungen eben auch.

Seit dem 16. Juni 2020 erfasst die offizielle Corona-Warn-App des Bundes mithilfe von Bluetooth-Signalen, welche Smartphones einander nahe gekommen sind und benachrichtigt die Anwender dann über riskante Begegnungen.

Die App arbeitet im Hintergrund, verbraucht kaum Akkuleistung und verwendet keine persönlichen Daten. Per Download gibt es sie in den Stores von Apple und Google, seit vergangenem Dezember ist auch eine inoffizielle Version („Corona Contact Tracing Germany (CCTG)“) verfügbar, die auch auf Android-Smartphones läuft. Im September 2020 hatte das Robert-Koch-Institut (RKI) über 18 Millionen Downloads in den Stores von Google und Apple registriert. Danach flachte die Kurve deutlich ab. Zuletzt verzeichnete das RKI 28,3 Millionen Downloads.

So weit, so gut. Doch die große Liebe wollte sich nie so richtig einstellen. Erst wurde die App angekündigt und kam nicht, dann wollte sich niemand so richtig trauen, Datenschutz und so, dann wurde aufgerüstet, und dann fand sie der neue Pandemie-Liebling der Deutschen doof: „Die App ist leider bisher ein zahnloser Tiger. Sie hat kaum eine warnende Wirkung“, meinte Markus Söder in einem Interview. Gut, die AfD fand sie schon zu Beginn scheiße, was eigentlich Grund genug gewesen wäre, die App direkt mit 5 Punkten zu bewerten. Aber irgendwie war die Luft dann raus. Und dann kam auch noch Luca. Und jetzt?

Strategie für Malle

Urplötzlich verliebte sich also ein Land in Luca, warf seine Datenschutz-Sorgen über Bord und freute sich auf eine wilde Sommerromanze. Tja, Timing ist eben alles. Da stand nun Luca, mit all seinen schönen QR-Codes, ganz ohne Zettel und Stift. Nun hat die Corona-App mittlerweile nachgezogen, so richtig interessieren tut das aber niemanden. Überall hängen längst die schönen QR-Codes von Luca. Der digitale Impfausweis könnte nun also den Unterschied machen.

Und ja, es hätte so schön werden können. Nun sind die Deutschen aber clever, wenn Malle ruft, dann muss eben der gute alte Candy-Crush-Trick ausgepackt werden. Wer seine Zeit nach der zweiten Impfung schon am Flughafen auf heißen Kohlen absitzt, der ändere einfach das Datum auf seinem Handy. Und schwupp gibt es keine neuen Candy-Crush-Leben, dafür aber einen eins-a-gültigen Impfnachweis in der Corona-Warn-App. Vielleicht klappt’s ja mit dem Happy End zum zweiten Geburtstag.

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Malaika Rivuzumwami
Redakteurin taz zwei
Jahrgang 1994 | bei der taz seit 2016 | früher auf Deutschlandreise für taz.meinland & Editorial SEO für die taz | seit 2019 Redakteurin für Gesellschaft und Medien | spricht mit im Podcast Weißabgleich und schreibt die Kolumne Digital Naives | Interessiert sich für Datenpolitik, Fake News & Social Bots.
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1 Kommentar

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  • Diese App war eigentlich der einzige Lichtblick in dieser ganzen Corona-Geschichte: Wasserdicht abgeklopft auf Datenschutzprobleme, anonymisiert genau zugeschnitten auf das eigentliche Problem, sogar Open Source trotz Programmierung durch SAP und Telekom -- vorbildlich.

    Was fehlte, war Nützlichkeit über den eigentlichen Zweck hinaus. Ich hätte mir gewünscht, dass die App DIE Informationsquelle zu aktuellen, gut ausgewerteten und dargestellten Daten zum Verlauft der Epidemie gewesen wäre, und auch DIE Informationsquelle zu lokalen Bestimmungen. Das hätte sie neben der eigentlichen Funktion auch im Alltag zum zentralen Informations-Angelpunkt machen können und damit auch viel attraktiver werden lassen.

    So dagegen was das nur was für die Minderheit der Altruisten. Da wäre so sehr viel mehr drin gewesen. Warum kann man darüber keine Impftermine ausmachen? Oder Termine für Tests? Das wäre eine Basis gewesen.

    Stattdessen musste ich unzähligen Privatanbietern meine Daten in den Rachen werfen: Mindestens vier verschiedenen Systemen für Testtermine und -Ergebnisse, Doctolib für Arzttermine, der Kassenärztlichen Vereinigung für die Registrierung beim Impfzentrum, Luca und gefühlten zwanzig selbstgebastelten Systemen zur Kontaktdatenerfassung (eines davon mit Google Forms und Google Docs mit für jeden allgemein zugänglichen Daten!)...

    Datenschutz ist hier noch eine Ausrede für "wollen wir nicht, können wir nicht, wir sind zu doof, ähh... GEHT NICHT WEGEN DATENSCHUTZ!!!". Der Staat will und kann nicht, deshalb dürfen alle anderen mal ran und es vermurksen.

    Himmel!