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„Ein Bild der Geschlossenheit“

In einem Brief an die Basis findet der Bundesvorstand der Bündnisgrünen den Schuldigen für das Scheitern seines Bosnienantrags und provoziert prompt den Widerspruch seiner Sprecherin Röstel und einiger Realos  ■ Von Dieter Rulff

Berlin (taz) – Seit sie auf ihrem Parteitag den Fünf-Mark-Benzinpreis beschlossen haben, hadern die Grünen mit ihrem öffentlichen Profil. Da mag es beruhigend wirken, daß jetzt der Bundesvorstand einen Brief an die Basis verfaßt hat, in welchem er die Partei dagegen verwahrt, daß „uns nach dem Parteitag Zerstrittenheit angedichtet wird“. Dafür gebe es keine inhaltliche Grundlage. So weit, so aufbauend, wenn nicht der Brief auch den Hintergrund des Bosnien-Beschlusses beschreiben würde, der nach Ansicht des Bundesvorstandes „Aufhänger für das Bild der Zerstrittenheit“ ist. Und wenn nicht der Brief selbst geeignet ist, dieses Bild der Zerstrittenheit auszumalen.

Denn der Schrieb wurde zwar am Dienstag vom Bundesvorstand beschlossen, die Sprecherin Gunda Röstel ließ gestern jedoch ausdrücklich erklären, daß sie ihn nicht mittrage.

In dem Brief wird dem Landesverband Baden-Württemberg die Schuld am Scheitern des Kompromißantrags zum Bosnieneinsatz zugeschrieben – eine Interpretation, die nicht nur Röstel ablehnt. Auch der dortige Landesvorstandssprecher Reinhard Bütikofer erkennt darin einen „untauglichen Versuch der innerparteilichen Sündenbocksuche“.

Der Sündenfall, das ist das knappe Scheitern des Antrags des Bundesvorstands auf dem Parteitag, in dem der Bosnieneinsatz als „Ausnahmefall“ von der generellen Ablehnung friedenserzwingender Maßnahmen akzeptiert wird. Über diese Formulierung hatte es im Vorfeld des Parteitages mehrere Abstimmungsgespräche zwischen dem realpolitisch orientierten Bütikofer und dem linken Vorstandsmitglied Fritjof Schmidt gegeben.

Auch im nachhinein verwahrt sich Bütikofer gegen den Eindruck, ein ursprünglicher Antrag von ihm habe „die Tür zu einer fallweisen Friedenserzwingung öffnen“ wollen. Eine Befürchtung, die der Bundesvorstand in seinem Brief äußert, die er jedoch anscheinend ausgeräumt sah, als er sich einen Tag vor dem Parteitag mit Bütikofer auf eine Kompromißformulierung verständigte, in der dem Bosnieneinsatz friedenserhaltende Qualitäten zugesprochen wurden und, wie gesagt, von einem „Ausnahmefall“ und nicht wie zuvor bei Bütikofer von einem „Grenzfall“ geredet wurde.

Während führende Realos bereits auf dem Parteitag Trittin wesentliche Schuld an diesem „Managementfehler“ gegeben hatten, erkennt der Brief in Bütikofers Auftreten einen Grund für das Scheitern des Antrages. Ihm wurde nachgesagt, daß er die Akzeptanz für friedenserzwingende Maßnahmen erhöhen wolle. Um genau diesem Eindruck „eines durchgeknallten Militaristen“ entgegenzutreten, so ereifert sich Bütikofer noch im nachhinein, habe er vor den Delegierten sprechen wollen.

So unklar solchermaßen das Scheitern des Antrages im Lichte der nachträglichen Betrachtung erscheint, so unklar sind auch die Konsequenzen. Die siegreichen Pazifisten hegen die Erwartung, daß die Fraktion gegen den Bosnieneinsatz stimmt. Fraktionschef Joschka Fischer hingegen beruft sich auf eine zu fällende Gewissensentscheidung. Und Trittin erklärte gestern gegenüber der taz, daß die Abtimmung „unter Wahrung der Einheit der Fraktion und Respektierung der Beschlüsse der Partei“ erfolgen solle. Was das heißt, ließ er offen. Statt Briefe zu schreiben, in denen ihm die Schuld gegeben werde, findet Bütikofer, solle sich der Bundesvorstand doch lieber seiner Führungsverantwortung stellen und sagen, wie es weitergeht. „Der Vorstand legt Wert darauf, die Dinge darzustellen, wie sie sind, weil eine Reihe von Falschinformationen gestreut wurden“, hält Trittin dagegen.

Wie heißt es doch im Vorstandsbrief: „Gerade vor dem Hintergrund des öffentlich erzeugten Eindrucks sollte uns allen daran gelegen sein, (...) ein Bild der Geschlossenheit in Reden und Handeln abzugeben.“

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