Eigener Haushalt für die Eurozone: Eurobudget wird abmoderiert
Deutsch-französisches Projekt stößt auf Widerstand der Konservativen in Den Haag, Rom, Wien und Berlin. Der vorgelegte Entwurf bleibt vage.
„Der Bedarf für ein solches Budget ist weniger als überzeugend“, sagte der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra von der christlich-demokratischen CDA. „Wenn es nicht im Interesse der Niederländer ist, dann sind wir draußen.“ Auch sein österreichischer Amtskollege Hartwig Löger von der konservativen ÖVP hat Vorbehalte: Der Plan sei ein „Papier, das uns noch nicht alles sagt“. „Falls der Vorschlag – wie es derzeit scheint – Italien schadet, wird er nie unsere Unterstützung finden“, sagte Italiens Vize-Regierungschef Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega Nord. Aus Deutschland kam Kritik vom einflussreichen CDU-Wirtschaftsrat: „Vor dem Hintergrund des sich zuspitzenden Haushaltsstreits mit Italien“ sei der „Vorschlag für ein Eurozonen-Budget das falsche Signal zur falschen Zeit“.
Tatsächlich ist der Entwurf, den Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire am Freitag publik gemacht hatten, überaus vage. Er enthält keine Angaben zur Höhe des geplanten Budgets und auch keine Finanzierung. Damit fällt er weit hinter die ursprüngliche Idee von Macron zurück.
Im September 2017 hatte der französische Präsident einen eigenständigen Haushalt vorgeschlagen, der mehrere Prozentpunkte der Wirtschaftsleistung umfassen sollte – also mindestens einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag. Das Budget solle Investitionen fördern und zur Stabilisierung beitragen, so Macron.
Davon findet sich fast nichts im deutsch-französischen Kompromisspapier wieder. Das Budget soll nun nicht mehr eigenständig sein, sondern in den regulären EU-Haushalt integriert werden. Genau das hatte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) vor einem Jahr vorgeschlagen. Er wollte dafür 20 Milliarden Euro lockermachen – für den Fall einer Krise wenig.
Zudem sind die Beratungen über Oettingers Entwurf, der sich auf die Zeit nach 2021 bezieht, ins Stocken geraten. In Brüssel geht man davon aus, dass es vor der Europawahl im Mai 2019 keine Einigung mehr geben wird. So lange muss dann auch das Eurobudget warten, wenn es tatsächlich im nächsten Finanzrahmen der EU verankert werden soll.
Ein weiteres Problem ist, dass Finanzhilfen im geplanten Eurobudget an die Einhaltung der Stabilitätsregeln gebunden sind. In der Praxis bedeutet das, dass derzeit weder Italien noch Frankreich Geld erhalten könnten – denn deren Schulden sind zu hoch. Selbst Deutschland hätte Mühe, da der Schuldenstand leicht über der erlaubten EU-Schwelle von 60 Prozent liegt.
Der Entwurf könne „ein Durchbruch“ sein, sagte Eurogruppen-Chef Mario Centeno trotz aller Kritik. Beim EU-Gipfel im Dezember sollten die Staats- und Regierungschefs ein großes Reformpaket beraten, um Europa künftig besser vor Krisen zu wappnen. Ob die deutsch-französischen Plänen den Gipfel überstehen, scheint fraglich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren