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Ein Haushälter am StrandFerien sind die eigentliche Arbeit

Im Urlaub gibt es weder Kinderbetreuung noch Spülmaschinen. Um Entspannung zu gewährleisten, helfen Bücher und Wein.

Am Meer die Seele baumeln lassen und ein gutes Buch lesen Foto: Hartphoto/imago

I n der Welt der Angestellten, der ich mich mit tiefster Befriedigung zurechnen darf, hat der Sommerurlaub eine besondere Bedeutung. Natürlich gibt es auch die Feiertagsmonate samt Brückentage, die zu ausgefuchsten Berechnungen Anlass geben, aber die großen Sommerferien besetzen schon den ersten Platz bei den Erwartungen auf Erholung und jene Abenteuer, die der Job nicht bietet.

Von einem Haushaltsstandpunkt aus betrachtet, stellt sich die Sache anders dar. Da sind die Sommerferien die Zeit ohne Kleinkindbetreuung, in Appartements ohne Spülmaschine und mit Küchengeräten, die nie am richtigen Platz liegen, soweit sie überhaupt vorhanden sind. Ferien, könnte ich sagen, sind die eigentliche Arbeit, für die man sich das Jahr über im Job erholen muss.

Die Fremdenverkehrsbranche ist mir dabei vertraut, ich habe zehn Jahre als Reiseleiter für ein Unternehmen im Sektor hochwertige Familienreisen gearbeitet. Einer meiner Tricks war, den in den 1990er Jahren zumeist noch von ihren Frauen geschickten Familienvätern – heute ist das natürlich völlig anders – auf die Beschwerden über die mangelnde Ausstattung ihrer Appartements Carte blanche zu erteilen: „Fahrt in den nächsten Ipermercato, kauft, was fehlt, gebt mir die Quittung, wir erstatten das.“ Gerührt ob solch vermeintlicher Großzügigkeit, verständigten die Familien sich dann fast immer, dass sie zwei Wochen ohne Mehlsieb auskommen konnten.

Als bei einem Stromausfall der Besitzer der Ferienanlage partout nicht zu erreichen war, meldete sich ein Gast und sagte: „Mensch, ich bin doch Leiter der Stadtwerke von S.“ – immerhin eine Landeshauptstadt – „und von Haus aus Elektriker!“ Mit Taschenlampen ausgestattet machten wir uns auf die Suche nach dem Fehler, bald strahlte wieder alles – insbesondere der so hilfreiche Gast. Wenn er noch zur Schule gegangen wäre, hätte er unsere Aktion bestimmt als Thema für den obligatorischen Aufsatz „Mein schönstes Urlaubserlebnis“ gewählt.

Am besten nichts erleben

Ich will nichts erleben im Urlaub. Ich will mittags ein Glas Wein trinken – und lesen. Und da eine Haushaltskolumne ja auch irgendwann ein paar Tipps liefern muss, hier in aller Kürze meine Empfehlungen für die Strandlektüre. „Die Menschen sind bereit für ihre Reisen zu leiden“: Solche wahren Sätze und feine Reminiszenzen an die Welt der Grand Hotels finden sich in Marion Löhndorfs sehr hübschem Büchlein „Leben im Hotel“ (zu Klampen).

Mechtilde Lichnowskys gerade bei Wallstein neu aufgelegter Klassiker „Der Kampf mit dem Fachmann“ ist ein unentbehrliches Vademecum, falls unglücklicherweise doch Handwerker ins Feriendomizil kommen und aber halt auch wieder gehen sollen.

Das Interesse an „Österreicher bist du erst in Jesolo“ von Gerald Heidegger (bahoe books) ist, zugegeben, meiner teilkakanischen Herkunft geschuldet – aber wenn die große Erzählung der Protestanten, sie stünden historisch für alles was gut und fortschrittlich sei in deutschsprachigen Landen, Sie schon immer genervt hat, dann werden Sie hier glänzend-katholisch bedient.

Und dann natürlich – ein Krimi: In „Wage es nur“ von Megan Abbott, bei Pulp Master erschienen, dreht sich scheinbar alles ums Cheerleading. Und ich sage mal schlicht, kein Buch hat mich in diesem Jahr mehr gepackt. „Wenn du in den Abgrund schaust, Addy, dann schaut der Abgrund auch in dich hinein.“ Nehmen Sie das doch mit auf Ihre Gratwanderungen und Tauchausflüge – Schönen Urlaub!

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.
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5 Kommentare

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  • Wenn Kinder miteinander spielen, müssen sie gar nicht beaufsichtigt und auch nicht bespaßt werden.



    Diese zeitweilige Überflüssigkeit müssen Väter und Mütter ohnehin schon mal lernen.



    PS: Dass auch mit Stuttgart und Schwerin gleich zwei Landeshauptstädte mit S beginnen! Ich würde aber mal auf Schwerin tippen.

    • @Janix:

      …anschließe mich & das mit Arbeit/Kids



      Hab ich zum genderneutral-kläglichen Geblubber in der taz noch nie verstanden - bei zwei Runden Kids & 2 höchst unterschiedlichen Scheidungen.



      (ps & nicht zuende aber irgendwann hab ich aber gesagt - ich steh bi lütten nicht mehr nachts auf & geb die Flasche!)



      & nochens -



      Schon de Ol *03 sagte gern: “ Das war schon toll - du kamst nach Hause mit vollem Hals & du kamst angestiefelt mit breitem Lachen - noch sonn Mund 👄 und der Kopp wär ab - unter deinem strohblonden Schopf! Der war der Tag gerettet!“



      Nee. Eltern sind nicht überflüssig - wennse klug sind die Kids zu lassen.



      “Bin ich froh - daß du mich immer an der langen Leine hast machen lassen!



      Die meisten meiner Kommilitonen kriegen ihre Sachen schlicht nicht gebacken!“ der Jüngste 🏛️

      Fin des 🎡🎠 de vanité •

    • Ambros Waibel , Autor des Artikels, taz2-Redakteur
      @Janix:

      Danke für den Kommentar - und genau: Mein Chef bei den Familienreisen hat auch immer gesagt, er versteht nicht, warum er Erfolg hat - im Urlaub hat er endlich mal Zeit für seine Kinder. Und vergessen Sie nicht Saarbrücken! Herzlich aw

      • @Ambros Waibel:

        Oh, in der Tat. Danke.

  • Ach was! ©️ Vagel Bülow 💯💯💯

    Er nu wieder. Der Haushälter - auch mal Mbg/Lahn



    “Ich will nichts erleben im Urlaub. Ich will mittags ein Glas Wein trinken – und lesen.“



    Echt mittags - an der plage von Les Saintes-Maries-de-la-Mer?*



    Na besser nich. Nach Hai-Angst in Sibenik!



    Lieber quer zur plage lockeres Kraulen Kraulen & Kraulen & zurück!



    Oder laufen - nach leichtem Schreck über ne Muräne - Fins in der Hand!;))



    Dem belgischen Ehepaar - Sie Yoga 🧘 die große Nummer - er Querschwimmer too!



    (Habe einschl Zermatt/Le Louch - kein Lokal erlebt - du konntest drauf wetten -



    Er kam im Küchendampf schmunzelnd mit einer spezialité heraus!



    Die kids waren zu meinem Gitarrenzupfen kinderbetreut und sich am ömmeln!



    Alles nackt klar! Und fins mit Kinderbetreuung wo immer es war: Ablandiger Wind Vater mit 🪞 abseits & ein herrlich durchsichtig-grünliches Werbekissen CHANEL - machte sich davon! Tochter elegant ins Wasser “hol ich mir“!



    Nun wie die Hälse bei Busch lang und länger - das Publikum bäng und bänger:



    Da muß doch jemand …! Alles auf französisch & Vater & die fins & zack “na war knapp!“



    “Hm!“ aber CHANEL fest umklammert!;))



    Na & von Madame Grenouille & ihrer Wohnung im Ort & Küche……;)