Ehezerrüttung als Theaterstück: Auf dem Ledersofa ist Endstation
In „Ex“ an der Berliner Schaubühne, Regie von Marius von Mayenburg, wird der Frust eines Paares zum minimalistischen Rollenspiel ausgeschlachtet.
Beruhigend sei es, jetzt auf ein Paar zu treffen, das als Positivbeispiel herhalten kann, sagt eine Frauenstimme beim Verlassen des Theatersaals. Eine halbe Drehung braucht es, um zu erkennen, an wen sich die Stimme richtet: Adressiert werden eine ältere Frau und ihr Begleiter, der Stimme zufolge wohl ein Ehepaar. Die Inhaberin der Stimme scheint eine Bekannte zu sein, vielleicht sogar eine Freundin des Paares. Alle drei waren sie Teil des Publikums in der Premiere von „Ex“ an der Berliner Schaubühne.
Dort ging es hoch her, auch wenn alles gemäßigt begann: Daniel kommt von der Arbeit, streift sich das Sakko und die Chelseas ab, schlüpft in Wollsocken und einen fusseligen braunen Flauschpullover, während er seine Frau fragt, ob sie gekocht habe. Immerhin, die Lasagne wärmt er sich selbst auf, auch wenn Sibylle kurz davor ist, die Doku über eine französische Ärztin, die sie auf ihrem Laptop schaut, zu unterbrechen und von der ledernen Couchgarnitur aufzuspringen, um es ihm abzunehmen.
Die Rollenverteilung bei Marius von Mayenburg (Autor und Regisseur) scheint klar verteilt: Sibylle – Marie Burchard geht auf in der äußerst konfrontativ angelegten Rolle – hat sich für Kinder und dementsprechend gegen eine Karriere als Oberärztin entschieden.
Träume an den Nagel gehängt
Ihre Frustration darüber scheint in ihrer Affinität fürs Weintrinken und den bissigen Kommentaren zum „hündischen Verhalten“ ihres Mannes durch. Der, gespielt vom unlängst an die Schaubühne zurückgekehrten Sebastian Schwarz, hat seine Architektenträume auch längst an den Nagel gehängt, konzipiert nur noch Notausgänge für Parkhäuser und sehnt sich zurück nach einem Leben, in dem noch alles möglich schien.
Der verbale Schlagabtausch zwischen dem Paar, dem man schon ab den ersten Minuten ausgesetzt ist, unterhält das sich überwiegend in der zweiten Lebenshälfte befindende Charlottenburger Publikum hörbar.
Da lacht ein Ex-Bürgermeister im Publikum lauthals, eine ältere Dame zwei Reihen davor wirft enthusiastisch den Kopf in den Nacken, während sich zwei Schauspielgrößen über die anderen Zusehenden hinweg schmunzelnd zunicken. Es ist Unterhaltungstheater im klassischen Sinne, was von Mayenburg hier auf die karge Bühne (Bühnenbild und Kostüme: Nina Wetzel) bringt. Fair enough.
Gegenseitige Missachtung
Die passive Aggressivität, mit der sich das Paar die gegenseitige Missachtung um die Ohren wirft und die irgendwann sogar in aktive Gewalt umschlägt, trägt leider nicht über die gesamten zwei Stunden Stückdauer. Da hilft auch der Auftritt der titelgebenden Ex, der Zoohandlungsfachverkäuferin Franziska, nicht.
Deren Figur bleibt derart schemenhaft, dass man es Darstellerin Eva Meckbach kaum verübeln mag, sie nicht ausfüllen zu können. Ob es nicht ausgereicht hätte, „die Ex“ wie anfangs als unsichtbares Damoklesschwert über der Beziehung schweben zu lassen, fragt man sich unweigerlich.
Dann aber hätte es eine subtilere Umsetzung dieser in von Mayenburgs Kammerspiel inhärenten Message gebraucht. So aber wird erst durch einen plakativen Monolog von Sibylle – in der sie Franziska attestiert, „auf der Wellenlänge eines Pinchers“ zu funken – deutlich, worum es dem Autor und Regisseur tatsächlich geht: soziale Unterschiede und deren Einfluss auf unsere PartnerInnenwahl.
Auf das Kompliment zur Beziehung entgegnet das Ehepaar beim Verlassen des Saals übrigens nichts, ihre Mienen bleiben undeutbar. Stattdessen wird mit der Bekannten über das Stück gesprochen, Fazit: ernüchternd.
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