Ehe für alle in Slowenien: Der lange, quälende Weg zum Recht
Fast wäre Slowenien bei der Ehe für alle schneller gewesen als Deutschland. Dank des Verfassungsgerichts sind sie immerhin erstes Land in „Osteuropa“.
„Das ist auch ein Gefühl von Sicherheit – nun muss ich mir und anderen nicht mehr beweisen, dass ich die gleichen Rechte wie alle habe“. Gleichzeitig steht die lesbische Schriftstellerin und LGBTI-Aktivistin noch „unter Schock“, wie sie sagt, „man kann es ja kaum glauben und fragt sich: Was, wenn doch wieder ein Referendum kommt?“
In Slowenien, dem kleinen Land zwischen Alpen und Adria, ist ein Teil stolz darauf, als erstes osteuropäisches, postsozialistisches Land die Ehe für alle ermöglicht zu haben. Doch bis dahin war es ein langer und für die Betroffenen manchmal quälender Weg.
So stimmte das Parlament letzte Woche überhaupt nur ab, weil das Verfassungsgericht im Juli festgestellt hatte: Die seit 2016 geltende eingetragene Partnerschaft ist nicht mit dem verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbot vereinbar.
Exkommunistischer Kommunistenfresser Janša
Zwei homosexuelle Paare, denen nicht nur die Ehe, sondern auch die Aufnahme auf eine Liste von Adoptionsbewerben verweigert worden war, waren bis vor das Verfassungsgericht gezogen. Die Beschränkungen für homosexuelle Paare wurden mit sofortiger Wirkung aufgehoben: Gleichgeschlechtliche Paare durften fortan heiraten und gemeinsam Kinder adoptieren. Zugleich beauftragten die Richter das Parlament, binnen sechs Monaten die notwendigen gesetzlichen Anpassungen vorzunehmen.
Das bislang geltende Gesetz war lediglich ein politischer Kompromiss. Zuvor waren in den Jahren 2012 und 2015 erste Versuche, eine Ehe für alle einzuführen und damit die bereits seit 2006 bestehende, rechtlich eher dürftige Möglichkeit einer Registrierung zu ersetzen, durch Referenden zunichtegemacht worden. Diese Volksabstimmungen hatten konservative Kreise rund um den früheren Ministerpräsident Janez Janša (SDS) initiiert. Schon dreimal hatte er das Amt inne, im Mai musste er wieder gehen.
Janša ist ein Kulturkämpfer und exkommunistischer Kommunistenfresser, der zuletzt versuchte, das Land politisch in Richtung des Visegrád-Büdnisses von Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei zu verschieben. So kann in Ungarn seit letztem Jahr bestraft werden, wer vor Minderjährigen über Homosexualität spricht.
Der katholische Klerus befeuerte die politische Verschiebung in Slowenien. Es war sogar Papst Franziskus persönlich, der die Slowenen vor dem Referendum des Jahres 2015 aufforderte, für „Familienrechte“ zu kämpfen.
Suzana Tratnik ist in den siebziger und achtziger Jahren aufgewachsen, als Slowenien noch eine Teilrepublik Jugoslawiens war. Seitdem ist der Einfluss der Katholischen Kirche größer geworden und für Tratnik ist das immer noch unfassbar: „Sie haben zum Beispiel Bilder von leicht bekleideten CSD-Teilnehmer*innen und der Frage ‚Sollen diese Menschen wirklich Eltern sein dürfen‘ publiziert. Sie haben Unterschriften gegen uns gesammelt, das war ein regelrechtes Lobbying gegen uns. Für mich ist das immer noch seltsam zu sehen, dass diese Leute in politische Talkshows eingeladen werden, was haben sie dort eigentlich zu suchen?“
Aber der Einfluss ist im Vergleich zum Nachbarland Kroatien geringer und die Sicherheitslage in Slowenien für queere Menschen ist besser als dort oder in Serbien, wo die Minderheit immer wieder politisch instrumentalisert wird.
Die Europride in Belgrad konnte diesen Sommer nur stattfinden, weil westliche Botschafter den zwischen Russland und „Gayrope“ lavierende Ministerpräsident Aleksandar Vučić stark unter Druck setzten, damit er die Teilnehmenden vor gewaltbereiten Gegendemonstranten schützte.
Hand in Hand durch die Stadt
Slowenien war als westlichstes Land des ehemaligen Jugoslawiens schon früh progressiv gegenüber Homosexuellen. Die Hauptstadt Ljubljana beherbergt mit dem „Magnus Filmfestival“ bereits seit 1984 ein queeres Filmfestival – das erste seiner Art in ganz Europa.
In Ljubljana gibt es auch schon lange eine sichtbare Szenestruktur und in jüngster Zeit sieht man auch mehr gleichgeschlechtliche Paare Hand in Hand flanieren – was in Belgrad sicher nicht empfehlenswert wäre. Dort und in anderen ehemaligen Teilrepubliken macht man sich stattdessen darüber lustig, dass die auch als Musterschüler beäugten Slowenen sowieso alle schwul seien.
Die Entscheidung des slowenischen Verfassungsgerichts fiel nun zufällig genau in die Zeit, in der die neue slowenische Mitte-links-Regierung von Robert Golob ihre Geschäfte aufgenommen hat. Sie ist ein weiterer Grund, um auf bessere Zeiten zu hoffen. Auch ein weiteres Referendum ist nicht möglich, da es sich um eine Entscheidung des Verfassungsgerichts handelt. Sorgen muss man sich also derzeit eher um das direkte Nachbarland Italien machen, das bekanntlich „im Westen“ liegt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!