Echte Freiheit halt: Stadt, Land, Arschloch
Im Jahr 2049 wollen viele aufs Land, um in Ruhe Faschisten zu wählen. Weil das zu viele machen, wird die Stadt wieder gefragter.
![Biene auf der Wiese mit Löwenzahn vor dem Berliner Reichstag Biene auf der Wiese mit Löwenzahn vor dem Berliner Reichstag](https://taz.de/picture/6422129/14/33312467-1.jpeg)
W ir schreiben das Jahr 2049. In Deutschland leben jetzt fast alle auf dem Land. Erst zogen viele nur dahin, weil man dort die faschistische „Partei der absoluten Wahrheit“ (PENIS) wählen durfte, ohne dafür als Arschloch abgestempelt zu werden, sondern im Gegenteil auch noch als eine Art ruraler Robin Hood im Kampf gegen den Sheriff von Wokingham zu gelten.
Unverständlich war allerdings, wieso ihnen die Meinung der Kritiker überhaupt so wichtig war: Da sie freiwillig rechts waren, war das für sie offenbar in Ordnung. Und, kombiniere, wer sie für Arschlöcher hielt, obwohl sie keine waren, war dann ja wohl das eigentliche Arschloch, oder? Von Arschlöchern für Arschlöcher gehalten zu werden, ist schließlich ehrenvoll, denn das beweist mathematisch eindeutig, dass man selbst keins ist; minus mal minus ergibt plus. Oder, wie mein Futurologe Zbigniew sagt: „Lieber ein echter Feind als ein falscher Freund.“
Als in den 2030er Jahren das mit heißer Nadel gestrickte Klimaziel der FDP noch um vier Grad übertroffen wurde, stieg die Stadtflucht weiter massiv an. Die Stimmung war zu jener Zeit komplett vergiftet – typisch Dreißigerjahre eben. Jede hasste jeden. Dazu verdichtete sich das Gerücht, in den Städten müsse die Hälfte der Bevölkerung zugunsten von mehr Autoparkplätzen weichen. Da gingen sie lieber freiwillig.
Auf dem Land war es gut. Der Dachs brachte Brötchen zum Frühstück, der Dompfaff pfiff, und die PENIS kümmerte sich rührend um alle Kinder, die blaue Augen hatten, nicht arm und nicht behindert waren. Auch durfte man immer alles sagen, solange es nicht das Falsche war. Echte Freiheit halt.
Leere Städte
In der Folge leerten sich die Städte immer mehr, und das Land wurde derart dicht besiedelt, dass es heute von der Stadt kaum noch zu unterscheiden ist. Der markanteste Unterschied liegt vielleicht darin, dass es in der Stadt mehr wilde Pflanzen und Tiere gibt, das Essen gesünder ist und Kinder sicherer vor Autos sind. In der Berliner Innenstadt soll neulich sogar eine Biene gesichtet worden sein. Umgekehrt ist das Land nun flächendeckend versiegelt, mit Baumarktparkplätzen und genmanipulierten Monokulturen, in denen nicht mal eine Kakerlake überlebt.
Viele wollen deshalb gerne in die Stadt zurück. Doch die Häuser wurden mittlerweile zum Teil zurückgebaut, in anderen wohnt nun Parterre links der Wolf, rechts das Reh und im Dachgeschoss der Uhu. Für den nehme ich oft Pakete mit Klebstoff entgegen – da kommt zum Glück nicht mehr jedes Mal die Soko, seit diese leidige Klimasache endgültig durch ist.
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