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Ehe und ScheidungTrennt euch endlich!

Aggressiv, sozial inkompetent, unglücklich: Sind Scheidungskinder wirklich so schlecht dran? Und ist Trennung nicht manchmal ein Segen?

Geht mit der Scheidung die Familie in die Brüche? Bild: dpa

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Nicht nur die Klatschpresse signalisiert gern: Trennungen sind bitter. Wenn sich zwei Menschen nicht mehr lieben, folgen Hass, Gewalt, es platzen rosarote Seifenblasen. „Die Armen Kinder“, heißt es dann von Bekannten, denn Scheidung gilt als Unglück. Zwei Menschen sind gescheitert. Und damit die ganze Familie. Zerrüttet, kaputt. Schlimm.

taz.am wochenende

Scheidung als Drama? Im Gegenteil, sie kann Kinder selbstständiger machen, sagt Scheidungsforscher Ulrich Schmidt-Denter. Wie der Wissenschaftler sämtliche Scheidungsklischees zerlegt, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 12./13. Juli 2014. Außerdem: Warum der Sparzwang der Kassen neue Schmuggelpfade für die Pillenmafia schafft. Und: 75 Euro weniger fürs neue Topfset! Wir bringen Ihnen bei, wie man auch im Kaufhaus erfolgreich feilscht. Dazu natürlich: Jogi gegen Messi in der taz.brasil. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Noch im Mai war im Zeit Magazin gar von einem „Scheidungsgen“ zu lesen, „das sich von Generation zu Generation vererbt“. Scheidung ist vererbbar, will auch der Berner Soziologe Andreas Diekmann bewiesen haben. In seiner Studie zur sozialen Vererbung des Scheidungsrisikos von 1995 sagt er, Kinder, die die Scheidung der Eltern erlebt haben, hätten später selbst ein größeres Scheidungsrisiko.

Schlagzeilen verkünden Scheidungsdramen und Schlammschlachten, die Trennungsmeldungen sind Schocker unter den Nachrichten.

Dass Trennung eine Katastrophe ist, von Gott nicht gewollt, propagiert nicht nur der Boulevardredakteur, sondern auch die katholische Kirche. Liebe sei doch Gottgegeben. Jesus sagt schließlich in Matthäus 19,6: „Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“ Die Ehe ist hier unauflöslich.

Alles gar kein so großes Drama, sagt dagegen der Scheidungsforscher Ulrich Schmidt-Denter in der Titelgeschichte der taz.am wochenende vom 12./13. Juli 2014. Scheidungen seien für Kinder kein Weltuntergang. „Mittlerweile finden wir bei den Scheidungskindern keine große Belastung mehr deswegen.“ Kinder mit geschiedenen Eltern werden schneller reif und selbstständig, können sogar besser kommunizieren und haben langfristig auch keine Schulprobleme, sagt der Familienpsychologe.

"Mut zur Trennung", fordert die Autorin Jutta Martha Beiner in ihrem Buch. Kinder, so lautet ihr Plädoyer, brauchen Aufrichtigkeit.

Alles ganz normal?

Von allen im Jahr 2012 geschlossenen Ehen werden auf eine Zeit von 25 Jahren 37 Prozent statistisch wieder getrennt. 2001 waren geschiedene Partner im Durchschnitt nur knapp 13 Jahre verheiratet. Also alles ganz normal?

Schon die Gesetzessammlung des babylonischen Königs, Codex Hammurapi, enthielt Scheidungsbestimmungen. Datiert wird sie auf 1760 vor Christus. Die Frau konnte das Haus verlassen, wenn der Mann lasterhaft lebte. Ein Prozess urteilte über die Scheidung. Bekam die Frau recht, nahm sie ihre Mitgift und zog zum Vater zurück. Für Männer war es leichter: Er konnte sie einfach verstoßen.

Dass es Streit in einer Beziehung gibt, Gründe, sich zu trennen, sieht sogar die katholische Kirche ein. Wenn ein Ehepartner der Trunksucht verfällt oder fremdgeht, stimmt die Kirche der „Trennung von Tisch und Bett zu“. Ehepartner dürfen getrennt wohnen. Aber vor Gott bleiben sie verbunden.

Statistisch berechnete Scheidungen

Im Juni wurde bekannt, dass Kreditkartenunternehmen die Zukunft von Beziehungen prognostizieren. Seriöse Geschäftemacher rechnen mit Scheidungen als alltäglichem Ereignis, hat Ian Ayres, Rechtsprofessor in Yale, herausgefunden. Firmen sagen Scheidungen voraus. Sie wollen sicher sein, dass Kunden ihre Schulden begleichen können. Scheidung ist Teil der Risikokalkulation. Auch weil sie so absehbar ist.

So sehr Trennungen, Neuanfänge, Patchwork-Familien und unterschiedlichste Familienmodelle mittlerweile für viele zum Alltag gehören, so sehr betrachten manche Scheidung immer noch als das ultimative Scheitern. Lag nicht alle Hoffnung der Welt auf dieser Beziehung? Und was wird bloß aus den Kindern?

Für manche brechen die Beziehungskriege nach der Trennung erst so richtig aus - auch im übertragenen Sinne. Der Geschlechterforscher Gerhard Amendt stellte 2004 fest, die Scheidung werde zu einem Austragungsort der Frage, ob Frauen oder Männer die besseren Menschen sind. Erziehungswissenschaftlerin Elisabeth Schlemmer argumentierte, dass Kinder von Alleinerziehenden und aus Stieffamilien beim Schulerfolg benachteiligt sind – verglichen mit Kindern aus Familien, in denen das Kind bei beiden leiblichen Eltern lebt.

Muss man bei Trennungen also auf die Kinder Rücksicht nehmen? Warten, bis sie 18 sind? Bis sie ausziehen? Oder ist das alles übervorsichtiger Unfug? Sollten viel mehr Menschen den Mut haben, einfach Schluss zu machen? Macht eine Scheidung am Ende vielleicht viel glücklicher?

Diskutieren Sie mit!

Die Titelgeschichte „Scheidungskinder werden früher selbstständig“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 12./13. Juli 2014.

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10 Kommentare

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  • Frau Neumann übersieht, dass Forscher ihre Frage längst beantwortet haben. So hat etwa Mailn Bergström aus Schweden 170000 Trennungskinder im Alter von 12 und 15 Jahren untersucht. Die Antwort ist so erschreckend wie eindeutig: Für Kinder ist eine Elterntrennung meistens eine schlechte Nachricht. Zwar können viele Risiken durch ein vernünftiges Modell der Kindesbetreuung nach der Trennung eingegrenzt werden, wenn nämlich Kinder durch ein sog. Wechselmodell (vgl. etwa twohomes.org) paritätisch durch ihre Eltern betreut werden, die Nachtrannungs-Familie also niemanden ausschließt. Aber das gelingt in Deutschland noch viel zu selten, ja wird sogar immer noch, trotz eindeutiger Erkenntnisse, gerade von der sog. sozialen Helferindustrie und den Gerichten verhindert. Die oft mutwillig durch Ausgrenzung erzeugt Situation der sog. "Alleinerziehenden" hinterlässt, wie Frau Begström nachweist, bei vielen Kindern viele Probleme, und zieht sich ein Elternteil ganz zurück, werden die Probleme noch größer. Es gibt keine Trennung einfach mal eben. Bei einer Trennung beginnt eine neue Lebensphase, und die Nachtrennungsfamilie funktioniert dann, wenn auf die Interessen aller Rücksicht genommen wird. Dann kann Trennung am Ende auch für alle positiv sein.

  • Trennt euch endlich! ist eine ziemlich bescheuerte Aufforderung an erwachsene Menschen.

     

    Es gibt keine Konkurrenz der Lebensentwürfe, auch wenn Menschen immer wieder versuchen hier Konkurrenz zu erzeugen.

     

    Aber es gibt ein Scheitern des eigenen gewählten Lebensentwurfs und damit verbundene Enttäuschungen und Verbitterungen und den Versuch der Enttäuschten in ihrer Verbitterung und Enttäuschung nicht alleine zu sein.

     

    So kommt es, dass das eigene Scheitern als Befreiung und das Beibehalten als Scheitern gesehen wird.

    Von der subjektiven, selektiven Wahrnehmung der Geschiedenen und deren persönlichen Erfahrungen völlig verständlich.

     

    Nur es nervt alle jene die Ehe als Lebensmodell befürworten .

    Denn allzuoft wird die eigene Verantwortung für Kinder und sonstige Betroffene und Folgen ihres Scheiterns geleugnet und auf Staat und Gesellschaft verlagert.

    Und wenn wider Erwarten sich nach der Scheidung kein Hochgefühl einstellt und Fogen sichtbar werden, sind oftmals die anderen (vor allem die Nichtgeschiedenen) schuld.

     

    Wir brauchen jedoch keine Konkurrenz der Lebensmodelle noch gar eine Kutur des Scheiterns sondern eine Kultur der Verantwortung, des miteinander Sprechen und Zuhörens.

     

    Ob dies Kinder in der Ehe oder außerhalb lernen ist am Ende unerheblich.

    Leichter ist es natürlich in einer funktionierenden Ehe schon.

  • Ich bin auch Scheidungskind und würde trotzdem die Scheidung befürworten. Wie schon angesprochen, haben die Kinder doch auch nichts davon, in einer scheinbar heilen Ehe aufzuwachsen, in der man sich andauernd streitet, anschweigt und/oder aus dem Weg geht.

     

    Das kommt aber auch immer darauf an, wie "harmonie-süchtig" die Leute sind. Ich erlebe immer wieder Menschen, die Streit und Diskussionen vermeiden und damit gären die Konflikte dann unterschwellig. Genau solche Einstellungen lassen die Leute dann auch krampfhaft an einer Ehe festhalten, obwohl im Grunde schon die Beziehung in die Brüche gegangen ist.

     

    Ich persönlich habe als Scheidungskind auch viel ich sage mal "Lebenserfahrung" gesammelt. Aber mir ist natürlich auch klar, dass nicht jedes Scheidungskind so einen Nutzen daraus ziehen kann und dass auch nicht wenige lange davon geprägt sind. Aber das macht die Scheidung m.E. nicht per se verachtenswert.

  • Interessant, dass die fanatischen Befürworter der Scheidung Erwachsene sind. Besser lässt sich der Egoismus der Eltern nicht ausdrücken. Die Bestätigung dafür findet sich jeden Tag in der Schule. Beileibe nicht die Scheidungskinder sind das Problem - nein es sind die Eltern, die nie hätten Kinder in die Welt setzen dürfen und von uns erwarten, dass wir jeden Tag deren Erziehungsdefizite aufarbeiten.

     

    Scheidungskinder sind allerdings doppelt gekniffen. Ein Kind sieht in dieser Phase die Umwelt völlig ichbezogen. Es lernt, dass es von den Eltern abhängig ist, deren Aufmerksamkeit braucht um sich wohl zu fühlen. Die Ehescheidung führt deshalb häufig dazu, dass sich die Kinder die Schuld geben und sich selbst bestrafen. Sie sind noch nicht selbstständig genug um zu merken, was für unfähige Eltern es hat. Die Erkenntnis, dass man sich Freunde aussuchen kann - Eltern jedoch nicht, lernen sie erst in der Pubertät.

     

    Es gibt klassische Krankheitsbilder, die durch eine nicht verarbeitete Ehescheidung entstehen. Danach ist aber noch nicht alles vorbei. Es setzt meist die Parentisierung ein, in der das Kind zum Partner des Übriggebliebenen wird. Zum Einen erinnert das Kind ständig an den bösen Ehepartner, zum Anderen muss es jetzt Verantwortung übernehmen, für die es noch nicht alt genug ist. Das als frühes "Erwachsen werden" zu feiern, ist zynisch.

     

    Es geht nicht um die Ehescheidung an sich, sondern darum, dass es besser ist, wenn viele Eltern ihren Kinderwunsch einmal überdenken würden.

    • @achterhoeker:

      ... und das können Sie so pauschal für uns alle, die wir Kinder haben, aber nicht mehr mit dem anderen Eltern* dieses Kindes zusammenleben, uneingeschränkt aussagen? Hochinteressant. Schon mal drüber nachgedacht, dass getrennte Eltern genauso stinkdurchschnittlichnormal sind wie glücklich oder unglücklich zusammenlebende, d.h. genauso intelligent, rücksichtvoll, reflektiert, dämlich, egoistisch und emotional.

      Abgesehen davon: ELTERN sollten ihren Kinderwunsch nicht mehr überdenken, sie haben sich schon entschieden :-)

  • Jeden Tag die Streitereien mitzubekommen, macht ein "Familienkind" ganz sicher nicht glücklicher als ein Scheidungskind. Zudem lernt es noch, dass man anscheinend Situationen, in denen man sich schlecht fühlt auszuhalten hat und "da durch muss". Ich habe mir als Kind gewünscht, dass sich meine Eltern trennen und sie haben es leider erst nach 26 Jahren Ehe dann geschafft.

  • Was einigen Scheidungskindern so schadet ist nicht der Vorgang der Scheidung an sich, sondern die nicht mehr funktionierende Beziehung, die dem Ganzen vorausgeht.

    Und Dank unserer Gesellschaft, Einflüssen von Eltern, Religion etc., werden solche Beziehungen, die eigentlich schon lange nicht mehr funktionieren, oft über Jahre oder gar Jahrzehnte weitergeführt.

    Dieser dauerhafte "Kriegszustand" im eigenen Zuhause ist für alle Beteiligten unglaublich belastend.

    Der Vorgang der tatsächlichen Trennung bzw. Scheidung hingegen ist wie eine Befreiung.

  • Scheidung ? Na, Klar ! Kinder ? Nicht so wichtig.Scheiß auf die nächste Generation.

    Von guter Erinnerung der Kinder später, kann man sich jetzt nichts kaufen.

    Ich genieße sowieso nur den Moment und denken tue ich nur im Quartal.

  • Ich bin in einem katholischen Dorf in Bayern aufgewachsen. Viele Ehen dort hätten eigentlich geschieden werden müssen. Eltern und Kinder in diesen Ehen wären mit einer Scheidung besser bedient gewesen. Wer an das lebenslange Trauma von Scheidungskindern glauben möchte, der sollte sich auch die Kinder aus Ehen anschauen, in den sich die Partner wahlweise anschweigen oder bekriegen.

    Scheidung ist eine Errungenschaft der Neuzeit, die wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen sollten.

     

    p.s: wie geht Scheidung in katholischen Gegenden? Mit der Axt!

  • Eine Scheidung ist eine Katastrophe, da gibt es nichts schönzureden.

    Ich will aber auf die Menschen eingehen, die schlichtweg nicht geeignet für eine Ehe sind. Ich glaube nicht dass es so etwas wie ein "Scheidungsgen"gibt, doch sehr wohl gibt es Menschen für die es unmöglich ist eine Ehe so zu leben wie sie "vorgesehen" ist.

     

    Meiner Erfahrung nach sind 25-30% der Menschen schlichtweg nicht in der Lage nur mit einer Frau bzw. einem Mann zu leben. Ich verurteile diese Menschen nicht, doch bitte heiratet nicht einen von uns.