Ehemaliges „Chinesenviertel“ in Hamburg: Stolperstein in Chinatown

Zur Erinnerung an die Verschleppung von Chinesen durch die Gestapo soll am Montag ein Stolperstein verlegt werden. Es ist der 6.000. in Hamburg.

Gunter Demnig verlegt einen Stolperstein

Will in Hamburg einen weiteren Stolperstein verlegen: Günter Demnig Foto: Sven Hoppe/dpa

HAMBURG taz | Am Montag will der Kölner Künstler Gunter Demnig den 6.000. Stolperstein in Hamburg verlegen. Erinnern soll er an 13 Chinesen, die 1944 die Geheime Staatspolizei (Gestapo) verschleppt hat. Es ist auch die Erinnerung an eine fast vergessene Hamburger Stadtgeschichte: Das Hamburger „Chinesenviertel“, dessen Ende die Nazi-Verbrechen einleiteten. Auch Kultursenator Carsten Brosda (SPD) und der chinesische Generalkonsul Du Xiaohui haben sich zur Verlegung angekündigt.

Bei der von der Gestapo sogenannten „Chinesenaktion“, die der Höhepunkt der bereits länger andauernden rassistischen Diskriminierung gewesen war, verhafteten die Nazis rund 130 Chinesen auf St. Pauli.

Vorgeworfen wurde ihnen eine angebliche „Feindbegünstigung“. Monatelang wurden sie im Gestapogefängnis Fuhlsbüttel und im „Arbeitserziehungslager Wilhelmsburg“ interniert und misshandelt. Mindestens 17 Chinesen starben an den Folgen des Gestapo-Terrors und der Zwangsarbeit.

Erst seit wenigen Jahren wird einer breiteren Öffentlichkeit auf die Verfolgung chinesischer Menschen und derer, die ihnen nahestanden, während der NS-Zeit in Erinnerung gerufen: Seit 2012 steht eine Tafel an der Schmuckstraße unweit der Reeperbahn, die an die Vergangenheit erinnert. Sie wurde kürzlich geschändet. Und erst Anfang vorigen Jahres erschien mit „Bis die Gestapo kam“ ein Dokumentarfilm über das Schicksal der Minderheit, die Opfer des NS-Regimes wurde.

Vom Schiff nach St. Pauli

Dabei siedelten sich schon ab Mitte der 1890er-Jahre mehr und mehr chinesische Seefahrer in Hamburg an – vielen gelang dadurch der Ausbruch aus den Ausbeutungsverhältnissen europäischer Schifffahrtsgesellschaften. Für die körperlich extrem belastende Arbeit unter Deck erhielten sie meist nur einen Hungerlohn.

Die Schmuckstraße, die von Gemischtwarenläden, Wäschereien und Restaurants geprägt war, entwickelte sich zum Zentrum der Community – und wurde andererseits von Deutschen lange Zeit einzig als Opiumhöhle und Sündenpfuhl betrachtet.

Für drei Chinesen, die im Zuge der Gestapo-Aktion verschleppt wurden, gibt es auf St. Pauli bereits Stolpersteine, darunter einen in Gedenken an Chong Tin Lam, der Ende der 1920er als Seefahrer aus China nach Hamburg kam und sich niederließ. Auch er kam in Gestapo-Haft, überlebte und bekam Mitte der 1950er seine Gaststätte zurück: die „Hong Kong Bar“.

Erst vor wenigen Wochen starb Lams Tochter Marietta Solty, die ihr Vater kurz vor der Verschleppung durch die Gestapo noch bei Bekannten in Süddeutschland in Sicherheit gebracht hatte. Solty hatte in den 1980ern den Betrieb der Bar von ihrem Vater übernommen und hielt die Erinnerung an das einstige Chinatown hoch.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.