Ehemaliger Regierungschef Kroatiens: Österreich liefert Sanader aus
Kroatiens Ex-Regierungschef Ivo Sanader soll während seiner Amtszeit 2004 bis 2009 Beträge in Millionenhöhe aus dubiosen Geschäften in schwarze Kassen geleitet haben.
SPLIT taz | Aufsehen erregt der Vorgang nicht nur in Kroatien. Wann wurde schon einmal in der Geschichte ein ehemaliger Ministerpräsident im Ausland verhaftet und dann an das Heimatland ausgeliefert, wie das am Montagabend mit Ivo Sanader der Fall war?
Das gab es zumindest in Kroatien noch nie. Der mit internationalem Haftbefehl gesuchte Sanader, von 2004 bis 2009 Regierungschef, wurde am Montagabend im Auto von Salzburg nach Kroatien in das Zagreber Gefängnis Remetinec überführt. Er wird von der kroatischen Justiz der Korruption in einigen schweren Fällen bezichtigt. Die Mächtigen stürzen zu sehen bereitet der Bevölkerung Behagen. Das war gestern an dem Schmunzeln von Polizisten ablesbar.
Sanader hatte bis zu seiner Verhaftung im Dezember 2010 in Österreich keinen schlechten Ruf. Er galt als reformfreudig, hatte die Politik der sozialdemokratischen Vorgängerregierung weiterentwickelt und die Annäherung Kroatiens an die EU vorangetrieben. Der Chef der rechtskonservativen Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) galt auch im Ausland als zuverlässiger Partner.
Er versuchte seine Partei zu liberalisieren, die ihm erhebliche Widerstände gerade bei der Frage der Auslieferung von mutmaßlichen Kriegsverbrechern entgegensetzte. 2009 zog sich Sanader aus der Politik zurück.
Nachfolgerin wurde seine Parteifreundin Jadranka Kosor. Dass sein Rücktritt auch etwas mit den jetzt formulierten Korruptionsvorwürfen zu tun hat, war damals noch nicht öffentlich bekannt. Niemand ahnte, dass Jadranka Kosor sich als Politikerin entpuppen sollte, die es ernst meint mit der von der EU geforderten Justizreform und mit dem Kampf gegen die Korruption. Bemerkenswert ist zudem, dass sie das während des Krieges 1991-95 entwickelte kriminelle Konglomerat von Staatsfunktionären, Zoll- und Polizeibeamten, Geheimdienst- und Armeeoffizieren ins Visier nahm.
Sanader soll an mehreren undurchsichtigen Geschäften beteiligt gewesen sein. Zumindest glauben dies die Staatsanwaltschaft und die Antikorruptionseinheit Uskok. Sie werden ihn in Zusammenhang mit den Aktivitäten der Firmen Fimi Media, der Alpe-Adria-Bank und staatlicher Ölfirmen befragen. Millionenbeträge sollen in diesem Zusammenhang verschwunden und in die Taschen der beteiligten Personen gewandert sein. Sanader, der sich bislang gegen die Auslieferung von Salzburg nach Zagreb gesträubt hatte, will kooperieren. Kroatien beweise, dass es mit der Justizreform ernst macht, stellen die meisten Medien befriedigt fest.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!