EU: Blair wird neuer Nahost-Sondergesandter
Der ehemalige britische Premierminister will in unruhigen Zeiten die Zweistaatenlösung vorantreiben - Im Gaza-Streifen starben gerade 13 Palästinenser bei einer israelischen Offensive.
JERUSALEM taz Der britische Expremierminister Tony Blair wird neuer Nahost-Sondergesandter. Er will sich fortan der Zweistaatenlösung im Nahen Osten widmen. In seiner gestrigen (Mittwoch) Abschiedsrede betonte er die "absolute Priorität" der Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts. Die USA, die UN, Israel und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas begrüßen den Einsatz des Briten. Bedenken innerhalb des Nahost-Quartetts, dem auch die EU angehört, bestehen auf russischer Seite. Die Beziehungen zwischen London und Moskau sind seit der Ermordung des früheren Sowjetagenten Alexander Litwinenko, in dessen Fall die Briten ermitteln, deutlich belastet.
Offenbar gab es auch auf europäischer Seite die Sorge, dass eine Nominierung Blairs die Rolle der EU im nahöstlichen Friedensprozess beeinträchtigen könnte. Dennoch verkündete der russische Außenminister Sergei Lawrow gestern vor Journalisten in Ramallah, dass "das Quartett die Beratungen über das Mandat des neuen Vertreters abgeschlossen hat". Israels Premierminister Ehud Olmert nannte Blair "einen wahren Freund Israels" und versprach "volle Kooperation". Blair will sich vor allem auf die Unterstützung von Abbas bei dem Aufbau staatlicher Institutionen konzentrieren sowie auf die Koordinierung von technischer und wirtschaftlicher Kooperation zwischen Israel und den Palästinensern.
Der Sondergesandte Blair tritt ein schweres Erbe an. James Wolfensohn, der frühere Weltbank-Chef, der vor gut einem Jahr von dem Posten zurücktrat, war auf beiden Seiten hoch geschätzt. Als Israel im Sommer 2005 den Gaza-Streifen räumte, bestritt er aus eigener Tasche 500.000 US-Dollar, um die Gewächshäuser der jüdischen Siedler zu retten. Schon erklärte Hamas-Sprecher Ghasi Hamad an, er erwarte nicht, dass Blair die Mission unparteiisch angehen werde. "Unsere Erfahrungen mit Tony Blair als britischem Premierminister waren nicht sehr ermutigend", meinte Hamad. "Er hat stets die amerikanischen und israelischen Positionen übernommen."
Der Beginn der Mission des neuen Nahost-Gesandten fällt in eine unruhige Zeit. Erst gestern kam es zu erneuten Gefechten, als israelische Soldaten auf dem Vormarsch im südlichen Gaza-Streifen von Hamas-Angehörigen mit Maschinengewehren und Antipanzerbeschuss in Empfang genommen wurden. Zwei Soldaten wurden leicht verletzt, während auf palästinensischer Seite 13 Menschen starben, darunter ein neunjähriger Junge. Ein Armeesprecher teilte auf telefonische Anfrage mit, dass das Vorgehen der Soldaten nicht ungewöhnlich sei. "Unsere Truppen dringen seit dem Ende der Waffenruhe regelmäßig alle ein bis zwei Tage in den Gaza-Streifen vor, um Waffen und Terroristen zu suchen." Überraschend sei diesmal lediglich die "harte Gegenwehr" gewesen.
Palästinenserpräsident Abbas kritisierte die Operation, die ganze zwei Tage nach dem Gipfeltreffen in Scharm al-Scheich "Zweifel an den Absichten von (Israels Premierminister Ehud) Olmert" aufkommen ließen, wie sein Sprecher mitteilte. Der Zwischenfall verdeutlicht das offensichtliche Missverständnis zwischen den beiden Volksführern. Während Olmert seine Friedensbemühungen vorläufig auf das Westjordanland und die Fatah konzentriert, strebt Abbas eine Lösung an, die den Gaza-Streifen einbezieht.
Der Einflussbereich des Palästinenserpräsidenten umfasst indes den Gaza-Streifen nicht länger. Ein diese Woche von ihm verhängtes Verbot des nichtautorisierten Tragens von Waffen und Sprengstoff wird vorläufig nur im Westjordanland umgesetzt werden. "Auf der Basis des erklärten Ausnahmezustands in den palästinensischen Gebieten werden ab sofort alle bewaffneten Milizen und Brigaden, die nicht zu den Sicherheitskräften gehören, als illegale Organisationen behandelt", heißt es in der Order des Präsidenten.
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