Edén Pastora an Covid-19 gestorben: Nicaraguas Comandante Cero ist tot
Die Besetzung des Nationalpalasts in Managua 1978 machte Edén Pastora berühmt. Nun ist der kritische Politiker gestorben.
Das Kommando hatte ein Haudegen, der sich in der sandinistischen Tradition Comandante Cero – Kommandant Null – nannte. An seiner Seite Comandante Uno und Comandante Dos. Als die erfolgreichen Geiselnehmer mit den Freigelassenen das Flugzeug nach Panama bestiegen, lüftete Pastora als Einziger die Maske und hob sein Sturmgewehr zur triumphalen Geste. Die schwarze Baskenmütze und zwei Handgranaten am Revers komplettierten die fotogene Erscheinung. Ein Mythos war geboren. Spötter mokierten sich über „Comandante Kodak“.
Edén Atanacio Pastora Gómez war am 22. Januar 1937 in der nicaraguanischen Kleinstadt Ciudad Darío zur Welt gekommen, vielleicht auch schon am 15. November 1936. Somozas Nationalgarde tötete seinen Vater, als das Kind zarte sieben Jahre zählte. Die Mutter musste Land verkaufen, um den Sohn in die Schule schicken zu können.
Für den Heranwachsenden reifte der Kampf gegen die Diktatur zur fixen Idee. Er schmiss eine medizinische Ausbildung in Mexiko und schloss sich 1962 der eben gegründeten Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) an. Dreimal landete er in Somozas Kerkern, bevor er sich zum Haifischfang ins benachbarte Costa Rica zurückzog.
Vom Guerillero zum Contra
Die Spaltung der FSLN in drei rivalisierende Tendenzen hatte ihn desillusioniert. Das Studium marxistischer Texte und Debatten über ideologische Spitzfindigkeiten waren nicht Pastoras Sache. Er war ein Mann der Tat und als solchen holten ihn die alten Kameraden zurück, als sie den Coup mit der Einnahme des Nationalpalastes planten.
Die erfolgreiche Operation beschleunigte den Volksaufstand gegen Somoza. Keine elf Monate später übernahm eine revolutionäre Junta unter Daniel Ortega die Macht. Der populäre Pastora wurde mit dem bedeutungslosen Posten des Vizeverteidigungsministers abgefunden.
Schon 1981, als die Revolution noch Schwung hatte und sich großen Rückhalts in der Bevölkerung erfreute, wetterte Pastora über die Privilegien der Comandantes und den wachsenden kubanischen Einfluss. Er zog sich einmal mehr nach Costa Rica zurück und trat ein Jahr später mit einer kleinen Partisanengruppe den bewaffneten Kampf gegen die Sandinisten an.
1984 überlebte er ein Attentat während einer Pressekonferenz im Urwaldnest La Penca am Grenzfluss Río San Juan. Sieben Personen, darunter drei Journalisten, wurden von einer Bombe zerrissen. Bis zuletzt machte Pastora den US-Geheimdienst CIA verantwortlich, der damals versuchte, den populären Rebellen in eine Allianz mit rechtsextremen Konterrevolutionären zu zwingen. Alle Indizien sprechen aber dafür, dass der damalige Innenminister Tomás Borge und der kubanische Geheimdienst den Anschlag in Auftrag gegeben hatten. Pastora gab den bewaffneten Kampf auf und gründete eine Fischereigenossenschaft in Costa Rica.
Versöhnung mit Daniel Ortega
Nach der Wahlschlappe der Sandinisten 1990 versuchte Pastora mehrmals das politische Comeback, scheiterte aber zweimal kläglich bei Präsidentschaftswahlen. Als Daniel Ortega 2007 die Wahlen gewann, kam es zur Versöhnung, bei der wohl auch die wirtschaftlich prekäre Lage des alten Opportunisten Pate stand. Für Pastora wurde ein Posten als Generalbevollmächtigter der Region am Río San Juan geschaffen, die dessen ökonomische Flaute beendete.
Sein Haus in Managua konnte man an der Yacht erkennen, die auf einem Anhänger saß. Ortega beauftragte ihn mit Drainagearbeiten an der Flussmündung, die zu einem Grenzkonflikt mit Costa Rica führten. Der Internationale Gerichtshof entschied zugunsten Costa Ricas.
In den letzten Jahren wurde es still um den Veteranen, dessen schlohweißes Haar immer sorgfältig geföhnt wirkte. Obwohl er für sich herausnahm, auch offen Kritik am Regime üben zu dürfen, verteidigte er vor zwei Jahren die blutige Niederschlagung eines von Studenten ausgelösten Aufstandes. „In Nicaragua darf man alles, außer Chaos erzeugen“, sagte er damals in einem Interview. Das gewaltsame Durchgreifen der Polizei sei gerechtfertigt.
„Die Legende wächst und Edén Pastora ist heute im ewigen Heldenhimmel wiedergeboren“, verkündete Vizepräsidentin Rosario Murillo mit gewohntem Pathos am Dienstag, als Pastoras Tod in einem Krankenhaus in Managua bekannt gegeben wurde. In einem Land, wo das Regime die Corona-Pandemie leugnet, trug das Militärspital von Managua als Todesursache akutes „Lungenversagen“ ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland