Ehemalige Ministerin Gerda Hasselfeldt: „Nach dreißig Jahren ist mal gut“
Gerda Hasselfeldt war Ministerin und leitete die CSU-Landesgruppe. Nun ist sie DRK-Vorsitzende. Ein Gespräch über Parité, Frauen und warum Politik nicht alles ist.
taz: Frau Hasselfeldt, Sie waren dreißig Jahre Bundespolitikerin, zuletzt Chefin der CSU-Landesgruppe. 2017 haben Sie nicht wieder für den Bundestag kandidiert. Wie geht es Ihnen ohne die Politik?
Gerda Hasselfeldt: Mir geht’s gut. Ich kann meine Erfahrungen und Kontakte einbringen in eine neue, diesmal rein ehrenamtliche Aufgabe. Ich bin mittlerweile Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes.
Was unterscheidet Ihre Arbeit von der im Bundestag?
Für mich stehen nicht mehr politische Entscheidungen im Vordergrund, sondern die Anliegen des Roten Kreuzes. Meine Tage sind jetzt bestimmt von Begegnungen mit den vielen ehren- und hauptamtlichen Helfern des DRK, Gespräche mit politisch Verantwortlichen oder auch Repräsentationsaufgaben – kurzum, die Führung eines sehr großen, vielfältigen Wohlfahrtsverbandes und einer nationalen Hilfsorganisation, die auch im Ausland tätig ist.
Haben Sie sich um dieses Amt beworben?
Ich wurde gefragt und gebeten zu kandidieren. Ich war aber auch die einzige Kandidatin.
Nach dreißig Jahren in der Bundespolitik – warum machen Sie nicht einfach mal nichts?
geboren 1950 in Straubing, ist seit 1969 Mitglied der CSU und gehörte dem Bundestag seit 1987 an. Anfang der 90er war sie unter anderem Gesundheitsministerin. Von 2011 bis 2017 leitete sie die CSU-Landesgruppe.
Das Leben muss doch auch nach einer aktiven Berufstätigkeit noch einen Sinn haben. Als ich entschieden habe aufzuhören, hatte ich die Tätigkeit beim Roten Kreuz nicht im Blick. Das kam erst später. Ich fand nur, dass es nach dreißig Jahren mal gut ist mit der politischen Arbeit. Schön ist, dass ich mich jetzt mehr um meine Enkel kümmern kann, als ich das seinerzeit für meine Kinder tun konnte. Und ich habe meine Liebe zur Musik wieder entdeckt.
Sie spielen Klavier?
Ja, zwar auf niedrigem Niveau, aber für mich reicht es. Die Tätigkeit für das Rote Kreuz erfüllt mich und ist sehr sinnvoll. Ich kann hier einiges von dem, was ich in meiner Zeit als aktive Politikerin erlebt habe, der Gesellschaft zurückgeben.
Bei allem Respekt, aber warum übernehmen nicht Jüngere diese Aufgabe?
Das ist eine gute Frage. Ich persönlich hätte nichts dagegen, wenn das jemand Jüngeres übernehmen würde. Aber das ist ja ein Ehrenamt, und ganz ehrlich, das können Sie in diesem Umfang und dieser Form kaum von Berufstätigen erwarten. Und bei manchen Funktionen geht es schon auch um Erfahrungen in politischen Entscheidungsprozessen.
Sie waren die erste CSU-Landesgruppenchefin und sind jetzt die erste weibliche DRK-Präsidentin. Wie sieht es dort mit der Präsenz von Frauen aus?
Unter den ehrenamtlichen Helfern haben wir wesentlich mehr Frauen als Männer. In den Führungsgremien ist es umgekehrt: Ich bin seit mehr als 150 Jahren die erste Frau an der Spitze des Deutschen Roten Kreuzes.
Das scheint ein Markenzeichen von Ihnen zu sein.
Am 8. März veröffentlichen wir auf taz.de nur Beiträge von Frauen* und nicht-binären Menschen, und auch nur diese kommen darin vor: als Expert*innen, als Protagonist*innen, auf den Fotos. Trotzdem beschäftigen wir uns nicht primär mit dem, was im allgemeinen Sprachgebrauch gern als „Frauenthemen“ bezeichnet wird – sondern mit dem Tagesgeschehen.
(Lacht) Immerhin, bei den Landesverbänden haben wir seit einigen Monaten zwei neue Präsidentinnen. Aber in den Führungspositionen bei Landes- und Kreisverbänden dominieren insgesamt die männlichen Kollegen. Die Gründe sind immer wieder dieselben. Als Stellvertreterinnen haben wir viele Frauen, das ist sogar satzungsrechtlich verankert, auch auf Bundesebene gibt es eine Vizepräsidentin. Aber wenn es um die Verantwortung als Vorsitzende geht, sind Frauen vielleicht nicht die, die sofort „Hier!“ schreien. Viele begnügen sich mit Tätigkeiten als Vize.
Können Sie das als Chefin beeinflussen?
Nein, die Wahlen werden bei den Landes- und Kreisverbänden durchgeführt. Man kann eigentlich nur immer wieder an Frauen appellieren, sich der Verantwortung an der Spitze zur Verfügung zu stellen, zu kandidieren.
Aktuell wird über Parité, Gleichheit, diskutiert. Was halten Sie als CSU-Frau davon?
Ich glaube, dass wir über alle möglichen Alternativen nachdenken müssen, um mehr Frauen in die politische Verantwortung zu bekommen. Das gilt für das Wahlrecht wie für parteiinterne Vorschläge. Das Erstere wird schwierig sein. Innerhalb meiner eigenen Partei empfehle ich, darüber nachzudenken, ob wir nicht bei Kreisvorständen sagen können: Ihr müsst nicht, aber ihr könnt den Vorsitz einer Frau und einem Mann parallel geben.
Also die Doppelspitze.
Ja, das Amt des oder der Kreisvorsitzenden ist einflussreich. Wir haben nicht nur tüchtige Männer, sondern auch tüchtige Frauen. Die sollten wir nicht als stellvertretende Vorsitzende in den Schatten stellen.
Aber in der CSU-Landesgruppe gibt es so wenig Frauen wie lange nicht mehr.
Frauen, die bewegen
Das hängt damit zusammen, dass in den entscheidenden Gremien auf Kreis- und Bezirksebene, wo die Vorentscheidungen für Direktmandate getroffen werden, meistens die Frauen Stellvertreter sind und gar nicht die Möglichkeit haben, sich als Vorsitzende zu profilieren. Erst als Vorsitzende hätten sie ganz andere Möglichkeiten der Profilierung, sie könnten zeigen, dass sie es können.
Sie waren sechs Jahre lang Landesgruppenvorsitzende in Berlin. Beim weißblauen Stammtisch, der Presseunterrichtung in der Bayerischen Vertretung, gab es Saft und Kaffee. Jetzt steht jetzt wieder Bier auf den Tischen. Was sagt uns das?
Ich hoffe, das ist alkoholfreies. Für mich wäre das sonst etwas befremdlich, aber vielleicht bin ich da noch vom alten Schlag. Zu Arbeitsterminen gehört für mich kein Alkohol.
Der Anteil der CSU-Abgeordneten beträgt in dieser Wahlperiode 6,5 Prozent; noch niedriger war er nur 1949. Was muss passieren, damit das besser wird?
Die letzte Bundestagswahl war für die CSU wirklich nicht erfolgreich, das ist ja kein Geheimnis. Ich habe allerdings den Eindruck, dass alle daraus gelernt haben. Unsere Wählerklientel möchte, da bin ich mir ganz sicher, eine geschlossene Union. Nicht die Beschäftigung mit uns selbst, sondern mit den anstehenden Problemen. Ich habe den Eindruck, jetzt sind wir auf einem guten Weg.
Mal ehrlich, fehlt Ihnen der Berliner Betrieb manchmal?
Ich denke wirklich gerne an die parlamentarische Zeit zurück, insbesondere an meine letzten sechs Jahre. Das war eine äußerst spannende, einflussreiche, schöne Aufgabe, auch wenn sie mich manchmal sehr stark beansprucht hat. Allerdings hat alles seine Zeit. Und ich habe keine Sekunde bereut, dass ich die Entscheidung getroffen habe, nach dreißig Jahren aufzuhören. Das Leben besteht nicht nur aus Politik. Ich bin dankbar dafür, dass ich jetzt die Möglichkeit habe, an anderer Stelle auch Sinnvolles für unsere Gesellschaft zu leisten.
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