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Eilbeschluss des VerfassungsgerichtsTestlauf für Zensus 21 geht weiter

Bürgerrechtler wollten die nicht-anonymisierte Übermittlung aller Bürgerdaten stoppen. Damit sind sie gescheitert – zumindest vorerst.

Ihre Daten, bitte: Beim Zensus 21 werden unter anderem Angaben zum Familienstand gesammelt Foto: dpa

Karlsruhe taz | Das Bundesverfassungsgericht hat einen Eilbeschluss gegen den Testlauf zur nächsten Volkszählung abgelehnt. Die nicht-anonymisierte Übermittlung der Daten aller Bürger müsse im Hauptsacheverfahren gründlich geprüft werden.

Die nächste Volkszählung wird 2021 stattfinden. wie schon beim Vorgänger 2011 beruht sie vor allem auf der Auswertung staatlicher Register. Als Testlauf übermitteln deshalb Melde- und Statistikämter seit dem 14. Januar die Daten aller Bürger ans Statistische Bundesamt. Es geht unter anderem um Name, Anschrift, Religion, Ehe und Lebenspartnerschaft sowie (bei Ausländern) um das Herkunftsland.

Fünf Aktivisten wollten diesen Testlauf stoppen. Mit Unterstützung des „Arbeitskreis Zensus“ und der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) beantragten sie im Januar eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts. Um die Übertragungswege zu testen, hätte die Übermittlung der Daten in anonymisierter Form genügt, argumentieren sie. Daten über sexuelle Orientierung oder religiöses Bekenntnis beträfen den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung. Der nicht-anonymisierte Probelauf sei daher unverhältnismäßig.

Eine mit drei Richtern besetzte Kammer des Bundesverfassungsgerichts lehnte jetzt aber den Antrag auf einen sofortigen Stopp des Probelaufs ab. Eine Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz wäre zwar nicht offensichtlich unbegründet, denn es handele sich um einen „erheblichen Grundrechtseingriff“. Ob dieser gerechtfertigt ist, könne aber nicht „in der für das Eilverfahren gebotenen Kürze“ geklärt werden.

Kurzes Verfahren

Die Richter führten deshalb nur die in Eilverfahren übliche „Folgenabwägung“ durch. Danach mussten die Grundrechte zurücktreten, denn mit der bloßen Speicherung der Daten beim Statistischen Bundesamt sei noch kein Einschüchterungseffekt verbunden. Ein Abruf der Daten durch andere Behörden sei jedoch im Zensus-Vorbereitungsgesetz ausdrücklich verboten.

Auf der anderen Seite hielten die Richter die Auskunft des Innenministeriums für plausibel, dass nur anhand von realen Namen geprüft werden könne, wie das System mit komplizierten Schreibweisen und Namensdopplungen zurecht komme.

Die fünf Aktivisten werden nun Verfassungsbeschwerde einlegen und hoffen auf eine baldige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. „Immerhin bleibt diese unnötige Zentraldatei aller Menschen in Deutschland zwei Jahre lang gespeichert“, argumentiert der GFF-Generalsekretär Malte Spitz, einer der Kläger. (Az.: 1 BvQ 4/19)

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4 Kommentare

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  • Schon seltsam: Um Die Erkennung von Namensschreibweisen zu testen, werden gleich zusätzliche private Daten mitabgerufen und das dann für (mindestens) zwei Jahre aufbewahrt?

    Also solange, bis dann die Volkszählung die aktuellen Daten erbringt.

    Klingt unglaubwürdig.













  • Ich finde die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 06. Februar 2019 - 1 BvQ 4/19 - www.bundesverfassu...06_1bvq000419.html - etwas abenteuerlich.

    Es argumentiert, dass allein die Bevorratung mit den Daten hinzunehmen ist, dass erst das Abrufen und Verwenden der Daten durch andere Behörden bedenklich wäre, dass das Gesetz dies aber nicht zulasse.

    Eine solche Argumentation könnte vielleicht überzeugen, wenn das Bundesverfassungsgericht noch nie feststellen hat müssen, dass der Staat, als er Gesetze geändert hat, verfassungswidrig handelte.

    Aber immer wieder musste das Bundesverfassungsgericht feststellen, dass der Staat in seiner Datensammlungs und -auswertung zu weit gegangen ist.

    Erst kürzlich stellte es fest, dass der automatische Abgleich von Nummernschildern in Teilen verfassungswidrig war.

    Es mag ja richtig sein, dass § 9a ZensVorbG 2021 in seiner gegenwärtigen Fassung einen Zugriff auf die beim Statistischen Bundesamt bevorrateten Daten durch andere Behörden verbietet.

    Aber was ist, wenn das Gesetz geändert wird?

    Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zeigt, dass das ganz schnell - und unbemerkt von der Öffentlichkeit - gehen kann und dass es dann Jahre dauern kann, bis das Bundesverfassungsgericht endlich reagiert.

    Wenn man weiß, dass das Bundesverfassungsgericht NICHT Hüter der Verfassung ist, dass es die Anforderungen an Verfassungsbeschwerden und Richtervorlagen so hoch gesetzt hat, dass selbst Juristen, Richter und Rechtsprofessoren an ihnen regelmäßig scheitern, dann weiß man auch, dass vom Bundesverfassungsgericht, sollten Behörden durch eine Gesetzesänderung durch plötzlich Zugriff auf den angelegten Datenvorrat erhalten, keine Hilfe zu erwarten ist.

    Insofern sehe ich schon in der Datenbevorratung einen Einschüchterungseffekt.











    • @Michael Laube:

      Man sollte schon die Kirche im Dorf lassen.

      Noch sind die Gesetze nicht geändert und die interessanten Daten kommen ja erst 2021.



      Wenn man dem Staat grundsätzlich mangelnde Legalität unterstellt, frage ich mich ,was der Staat dann noch dürfen soll.

      Bei Bedarf kommen die Polizeibehörden ohnehin an alle Meldedaten ran.

      • @Sonntagssegler:

        Und dass auch Polizisten diese Daten unbefugt abrufen, durfte gerade die NSU-Anwältin Seda Başay-Yıldız erleben. Von daher ist ein gewisses Misstrauen durchaus angebracht, "der Staat" besteht letztlich auch nur aus Menschen.

        Man sollte Datensammlungen auf ein Minimum beschränken, um gar nicht erst die Möglichkeit für Missbrauch zu schaffen - egal ob durch Einzelne oder durch verfassungswidrige Gesetze (die jahrelang erstmal angewendet werden).